Da ich nun der Erste auf der Liste der "Probeleser" bin, hier jetzt meine Rezension/Besprechung des Buchs
"Linkshänder am Schlagzeug - Ein Ratgeber für Drummer und Schlagzeuglehrer" von Thomas Bittner
Vorweg möchte ich mich bei Thomas bedanken, dass er sein Buch für eine Kritik im Forum zur Verfügung stellt.
Es ist sicher nicht einfach, mit einer doch sehr speziellen inhaltlichen Ausrichtung einer Buchveröffentlichung auf dem Buchmarkt Beachtung zu finden - und irgendwie muss die Zielgruppe ja davon erfahren, dass das Buch existiert. Somit wird hier hoffentlich die Aufmerksamkeit erzielt, die das Buch in meinen Augen durchaus verdient.
Die Zielgruppe ist im Untertitel ja bereits genannt, d.h. das Buch richtet sich an linkshändige Schlagzeuger und Schlagzeuglehrer, die linkshändige Schlagzeug-Schüler unterrichten.
Auf knapp 80 Seiten im A5-Format geht es um Problematiken, Eigenarten, Chancen und Lösungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Linkshändigkeit am Drumset.
Anders als andere Publikationen zur Linkshändigkeit, verzichtet der Autor gänzlich auf wissenschaftliche Bezüge und Belege, fokussiert sich stattdessen in erster Linie auf seinen persönlichen Erfahrungsschatz als linkshändiger Schlagzeuger UND Schlagzeuglehrer, der - so habe ich es herausgelesen - offenbar eine ganze Reihe linkshändiger Schlagzeugschüler unterrichtet und in ihrer Entwicklung begleitet hat. Insofern ist das Buch im höchsten Maße subjektiv, was ich in diesem Fall aber als Kompliment meine, denn er versteckt seine Aussagen nicht hinter zitierten wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern beschreibt real beobachtete Phänomene und Problematiken aus dem täglichen Involviert-Sein in die Thematik.
Ich will hier gar nicht so sehr detailliert in die einzelnen Bereiche des Buches eingehen - denn dazu sollte man es letztlich wirklich lesen -, aber ein paar in meinen Augen wesentliche Aspekte kurz benennen, die FÜR MICH während der Lektüre vor allem hängengeblieben sind:
Der Autor vertritt die Auffassung , dass es quasi eine "Körperverletzung" sei, einen Linkshänder an einem Rechtshänder-Setup zu unterrichten, da dieser entgegen seiner inneren Veranlagung trainiert werde und somit zwangsläufig Probleme entstehen. Der Linkshänder verschwendet quasi Ressourcen, um die für ihn nicht der ursprünglichen Veranlagung gemässe Ausrichtung auf dem Set zu kompensieren.
Dies führe nicht nur dazu, dass das Erlernen der rechtshändigen Spielweise schlicht länger und zäher werde, sondern vor allem dass der Energiefluss (im Sinne der positiven, ungehemmten Freude am Set und am Leben an sich) eine Behinderung erfährt: Es steht damit eine Hürde im Weg, die teilweise so hoch ist, dass die Entwicklung am Set gänzlich stagnieren kann.
Hier hat der Autor auch seine eigene Entwicklung zum professionellen Drummer beispielhaft angeführt, denn er selbst hat zu einem sehr späten Zeitpunkt seiner Ausbildung zum Schlagzeuger die Spielweise von rechts- auf linkshändig umgestellt und - nach einer doch recht kurzen Zeit der Umgewöhnung - tatsächlich den erhofften Entwicklungssprung offenbar mit Leichtigkeit machen können.
Dies wird im Buch in einer doch eher ganzheitlichen Sichtweise vermittelt: Es geht nicht einfach nur um die Technik an sich, sondern um die Vermittlung der Überzeugung, dass Energie nicht ungehindert fliessen kann und damit Entwicklungsmöglichkeiten in allen Lebensbereichen, bis hin zum ganz grundsätzlichen Anschluss an die eigene Lebensenergie und damit auch Lebensfreude behindert werden können. Es geht im Grunde um Leichtigkeit.
