Zitat
Ähhh... nur so als medizinischer Hinweis: Wenn fiepsen im Ohr dann SOFORT zum HNO-Arzt, das ist nämlich laut Ärzten dann ein Notfall, der sofort behandelt werden muss. Wenn man nicht innerhalb der ersten 48 Stunden beim Arzt ist, bleibt der Tinnitus wahrscheinlich irreparabel. Ich war zu spät da (am dritten Tag), habe daher mein Piepsen nun das restliche Leben lang.
Hieraus ist nicht ersichtlich, dass der Satz mit den 48 Stunden noch Fremdaussage ist. In der geschriebenen Form klingt es nach Eigenaussage, nächstes Mal indirekte Rede verwenden und alles ist gut.
Da die Medizin überdies keine Hoffnung hat, kann diese auch nicht futsch sein. Ich musste tatsächlich nochmal googeln, ob sich innerhalb der letzten 11 Jahre großartig was getan hat und nun eventuell doch durchblutungsbedingte Tinnitus halbwegs zuverlässig(er) behandelt werden können. Es findet sich nichts dazu. Es steht weiterhin geschrieben, dass auch in solchen Fällen die Behandlung nach wie vor keine belegbaren Ergebnisse bringt. Bedeutet soviel wie, es wird halt "behandelt" und wenn es funktioniert, ist der Patient dankbar und fühlte sich nicht so alleine gelassen.
In dem von dir beispielhaft genannten Beispiel der Durchblutungsstörung dürfte Hauptgrund der Beseitigung der Causa der sein, um durch die Durchblutung weitere innere/organische Schäden zu vermeiden. Jedoch nicht die Behandlung des Tinnitus an sich, da er aktiv nicht behandelbar ist. Bedeutet soviel wie - selbst wenn nicht behandelt würde, bestünde trotz möglicherweise bleibender organischer Schäden gute Chance, dass der Tinnitus an sich mit der Zeit abklingt.
Wie ich darauf generell komme? Man lese sich in Fälle ein, bei denen Patienten aufgrund des unglaublichen Leidensdrucks der Hörnerv durchtrennt wurde, um die Ohren und damit den Ton abzukoppeln. Was war das Ergebnis? Die betroffenen waren nun taub. Es bestand schließlich keine nervliche Verbindung mehr von Sinnesorgan zu Hirn. Ein Pech, dass viele davon dennoch weiterhin ihren Tinnitus hörten. Nur jetzt waren sie taub, hatten nichtmal mehr die Chance irgendwas zu übertönen.
Bedeutet? Der chronische Tinnitus ist vielfach nichtmal mehr ein konkretes Problem der Lauscher und der dahinter verborgenen Technik, sondern Kondition des Gehirns. Der Ton wurde und wird sich antrainiert und setzt sich im Hirn quasi fest.
Ich erinnere mich zu gut, wie ich bei meinem besagten Hörsturz kurzzeitig wieder wie damals vor 11 Jahren Panik schob, mir immer wieder mal die Ohren zugehalten hatte um zu "prüfen" ob er lauter oder leiser wird usw. Dran erinnert, wozu das vor 11 Jahren geführt hatte, und direkt ab Tag 0 dasselbe Programm abgezogen wie damals. Soweit nötig sachte übertönen und ansonsten ignorieren.
Zumindest ich konnte mit Autosuggestion recht gut arbeiten, so weit, dass ich meinen Tinnitus von vor 11 Jahren wirklich aktiv überhören kann. Aktiv überhören deshalb, weil ich es auch in nahezu absoluter Stille kann. Das ging mit der Zeit so weit, dass man regelrecht vergisst, dass man einen hat und dementsprechend garnichts mehr daovn hört. Es wird immer nur zum Problem, wenn man sich drauf fokusiert. Wie jetzt gerade. Ich beschäftige mich mit dem Dreck, schreibe darüber - und schon hab ich wieder unweigerlich den Ping in der Muschel. Zwar noch kontrolliert leise, aber weit über dem gewohnten Alltagsniveau.
