Um das Thema mal abzurunden:
1. Ich persönlich habe in der Zeit meines Studiums eigentlich hauptsächlich von Musik-Machen gelebt. (Studiert habe ich was völlig anderes.) Meine Erfahrung war und ist, dass die professionelle Schiene letztlich auf das hinausläuft, was ich eigentlich beim Musik-machen immer vermeiden wollte: einen Job zu machen, wie ein Sparkassenangestellter. Bei irgendwelchen Tanzbands zu spielen auf Betriebsfesten oder Hochzeitsfeiern, in Cover-Bands zu zocken und zum hundertsten Mal irgendein auf das Durchschnittspublikum zugeschnittene Programm runterzuspielen, welches zumeist entweder kartoffelsalat-essend am Tisch sitzt, oder eben - weil doch ein paar Bier zuviel - darunter, also das alles ist nicht so der Hammer. Da die absolute Übermenge an Kohle nun auch nicht zu verdienen ist, mußte ich mich dann irgenwann entscheiden: Und diese Entscheidung ist dann eben für einen "normalen" Job ausgefallen und gegen die Musik als Beruf.
2. Letztlich ist es doch so: Es gibt nur zwei Wege, als Drummer von der Muzak zu leben: Entweder wirst du mit einer bestimmten Band bekannt und machst damit deinen Weg, oder halt als einzelner Musiker, da bleiben dann die Möglichkeiten als Session-Musiker, die Studiogeschichten und die Live Sachen (Cover, Tanz, Orchester etc.) Im letzteren Fall musst du letztlich immer das spielen, was sich verkauft, und was das unwissende Publikum hören will, also meistens Mucke vom übelsten. Und wenn es nicht so übel ist, dann langweilt auch das irgendwann. Kreative Möglichkeiten bleiben doch da sehr wenige übrig: Diese ganze kreative Geschichte kannst du doch nur dann machen, wenn du erstens genug Zeit hast, und das setzt wider voraus, dass du in der anderen wenigen Zeit soviel verdienst, dass du dir die Zeit für kreatives auch leisten kannst. Platz für echte Künstler ist selten, im übrigen seien wir doch mal ehrlich: Mit absoluter Sicherheit kommen auf jeden Drummer, den wir bewundern, mindestens 100, die sehr wahrscheinlich genauso gut sind, aber halt nicht bekannt, weil die eventuell auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
3. Lettztlich lebe ich mit meiner Entscheidung ganz gut, (auch wenn mich ab und an der Hafer sticht und ich auf den Gedanken komme, meinen Job doch noch an den Nagel zu hängen und endgültig auf Musik umzusatteln):
Ich mache meinen Job und versuche nebebei, soviel wie möglich zu Drummen. Ein StudioJob hier, eine Session da, ein Soloprojekt dort, dann mal wieder ne Zeitlang nur freie Sessions, oder ne Zeitlang in einer CoverBand mit Gebläse und Bachgróund und allem was dazu gehört. Und das Schöne an dem Ganzen: ich kann spielen, was ich will und muss mir von keinem Menschen reinreden lassen, was ich tun soll, Freiheit pur. Letztens habe ich einen Bekannten getroffen, in meinem Alter, der hat damals die umgekehrte Entscheidug getroffen: Also der kann nicht ein Solo über 7/8 spielen, und ist auch im weiteren in seiner Spielkunst irgendwo hängen geblieben, was er auch zugibt und mich beneidet: Er hat einfach keine Zeit, sich um solche Dinge zu kümmern und die Musik, die er machen muss, läßt solche Dinge einfach nicht zu. Da bin ich besser dran, meint er jedenfalls und für diesen Aspekt stimmt es auch. Aber das ist halt auch immer das alte Spiel: Zuweilen wähnt man das Glück immer dort, wo man gerade nicht ist.
So mache ich weiter, und wenn ein unliebsamer Vollpatient mal wieder mich in meinem Job geägert hat, helfe ich mir mit dem Gedanken, dass genau dieser Typ es sein wird, der mir meine neue Snare bezahlt oder sonst irgendwas, auf der ich dann all die Dinge verwirklichen kann, die ich liebe und die ich schon immer machen wollte, und die mir einen Sound gibt, dass ich bei der nächsten gutbesuchten Session in irgendeinem Laden von einer umwerfend aussehenden Frau um 1 Uhr nachts gesagt bekomme, das ihr das Drummen "irgendwie so ungemein gefallen hat".
Und bei einem anschließenden Rotwein in angenehmer Atmosphäre bei entspannter Plauderei lehne ich mich dann zurück mit dem behaglichen Gefühl, alles richtig gemacht zuhaben (und wenn es auch die einzige Zeit am Tage ist, wo ich das glaube). Der Morgen ist dann relativ fern und alle Dinge,die dort auf mich warten :))
In diesem Sinne
Bis denne
Seelanne