Da wird ja wieder mal ein mords Faß aufgemacht.
Vorweg:
Mit Popmusik meine ich im folgenden alles von Folk bis Thrash.
„Gut“ & „schlecht“ sind subjektive Bewertungen. Laßt uns bitte hier nicht über Begriffe oder Geschmack streiten, es geht um was anderes.
Wahr ist: Gute und schlechte Popmusik gibt’s seit dem es Popmusik gibt.
Wahr ist auch: Früher ist mehr gute Popmusik bekannt geworden als heute.
Das liegt vor allem daran, daß das Geschäft mit Pop professionalisiert wurde. In der kreativen Blütezeit der 70er sind Titel in die Top Ten gekommen, für die Dich heute ein Majorlabel die Treppe runterkicken würde. Die spinnerten Musikliebhaber der frühen Jahre sind unter den Entscheidern des Musikbusiness immer rarer geworden. An ihre Stelle sind Manager getreten, die im Zuge der Umstrukturierung der Branche das tun, was von den Unternehmensbesitzern (meist Aktionäre) verlangt wird: Umsatzwachstum, Marktanteile erobern, Gewinn erzielen. Musik und das was dran hängt (Lifestyle, Merch…) ist zu einem x-beliebigen Produkt geworden und wird dementsprechend behandelt. Für viele Menschen ist das auch o.k., soweit sie durchschnittliche Musikkonsumenten sind (das meine ich gar nicht abwertend). Sie hören Radio, sehen fern – und zwar das, was ihnen dort kredenzt wird: Altbewährtes wie Cocker, Collins & Co. und die neueste Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird. Daß die Qualität dabei oft auf der Strecke bleibt ist uns bekannt. Schade ist, daß der durchschnittliche Konsument nicht das kriegt, was er bekommen könnte: Nämlich gute Musik. Entgegen vieler Zeitgenossen bin ich der Auffassung, daß Lieschen Müller auch Gefallen an Musik findet, die nicht zwangsläufig dürftig tönen muß. Wie sonst sind solche „Unfälle“ wie z. B. Norah Jones und Jack Johnson* zu erklären? Wenn man etwas länger drüber nachdenkt, wird man eine ganze Reihe solcher Beispiele finden. Das Problem ist, daß die Musikindustrie der breiten Masse den Geschmack abspricht und in Folge dessen das bescheidene Mahl serviert, von dem sie sich volle Taschen verspricht. Diese Einstellung ist unglaublich überheblich – eigentlich zynisch. Was macht Lieschen Müller? Sie hört das, was sie btw mitkriegt und ihr das Musik-Marketing reindrückt. Sie kauft noch ein paar CDs und zwar genau die, die ihr vorgebetet wurden. Das System bestätigt sich selbst und der Kreislauf geht genau so weiter.
Für den Musikliebhaber liegt die Sache anders. Er informiert sich über die verschiedensten Quellen und kann aus einem unglaublichen Angebot auswählen, wenn er sich nur die Mühe macht. Wenn einer erzählt, es gäbe nichts Gutes, hat er entweder exorbitante Ansprüche oder ist unfähig zu suchen. Hier sind wir schnell durch.
Die Diskussion handgemacht vs. Retortensounds ist müßig. Entscheidend ist, was raus kommt, soll heißen, welche musikalische Wirkung erzielt wird. Mit welchen Mitteln ist mir vollkommen gleich. Oft ist es so, daß Retortenmucke bei mir den Kürzeren zieht, aber nicht, weil sie aus der Kiste kommt, sondern weil in bestimmten Situationen Menschen bestimmte Sachen besser können. Das kann sich ändern, weil die technischen Möglichkeiten immer besser werden. Die Entwicklung der Technik hat aber schon immer die Musik beeinflußt und natürlich auch die Musiker. Ohne Computer wäre das Thema Timing, Click etcpp nicht so weit in den Vordergrund gerückt. Und in Folge dessen wurden die Schlagzeuger in diesen Punkten „besser“, weil sie auf einmal mit Drumcomputern konkurrieren mußten. Der Bogen wurde natürlich überspannt, so daß die Drumcomputer wieder mit „human feel“ ausgestattet wurden usw usf. Im Moment gibt’s noch Grenzen, an denen Computer scheitern: Der spielerische Umgang mit Zeit, wie er z. B. von Könnern wie Elvin Jones, Jack deJohnette, Bill Stewart und Brian Blade zelebriert wird, ist bisher unerreicht. Technik und Musik gehen schon sehr lange einher und unterm Strich hat die Musik dabei gewonnen. Noch ein paar Beispiele? Die temperierte Stimmung (nein, ich spinne nicht): Das war ein sehr technischer, intellektueller Vorgang, der der Musik neue Tore geöffnet hat. Oder z. B. mechanische Musikinstrumente: Conlon Nancarrow hat Stücke für mechanisches Klavier komponiert, weil seine Ideen von Pianisten nicht umsetzbar waren. Das ist doch ein absolut legitimer Ansatz, hier steht das Ergebnis im Vordergrund und das ist im Prinzip nichts anderes wie der Gebrauch von Computern heute**. Man kann damit prima Musik machen. Aber es ist wie mit allem: Man muß es können. Und genau das macht den Musiker aus. Ob ich das mit Soundkarte und Software oder Schlagzeug und Stimme bewerkstellige ist dabei nebensächlich.
Das mußte halt mal gesagt werden.
Keep On Groovin’
fwdrums
* Nein, ich will jetzt nicht über die beiden diskutieren!
** Witzigerweise gibt es eine CD vom Ensemble Modern, auf der sie „mechanische Kompositionen“ von Nancarrow spielen.
Edith sacht: Wenn schon so komische Namen, dann aber richtich...