Die
Zukunft im Blick haben
Auf
der Suche nach einem Proberaum stieß ich unter anderem auf den Namen
Peter Miklis, der in meiner neuen Heimat Lübeck unterrichtet.
Ihn habe ich als Drummer von Heinz Rudolf Kunze in Erinnerung. Unkompliziert war schnell ein Termin mit ihm gemacht und so besuchte
ich ihn in seiner Musikschule Dr.ums
Perc.usison.
DF:
Seit wann und warum spielst du eigentlich Schlagzeug?
PM:
Mein Bruder hatte in einem Spielmannszug angefangen zu trommeln,
hat das aber wieder aufgegeben. So lagen aber bei uns zu Hause Sticks
herum. Die schnappte ich mir und trommelte damit auf einer Keksdose.
Da war ich etwa zwölf Jahre alt.
Nach
etwa einem Jahr konnte ich meinen Vater überreden, mir ein richtiges
Drumset zu kaufen. Das mussten wir mit dem Zug abholen und es war
nicht gerade einfach, die Teile dann vom Bahnhof nach Hause mit dem
Fahrradanhänger zu transportieren.
DF:
Du sagtest, dass du Autodidakt bist, wie ging es weiter?
PM:
So mit 14 fing ich dann an, richtig auf dem Set zu spielen,
davor musste ich z.B. die kaputten Felle ersetzen. Die erste Band kam
so mit 15 und mit der hatte ich dann auch meinen ersten Auftritt in
einem Wohnzimmer während einer Geburtstagsparty.
Dann so
nach drei Jahren machte ich einen großen Sprung: Im Briefkasten fand
ich einen Zettel, auf dem in etwa Stand: „Lieber Musikfreund! Wir
suchen einen Trommler und wenn du Lust hast, komme doch mal vorbei!“
Der Typ, der den Zettel geschrieben hatte, kannte ich vom Sehen. Er
wohnte in der Nachbarschaft und sah immer aus wie ein Rockstar.
Der
hatte mich tatsächlich mal spielen gehört, weil wir mal eine
Vorband waren. So richtig gut spielen konnte ich da natürlich noch
nicht, aber, ich war laut, das muss ihn wohl beeindruckt haben
DF:
Damals war es als Drummer ohne PA nicht so einfach gegen Verstärker
durchzukommen?
PM:
Genau! Der Zettelschreiber war übrigens Bassist und hatte vier
Marshallboxen, da musste ich mich schon anstrengen. Da bin ich dann
jedenfalls hin mit meinem Set und die lachten erst Mal, was ich nicht
verstand. Später dann erzählten sie mir dann, dass mein Set einen
erbärmlichen Eindruck gemacht hätte. Jedenfalls ging es mit diesem
Trio zur Sache, ich habe dann auch mehr geübt. Das lag auch daran,
dass die beiden anderen nicht nur älter sondern auch besser als ich
waren.
Das ist
denn auch so ein Ratschlag, den auch viele andere Musiker geben:
Sucht euch Leute, die besser als ihr seid, dann kommt ihr weiter.
Wenn Mitmusiker schlechter spielen, dann ruht man sich aus. Abgesehen
davon, eine Band motiviert ja eigentlich auch zum Üben. Aus meiner
Erfahrung heraus kann ich sagen, dass, wenn man nur alleine übt, man
sich viel zu sehr auf die Technik konzentriert und nicht Dinge übt,
die in einer Band wichtig sind.
DF:
Wie etwa songdienlich spielen?
PM:
Genau! Ich habe auch viele Schüler, die keine Band haben
wollen. Wenn ich mit denen übe, wie ein Groove zu halten ist über
eine längere Zeit, dann kommen sie sehr schnell an ihre Grenzen. Sie
haben den Drang, das zu zeigen, was sie technisch können. Das kann
aber einen Song kaputt machen. Deswegen ist auch mein Tipp, egal
welches Instrument, junge Musiker sollten sich möglichst schnell
eine Band suchen. Die Musikalität entwickelt sich nämlich erst im
Zusammenspiel mit anderen.