Ich kann das nachvollziehen, dass Personen die ihren ersten Tinnitus haben damit überfordert sind, und auch dementsprechend glauben, dass ihre Ärzte auch überfordert sind. Mein HNO hatte damals vor 11 Jahren folgendes gesagt: "Die Reaktion der Patienten ist immer dieselbe. Sie kommen zu mir, haben das Ohrgeräusch, erwarten, dass ich etwas dagegen mache. So nach dem Motto: Schneids mir weg, behandle es mir weg. Das kann ich aber nicht, alles andere wäre eine Lüge und falsche Hoffnungen gemacht. Patienten müssen lernen damit zu leben. Und je früher man den Ton akzeptiert, umso besser sind generell die Langzeitchancen der 'Heilung'".
War bei mir doch kein Stück anders. Ich hatte auch gesagt, der HNO kann nix. Der soll was machen. Da gibts doch dies und das und jenes. Zweitmeinung bei 'nem anderen HNO geholt, letztlich dieselbe Aussage. 8 Jahre später, Hörsturz mit neuem Tinnitus Ton, andere Stadt, Uniklinik - letztlich auch wieder dieselbe Aussage. Nur ich war diesmal nicht derselbe, der sich von dem "unüberhörbaren" Fiep hat beknackt machen lassen und ihn sich diesmal nicht ins Langzeitgedächtnis geballert hat. Hätte ich bei dem Teil wieder denselben Unfug gemacht wie bei meinem ersten, das hätte nicht gut geendet.
Ich war damals nach 'nem halben Jahr mittelprächtig depressiv, konnte nicht mehr schlafen. Bedeutet ich hab nur dann Schlaf bekommen, wenn ich so erschöpft war, dass ich quasi deshalb dann den totalen Shutdown hatte. Vorher, keine Chance. Ständig kontrolliert ob das Ding noch da ist, ständig Fragen gestellt wann das weg geht, ob das weg geht. Ich sag so frei, das Leben hat sich um den Ohrton gedreht. Ich war nach 6 Monaten so platt, ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Irgendwann wurde ich von meiner Mutter damals aber drauf gebracht, was ich bislang vielleicht falsch machen könnte. Mich damit beschäftigen. Den Ton nicht den Ton sein lassen. Wieder normal leben, nicht schauen ober leiser oder lauter wird, tun was mir Spaß macht. Wieder ungehemmt auf Konzerte gehen, Schlagzeug spielen (alles mit Gehörschutz versteht sich) usw.
Was soll ich sagen. Es war ein langer, schleichender Prozess bis ich alles im Griff hatte. Aber ich konnte beobachten, wie es sich gebessert hatte. Ging damals noch zur Schule. Irgendwann bemerkt... Hoppla, wenn ich mit den Pausen bei meinen Freunden bin, mich mit denen unterhalte - wo ist der Ton gewesen, wenn er mich jetzt im Unterricht wieder brutal nervt? Mir war nicht aufgefallen, dass er weg ist, mir fällt nur auf, dass er jetzt wieder da ist. Und so - Stück für Stück. Hat ab da garantiert ein Jahr gedauert, bis ichs auf dem Stand von jetzt hatte. Immerhin hatte ich mir auch ein halbes Jahr Zeit genommen den Ton in den Schädel zu programmieren.
Krönender Abschluss stellte die Fertigkeit dar, ihn auch in absoluter Stille zu überhören. Ich kann nicht zu 100% beschreiben, wie ich das gemacht habe. Gefühlt habe ich begonnen "aus mir raus" zu hören, der Ton kommt ja letztlich von innen. Damit war auch ein wirklich sonderbares Hörgefühl / Hörerlebnis verbunden, das ist es noch bis heute, wenn ich es mal wieder bewusst machen muss um einen temporären neuen Ohrton zu killen.
Ich stelle daher die gewagte These, dass sehr viele chronische Tinnitus vermeidbar wären, wenn die betroffenen von Anfang an in der Lage wären, sich nicht auf das Ding zu versteifen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten sind mir bewusst, ich konnte es damals ja selbst nicht und darf deshalb jetzt damit leben. Er ist da, aber ich "höre" ihn ja weitestgehend nicht. Außer ein Thread mit komischen Aussagen erinnert mich wieder daran
Er darf aber gerne weiterhin bleiben, ich hab meinen Fieperich lüüp.
Grüße
Thomas