Hallo Leute,
gerade habe ich über die Bluesliste eine E-Mail mit einem ZEIT-Artikel über die Stones bekommen. Den Teil über Charlie Watts wolte ich euch nicht vorenthalten.
Die Würde des Charlie Watts
Ja, wenn's so simpel wäre. Dann wär's am konsequentesten, Stones-CDs auf
Rezept zu verabreichen und vor Risiken und Nebenwirkungen zu warnen: vor dem
Problem der Maske nämlich, die im Lauf eines Lebens mit dem eignen Gesicht
zusammenwächst, zum eignen Gesicht wird, und vor dem Problem der
Würdelosigkeit. Aber halt, gegen Letzteres bieten die Stones schon seit 40
Jahren ein Patentrezept an, es heißt Charlie Watts und sitzt mit der immer
gleichen Freundlichkeit hinter seinem Miniaturschlagzeug, sodass auch einer
wie ich sein Rollenmodell an diesem Abend findet: Älter werden und
schließlich offensiv alt sein wie der weißhaarige Charlie Watts, eine Art
stillvergnügter Ehrenpräsident, den man schon aufgrund seiner bescheidenen
Zurückhaltung bewundern kann, das muss es wohl sein in einer Zeit, da
allenfalls Pfarrer und Mafiosi noch nach Würde streben. Oder gibt es einen
würdevolleren unter den Schlagzeugern, gibt es überhaupt jemand, der so viel
Würde im Showgeschäft verstrahlt wie er, der sich immer ein wenig zu schämen
scheint für das Treiben seiner Band-Kollegen, seit vier Jahrzehnten?
Was das in letzter Konsequenz für ihn bedeutet haben mag, schon vor Zeiten
so würdevoll alt zu sein - oder zu wirken? - wie jetzt, das soll uns die
Freude an ihm nicht trüben. Auf stilvolle Weise alt zu werden, das ist bloß
die konsequente Fortsetzung dessen, was als stilvolles Jungsein einst
begonnen hat, und damit gerät man in Dimensionen, die einem Mick Jagger
ebenso wie einem Keith Richards traurigerweise verschlossen bleiben müssen.
Welch stille Ekstasen warten wohl auch auf uns nach Sex and Drugs and Rock '
n' Roll?
Eine Antwort darauf scheint uns Charlie Watts verschmitzt zu verschweigen,
und angesichts seiner unspektakulären Größe dürfen wir uns heimlich sogar
fragen, ob das Leben jenseits der Sexualität nicht der allerletzte Thrill
sein könnte, den unsre übersexualisierte Gesellschaft für uns bereithält.
Gruß
Knautschke
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