Wenn du
jeden Tag meinetwegen fünf der Topdrummer auf Youtube nacheiferst,
kann das auch motivieren, aber ein besser Musiker wirst du dadurch
nicht. Ich habe mir auch schon Clips angesehen und da Anregungen
gefunden, wie ich etwas spielen kann. Insofern ist das Internet eine
gute Sache, nur, du darfst dich darin nicht verlieren. Denn ich habe
die meisten Dinge in einer Band gelernt.
DF:
Zum Beispiel?
PM:
Du kannst ruhig Fehler beim Auftritt machen, wichtig ist,
zusammen anfangen und zusammen aufhören. Wenn was schief geht, darf
das Publikum das möglichst nicht merken. Da hilft, immer so zu tun,
als wenn das Absicht wäre. Grobe Schnitzer bekommen die Leute
natürlich schon mit, wenn die Lieder bekannter sind. Für Feinheiten
ist dann eher die Musikerpolizei, wir sagten früher Beatpolizei,
zuständig.
DF:
Ab wann konntest du davon leben?
PM:
Ich muss ein wenig ausholen: Ich habe mich dann irgendwann zu
einer Prüfung bei der Musikhochschule hier in Lübeck angemeldet und
bin da natürlich kläglich gescheitert. Die haben mir da Noten
hingelegt und ich sagte dann nur, dass ich ja mich da angemeldet
hätte, um Noten zu lernen. Ich hatte mich überhaupt nicht
informiert und bin da ganz naiv hingegangen.
Zum
Glück saß in der Jury ein Schlagzeuger des NDR-Sinfonieorchesters,
der hat mich dann umsonst unterrichtet. Er war mein Mentor und hat
mich dazu gebracht, dass ich Berufsmusiker geworden bin. Zudem lernte
ich dann noch Klavier und Gehörbildung, das war für die Prüfung
wichtig.
Daneben
und danach habe ich dann verschiedene Sachen gemacht, wir sagten dazu
mucken, und habe schon ganz gut verdient. Ich bekam Bafög und kam
gut über die Runden. So richtig davon leben ohne Unterstützung
konnte ich dann nach dem Studium 1981.
DF:
Bist du dann nach Hamburg gezogen?
PM:
Nee, ich bin immer hier in Lübeck bzw. in der Nähe geblieben.
Trotzdem war ich oft in Hamburg, habe da auch viele Studiojobs
gemacht. Das lief solange, bis die ersten Drumcomputer sich
durchgesetzt hatten.
DF:
Kleiner Sprung: Was macht für dich einen guten Schlagzeuger aus?
PM:
Die Grundvoraussetzung ist ein vernünftiges Timing. Allerdings
besteht da die Gefahr, dass es übertrieben wird und du nur noch zum
Klick spielst. Ich finde, ein Groove muss atmen. Früher wurden
Welthits produziert, in denen das Tempo schwankt. Bei Proben nutze
ich dann aber schon zumindest zum Einzählen den Klick, weil gerade
die langsameren Stücke schwierig vom Tempo her zu spielen sind.
Ein
guter Drummer erkennt seine Rolle innerhalb der Band. Die Kunst ist,
deine technischen Möglichkeiten so zu verteilen und anzuwenden, dass
sie den Song unterstützen und nicht stören. Und da komme ich wieder
darauf zurück: Das kannst du nur in einer Band lernen!
DF:
Sollte ein Drummer einen ausgleichenden Charakter haben? Wir stehen
ja vermeintlich nicht so im Vordergrund.
PM:
Wobei ich beobachtet habe, dass das Schlagzeug mehr in den
Vordergrund gerückt ist. Es gibt in Hamburg einen Drummer, der hat
das umgedreht. Der hat auf einen Podest sein Set vorne auf der Bühne
aufgebaut. Bei Konzerten merke ich selber, das auch Leute, die selbst
nicht spielen, sich für das Instrument interessieren. Wenn ich mit
dem Gig-Pig auftrete, kommen vor allem Frauen zu mir und sagen, dass
es wie eine Waschmaschine aussähe und sind ganz erstaunt, was für
Klänge da raus kommen.
