Ich hab das hier ja so angestossen, weil es mir ein Anliegen ist, das man auch als Musiker durchaus mal betriebswirtschaftlich denken und nicht immer gleich dem Gefühl nachgeben sollte, das man aus dem Umstand heraus, das man etwas tut, was man liebt/gerne tut, und der Tatsache das man sich glücklich schätzt, einen so exklusiven Beruf auszuüben, man kein oder nur wenig Geld verlangen dürfe...
Diese Selbstausbeutung findet in unserem Beruf leider tagtäglich statt.
Gerade weil ich selbst viele Jahre lang zu zaghaft in Businessfragen war, reite ich heute bei Kollegen recht hartnäckig drauf herum und weise auf missliche Kalkulationen hin, wenn sich mir der Eindruck erweckt, das da was nicht zu Ende gedacht wird.
Angestossen wurde dies bei mir vor einigen Jahren durch eine Tour in Skandinavien und in der Schweiz, wo ich mich mit einheimischen Musikern über geschäftliche Abläufe und Honorare unterhalten habe.
Ich war damals extrem erstaunt, wie anders dort manche Dinge gesehen wurden und aus welchem Selbstbewußtsein heraus Forderungen bzgl. Honorare aufgestellt wurden, weil die Leute z.b. ein Hochschulstudium der Musik abgeschlossen hatten. In Dänemark gibt es da sogar gewisse Mindesthonorare, die man einem studierten Musiker anbieten muss. Völlig unvorstellbar in Deutschland, weil hier ja immer auf den freien Markt gesetzt wird...
Das Problem in unserem Beruf ist aber, das aus der Verquickung von Leidenschaft (kommt das eigentlich von Leid???) und einer gewissen betriebswirtschaftlichen Unprofessionalität, die in Deutschland sehr stark mit dem Zerrbild des Künstlers verbunden wird, eine sehr ungesunde Mischung entsteht, die meist in einer Konsequenz resultiert, das man keine wirtschaftlich gesunden Forderungen formuliert.
Es wurde ja bereits angemerkt, man müsse ja auch auf andere Rücksicht nehmen, man würde ja sonst gar nicht mehr auftreten, die Familien könnten sich dann ja gar keinen Musikunterricht mehr leisten...
Hier schlägt ja genau die Falle zu!
Tauschen wir jetzt mal den Beruf des Musikers/Musiklehrers gegen einen anderen selbständigen Beruf mit hoher Qualifikation aus.
Sagen wir mal, wir reden von einem ....Rechtsanwalt...
Und schon fällt jegliche Argumentationskette, die zuvor im Zusammenhang mit einem Musiker aufgelistet wurde, warum man keine wirtschaftlichen Honorare verlangen kann, in sich zusammen.
Wir können auch Grafiker/Webdesigner/Steuerberater usw. nehmen.
Am Ende stellen wir fest, das in diesen Berufen niemals so argumentiert wird.
Am Ende dieses Gedankenganges steht nämlich imho die Erkenntnis, das einfach klar werden muss, das auch künstlerische Tätigkeiten, Lehrtätigkeiten ihren Preis haben, der in Wahrheit viel höher liegt, als er derzeit angesetzt ist, das System aber nur so läuft, wie es läuft, weil die Anbieter der Leistung zur Selbstausbeutung bereit sind. Eine schmerzhafte Erkenntnis für beide Seiten. Den Musiker und denjenigen, der die Leistung des Musikers gerne konsumieren möchte.
Worauf ich hinaus möchte ist, das man begreift, das man sehr wohl Geld verlangen darf, sogar muss, und dies in wirtschaftlich gesunden Verhältnissen.
Die Zahlen der KSK, das Thema Altersarmut bei Künstlern, das Fehlen jeglicher Absicherungen für den Fall einer ernsthaften Erkrankung sprechen Bände.
Wer kennt nicht diesen Dialog: hast du eine Versicherung für Krankheitsausfälle, Zusatzrentenversicherung?...Hä, wovon soll ich die bitte bezahlen???...Dialog: Ende!
Dies alles leisten wir Musiker schon seit Ewigkeiten, damit der Rest der Gesellschaft unsere Leistung möglichst günstig konsumieren kann. Das nenne ich Selbstausbeutung!
Wie kann man das ändern?
Nur wir selber, indem wir einfach aufhören, permanent zu unwirtschaftlichen Bedingungen zu arbeiten, letztendlich natürlich auch mit der Konsequenz, das bestimmte Dinge dann so nicht mehr gehen können.
