Ich verstehe natürlich die Vorbehalte gegenüber KI in der Kunst. Ich sehe es aber deutlich weniger allgemeingültig, als hier oft formuliert.
Wenn man über Musik diskutiert kommt sehr schnell die Frage auf, wo die Linie zwischen Kunst und "nur" Handwerk liegt. Es wurden schon die Emotionen als wichtiges Kriterium genannt. Wessen Emotionen sind gemeint? Die des Künstlers bei der Herstellung der Kunst oder die, die beim Kunstkonsumenten ausgelöst werden? Was ist es, das die Emotionen beim Zuhörer bewirkt? Oft ist es doch ein Zusammenspiel von vielen Faktoren und Computer-generierte Musik ist da sicher kein Ausschlusskriterium. Und wenn es um die Emotionen des Künstlers geht: Sind die Sängerin und die Instrumentalisten gemeint oder der Songwriter, Texter oder die Produzenten etc.? Kann eine Platte Kunst sein, die Livedarbietung aber nicht oder umgekehrt? Ist es nur Kunst, wenn die Band das alles ganz romantisch selbst macht? Ich habe keinerlei Vorstellung davon, wie viel Emotionen bei Taylor Swift und ihrem Musik-Apparat im Spiel sind. Aber ich weiß, dass das Ergebnis eine beeindruckende Wirkung auf sehr viele Menschen hat. Die Meinungen darüber, ob Pop-Musik Kunst sein kann, gehen aber ziemlich weit auseinander. Dagegen ist man sich mehr oder weniger einig, dass viele Bands in der heimischen Garage Kunst generieren, wenn sie gemeinsam Gefühle und Erlebnisse verarbeiten. Einige davon sind damit auch extrem erfolgreich geworden, weil sie andere Menschen mit ihrer Musik erreichen. Weit mehr als 99,9% der kreativ arbeitenden Bands spielen allerdings eher 2-5 Auftritte im Jahr vor 50-200 Leuten. Ist deren Kunst besonders wertvoll und schützenswert, obwohl sie im Wesentlichen den Künstler selbst berührt, kaum aber andere Menschen? Und gilt das auch, wenn zwar viele Emotionen und viel Kreativität da sind, aber das Handwerkszeug fehlt, das so in Musik zu gießen, dass es auch anderen zugänglich wird? Und da sind wir bei der Frage: Wie kann man Kunst überhaupt bewerten und auch definieren? Kann sich alles selbst als Kunst definieren? Was ist mit Auftragsarbeiten wie Werbejingles etc .? Wie viel Musik wird jetzt sowieso schon am Rechner zusammengeklickt? Machen Timing-Korrekturen, Auto-Tune oder sogar schon ein Metronom Kunst kaputt? Zudem war ein Großteil der Musik ja immer schon von anderen Werken inspiriert.
Und damit zurück zur KI: Wenn man aus verschiedenen Richtungen betrachtet einigen bis vielen Teilbereichen der Musik sowieso die Kunst abspricht, wie soll die KI da dann noch die Kunst kaputt machen?
Mein Gefühl ist, dass es in den meisten Fällen eher um die romantische Vorstellung der Kunst-schaffenden Band geht. Allerdings macht das ja nur einen kleinen Teil der Musiklandschaft aus. Und ist auch nicht der einzige, der Menschen bewegt und Emotionen weckt. Möglicherweise ist die Diskussion über KI auch "nur" die Fortführung der Diskussion darüber, was überhaupt Kunst ist?
Ich sehe dem Ganzen etwas gelassener entgegen. Am Ende kann man für sich das Ergebnis beurteilen und selbst entscheiden, ob man etwas "konsumieren" möchte. Man muss sich auch weiterhin nicht an anderen orientieren.
Zusätzlich wird sich für alle, denen der gesamte Schaffensprozess wichtig ist, in Zukunft sicher das Gütesiegel "KI-freies Werk" etablieren. Ähnlich wie es heute einige (insbesondere Top-40) Bands gibt, die damit werben, alles live zu spielen und keine Loops, Samples oder Midi-Files zu nutzen.
Für mich ist KI in erster Linie ein Werkzeug, benutzt von Menschen. Und mit Werkzeugen kann man sowohl Kunst als auch Abfall generieren. Aber natürlich birgt der Einsatz von KI auch viele Gefahren. Im Bereich der Kunst insbesondere beim Urheberrecht. Da ist wie so oft die Technik schneller als unser Verständnis und unsere Rechtslage. Das ist ja eigentlich schon seit diesem Internet so.