Das alles wird an vielen Beispielen spieltechnischer Aspekte beleuchtet, aber immer auch der Bezug zum größeren Ganzen genommen. Letztlich geht es darum, im Einklang mit sich selbst spielen und leben zu können - und das gar nicht mal esoterisch verbrämt, wie es sich hier in der Kürze vielleicht anhören mag.
Die Linkshänder unter Euch, wie auch Schlagzeuglehrer, die mit linkshändigen Schülern bestimmte Thematiken wiederkehrend erleben, werden mit Sicherheit wertvolle Anregungen aus dem Buch ziehen können - und sei es nur, um einfach einmal die Betrachtungsperspektive zu verändern und so einen neuen und frischen Blick auf sich selbst oder den linkshändigen Schüler zu bekommen.
Damit ich hier nicht nur etwas nüchtern und distanziert berichte, zum Abschluss vielleicht der für mich wichtigste Aspekt:
Ich bin selbst Linkshänder und habe mich sehr früh entschlossen, nicht rechtshändig zu lernen, sondern open-handed auf einem Rechtshänder-Setup. Ich war selbst der Überzeugung, dass ich somit zwei Vorteile miteinander verbinde: Ich kann meiner linken Führungshand offen und frei ihren Raum geben, aber gleichzeitig auf jedem x-beliebigen Rechtshänder-Set spielen, ohne umbauen zu müssen.
Thomas Bittner beschreibt allerdings, dass auch die Open-Handed-Spielweise keine gute Lösung sein kann: Mein Unterkörper ist für mich als Linkshänder immer noch "verkehrt", da ich die Bass-Drum - wie ein Rechtshänder - mit rechts trete und die Hi-Hat mit links (dazu werden im Buch eine ganze Reihe von Aspekten bzgl. der Hirn-Hemisphären-Spezialisierung benannt). Entsprechend hat mich das Buch hier voll erwischt: Ich habe beim Lesen plötzlich das Gefühl bekommen, dass ich einen faulen Kompromiss gewählt habe, der aber auch eine Form von Behinderung darstellt. Bei aller Angst, dass ich bei einem Umlernen auf ein klares Linkshänder-Setup vielleicht eine längere Zeit kaum ansprechend spielen können werde, so hat es mich jetzt doch so gepackt, dass ich es einfach mal probieren möchte, mein Setup und meine Spielweise konsequent meiner Händigkeit anzupassen, um zu schauen, wie ich die Veränderungen empfinde.
Der Autor selbst hat für diese Umstellung kaum ein halbes Jahr gebraucht, um sich dann offenbar deutlich befreiter weiterentwickeln zu können.
Fazit: Was kann ein Buch mehr leisten, als einen "Betroffenen" deutlich zu erreichen und eine Ahnung davon zu vermitteln, WAS möglich wäre, wenn ich die künstlichen Blockaden einfach entferne und mich auf das Umlernen einlasse.
In diesem Sinne hat das Buch für mich eine Art Katalysator-Funktion - und das kann ich gar nicht genug schätzen.
Und gibt es auch Kritik?
Nun, die äussere Form ist arg von Schrift geprägt: Man "arbeitet" sich etwas durch endlose Buchstabenzeilen, weil es keine auflockernden Bilder, Grafiken, Übrungen, Absätze gibt. Wenn ich also eine Anregung hätte, dann die, hier und da auch mal das Auge anzusprechen. Der eine oder andere inhaltliche Aspekt mag sich sicher auch visuell darstellen bzw. verdeutlichen lassen.
Ansonsten bleibt mir nur eine klare Empfehlung auszusprechen, WENN man selbst auf irgendeine Weise mit der Linkshändigkeit am Drum-Set konfrontiert ist.