Wenn immer mehr Musiker sich in diesem Bereich professionalisieren, so fällt mit der Zeit auch das Argument des sich gegenseitig Unterbieten irgendwann weg.
Der Weg dahin ist steinig, klar. Wie ich vorher im alten Thread auch schon mal schrieb, dann spielt man vielleicht auch seltener als zuvor, aber dafür zu ordentlichen Konditionen.
Das Ganze hat auch irgendwie etwas mit Selbstwertgefühl zu tun. Bin ich der Meinung, das meine Leistung einen gewissen Wert darstellt oder nicht.
Vertritt man diese Auffassung selbstbewußt, ändert sich mehr als man zuerst vielleicht erwartet.
Mein Selbstversuch brachte jedenfalls erstaunliche Ergebnisse, die sich verblüffend mit den Ausführungen im "Ratgeber Freie", den ich bereits zitierte, decken...
Vergleichen wir uns mal mit Berufsgruppen mit ähnlichem Profil, so müssen wir feststellen, das diese Berufe ein vielfaches dessen an Umsatz p.a. generieren, was der durchschnittliche Musiker erzielt.
Liegt das wirklich an der Tatsache, das es nicht anders geht? Ist das ein ehernes Gesetz, das man als Musiker weniger Geld für vergleichbare Leistungen bekommt?
Meine These lautet eindeutig: nein!
Denn ich kenne genügend Freiberufler/Selbständige aus anderen Tätigkeitsfeldern, die ganz klare wirtschaftliche Grundprämissen aufstellen und bei einem Stundensatz von unter 20€ nur den Kopf schütteln, zu dem aber viele Leute an privaten Musikschulen unterrichten. Die checken nur oft gar nicht, das sie zu völlig hanebüchenen Honoraren arbeiten und kreieren oft den gruseligen Satz: hey, ich hab doch nen Stundenlohn von 18€.
Das kriegt die Kassiererin im Supermarkt nicht..
Aaaargh, Einmaleins des Freiberuflers nicht gechecked und mit Angestellten verwechselt! Setzen! Sechs!
Genauso verhält es sich mit Gagen, wo viele Leute einfach unterschätzen, wie hoch eigentlich eine wirtschaftliche Live-Gage sein muss, wenn man ernsthaft davon leben und nicht nur überleben will.
"Ey, ich hab doch nur 3h gespielt und krieg dafür 150€. Das macht doch 50€ Stundenlohn! Voll fett Mann!"
Wieder einmal null Peilung von Selbständigkeit! Setzen! Sechs!
Kehre ich zum Beruf des Instrumentallehrers zurück, so ist der vergleich mit einem Lehrer an einer allgemeinbildenden Schule absolut erlaubt.
Ich frage dann einfach mal, was verdient ein Lehrer an einem Gymnasium?
Wie viele Wochenstunden unterrichtet er an der Schule, wie viel Zeit muss er mit Vorbereitung Unterricht verbringen, wie sieht es mit Krankheitsfall aus, Rente, Absicherung, Fortbildung usw.?
Erschreckend, wenn man feststellen muss, das selbst ein Musiker, der 40 Wochenstunden unterrichten würde, was defacto gar nicht zu leisten ist, niemals nur in einer vergleichbare Nähe zu so einer Vergütung kommen könnte.
Und ich berücksichtige mal nur die reine Lohnzahlung und lasse alle Zusatzleistungen aussen vor.
Um sich Fragen der Wirtschaftlichkeit zu stellen, sollte man sich durchaus solche Dinge mal vor Augen führen, um seine eigenen Honorarforderungen zu formulieren.
Unterm Strich geht es dabei auch nicht, wirklich das Gleiche Einkommensniveau zu erreichen, sondern nur darum sich klarzumachen, wie weit eigentlich aus der Perspektive des Musikers selbst vermeintlich horrende Honorare noch von solchen Einkommen entfernt sind.
Und deshalb bin ich auch der Meinung, das sich Musiker einfach weigern sollten, an irgendwelchen Musikschulen zu Honoraren zu unterrichten, von denen man eigentlich nicht oder nur als Hungerleider existieren kann.
Genauso sollten Musiker viel häufiger einfach mal sagen, zu dieser Gage spielt unsere Band nicht. Nur so ist es möglich, aus diesem Teufelskreis auszubrechen.