Was die
Ausgangsfrage anbelangt, ich denke, es ist von Vorteil. Viele Drummer
sind in der Lage, ihr Ego nicht in den Vordergrund zu stellen. Da
spielt auch die Position auf der Bühne eine Rolle: So von hinten,
vielleicht auch leicht erhöht, sieht das Ganze anders aus. Außerdem
bist du als Drummer ja auch eher außen vor, wenn es um
kompositorische Dinge wie die richtigen Töne und Ähnliches geht.
DF:
Nichtsdestotrotz spielst du ja auch Melodieinstrumente. Hilft dir das
beim Trommeln?
PM:
Auf jeden Fall, ich verstehe Songstrukturen viel besser und
kann dementsprechend auch passendere Pattern anbieten. Außerdem
brauchst du nicht soviel mitzählen, du merkst einfach, wann ein
Wechsel kommt.
DF:
Wie siehst du das Medium Internet gerade in Hinblick auf die massiven
Veränderungen der letzten Jahrzehnte?
PM:
Wie ich vorhin schon angerissen habe, so rein informativ ist es
für Leute, die sich kein Unterricht leisten können oder wollen,
hilfreich, das gilt natürlich nicht nur fürs Schlagzeug. Aber
leider gibt es auch viele Infos, die falsch sind. Das kann ein
Anfänger nicht filtern.
Dennoch
glaube ich, das Positive überwiegt schon. Ich kann allerdings
Anfängern nur den Rat geben, zumindest mal ein paar Anregungen von
Leuten sich zu holen, die schon länger spielen. Es geht darum, zu
lernen, worauf auch beim Gucken von Videos zu achten ist. Sonst kann
eine Menge versaut werden, das nur schwer wieder gerade gebogen und
nur schwer wieder abtrainiert werden kann. Ansonsten finde ich die
Entwicklung positiv.
Was
antrainierte Fehler anbelangt, so habe ich die wohl alle gemacht,
denn ich hatte keine Anleitung, als ich anfing. Selbst bei Konzerten
konnte ich kaum sehen, was der Drummer da so treibt, denn ich war ja
immer lütt, also von der Körpergröße her nicht der Größte.
DF:
Wie hast du die letzte Zeit, die ja sehr stark von der Pandemie geprägt
ist, erlebt?
PM:
Mir ist es gelungen, meinen Unterricht online weiter machen zu
können. Außerdem konnten wir wenigstens ein paar Konzerte spielen.
Diese Konzerte wurde dann auch gestreamt, weil vor Ort war ja kein
Publikum. Zudem gab es eine ordentliche Gage.
Finanziell
ging es mir zum Glück auch relativ gut. Aber, ich hatte eben mir
Rücklagen schaffen können. Das ist denn auch ein Tipp an Leute, die
ans Geldverdienen mittels Trommeln denken. Verballert, wenn möglich,
nicht alles an Kohle, sondern denkt an die Zeit, wenn die Gagen nicht
mehr so üppig sind. Das habe ich zum Glück immer gemacht und konnte
so auch Entscheidungen treffen, die letztendlich gut für mich waren.
DF:
Wie zum Beispiel bei Heinz Rudolf Kunze auszusteigen?
PM:
Genau! Und ich habe dafür gesorgt, dass nicht nur der Staat
meine Rente bezahlt. Klar ist aber auch,. dass das heute viel
schwerer ist. Will sagen, die Bedingungen für Berufsmusiker sind
heute viel härter.
DF:
Du kannst dich entspannt zurück legen?
PM:
Ich freue mich, dass mein Plan aufgegangen ist und ich zum
Beispiel mit der Loredda Jacque Band spielen darf ohne aus nur rein
finanziellen Gründen trommeln zu müssen. Also so Mucken wie früher
muss ich nicht mehr annehmen.
Weitere
Infos: http://www.dr-perc.com