Ein Erfahrungsbericht (lesen bitte nur bei Interesse):
Ich mache in letzter Zeit genau die gleiche Erfahrung. Besser gesagt hab ich sie die letzten zwei Jahre gemacht und bin erst vor ein paar Monaten darauf aufmerksam geworden, weil ich an Grenzen gestoßen bin (sound-, geschwindigkeits- und techniktechnisch) und sich zum Teil auch körperliche Beschwerden gemeldet haben. Mitlerweile gehts (mir) schon deutlich besser! Das Spielen wurde für mich mehr und mehr zur Last statt Lust, jetzt ist es wieder umgekehrt!
Üben, üben, üben ist natürlich das oberste Gebot, aber man kann auch leicht in die falsche Richtung üben, wenn man sich auf eine Idee verbeist und das eigene Üben nicht ständig hinterfragt. Auch der beste Lehrer kann hier meiner Meinung nach den eigenen Verstand und das eigene Körpergefühl nicht ersetzen!
Mir persönlich hat es in den letzten Wochen bis Monaten enorm geholfen, einfach mal auf alle Regeln zu sch***en und nur das am Set oder am Pad zu machen, was sich wirklich gut anfühlt. Als erstes hab ich mich zu Hause mit nem Pad und ein paar meiner Lieblingsalben hingesetzt und einfach nur gedaddelt; locker und munter vor mich hin, so wie es mir grade in den Sinn kam. Ich hab nicht versucht den Groove nachzuspielen, sondern mehr wie ein Solist über die Musik drüber. Mal ganz langsam, mal was schneller, aber immer so, dass ich mich nie gehetzt oder gezwungen gefühlt habe. Ich hab auch mehr oder weniger den Takt ignoriert bzw. bin ihm nicht bewusst gefolgt (geschweige denn, zu versuchen, ihn zu leiten, was ja eigentlich die Aufgabe des Trommlers ist). Ich war dabei durchaus auch mal "unkonzentriert", bin mit meinen Gedanken abgeschwiffen, hab beim Spielen mitgesungen, aus dem Fenster geguckt usw. Jedenfalls sind dann nach relativ kurzer Zeit so Dinge wie "RLRL RLRL RLRL RLRL" oder "RLR LRL RLR LRL" ziemlich in den Hintergrund getreten und ich war erstaunt, was für Signale man auf einmal vom eigenen Körper wahrnimmt. Man kann seine eigenen Hände beim Spielen beobachten und fühlen, wo sie hinwollen, was sie für Bewegungen ausführen wollen statt zu sollen. Das hatte eine extrem entspannende und sehr angenehme Wirkung. So kam ich sogar zu Momenten, dass ich ein 4-5 minütiges Lied so gespielt hab, dass eine der beiden Handinnenflächen fast komplett nach oben zeigte und ich hab garnicht versucht, das zu ändern, weil ich dabei so locker und entspannt war und es sich einfach gut angefühlt hat. Wenn ich irgendwann müde wurde, hab ich halt aufgehört. Und das lustige, nach ganz kurzer Zeit (mal ne viertel Stunde, mal auch eine Nacht) kam die Lust wieder und ich hab einfach wieder angefangen und ich hatte richtig Fun beim zocken. Wenn ich irgendwann mal eine tiefere Verspannung in der Schulter oder im Rücken (auf)gespürt habe, hab ich auch durchaus mal ein oder zwei Tage pausiert und andere Gymnastik gemacht oder mich nur geschont.
Ja, so ging das dann immer weiter. Und das Verblüffendste fand ich, als ich merkte, dass wenn man wirklich 100% entspannt ist und locker konzentriert spielt (wo ich dann mit der Zeit automatisch hingekommen bin) richten sich die Hände völlig automatisch in eine ergonomische Position. "Korrekte" Stockhaltung, die verschiedenen Grips, Finger- oder Wrist-Control usw. sind dann nur noch Feintuning bzw. Variationen, die sich mit der Zeit von alleine ergeben. Um es blumig zu beschreiben, würde ich sagen, dass man das Bild einer richtigen Technik vor dem geistigen Auge (und auch dem geistigen Gefühl) hat und man seinen Körper in sie hineingleiten lässt, statt ihn danach mit Kraft oder sonstwas zu formen.
Diese Idee wird ähnlich auch in dem tollen Buch "The Inner Game of Tennis" erörtert. Den Tipp zu dem Buch hab ich auch hier aus dem Forum!
Also, das klingt vielleicht wie Zauberei, aber diese Erfahrung habe ich wirklich erst kürzlich gemacht. Bis dahin war ich kurz davor, die ganze Trommlerei in den Sand zu setzen, weil mich ca. 3 Bandproben pro Woche ziemlich gestresst haben. Einfach von dem Gefühl her, dass ich beim Spielen verkrampfe und nicht das mache, was mein Körper will und ich mir damit schade. Und somit kamen dann auch Zweifel, ob Trommeln überhaupt das Richtige für mich sei. Zu dieser Zeit hab ich auch außerhalb der Bandproben kaum geübt, es kam zu ner Art Teufelskreis. Jetzt gehts wieder aufwärts.
Das halte ich auch für einen ganz wichtigen Aspekt, was mir auffällt, wenn du, What_the_Flip?, schreibst, dass dir die Band Feuer unterm Arsch macht. Ich kenne das Gefühl und mir erging es vor allem so, weil ich dadurch, dass ich mir außerhalb der Bandproben nur wenig Zeit zum Üben genommen habe, nur genau das übte, was ich dachte, dass die Band von mir verlangt; eben schnell zu spielen. Und das ist falsch! Ich hatte und hab zum Glück den Luxus, mir die Zeit eigentlich zu nehmen (was ich jetzt, wo der Wille und der Spaß wieder da ist, auch mache), so viel Übezeit um die Bandproben herum aufzuwenden, dass meine "Lockerungsübungen" (wie ich sie jetzt mal allumfassend nenne) die "Stressübungen" überwiegen und es mit der Zeit immer besser wird. Vom Kopf und vom Körper her verkrafte ich die Bandproben mitlerweile viel, viel besser und ich sehe die Entwicklung dahin, dass sie vom spieltechnischen her keinerlei Probleme mehr für mich darstellen. Somit hab ich die Aussicht, dass ich mich in Zukunft bei den Bandproben ausschließlich auf das Zusammenspielen konzentrieren kann und das ist eine so tolle Aussicht, dass ich umso mehr zum Üben motiviert bin. Wäre das nicht der Fall, wäre eine mittelfristige Bandpause wohl erstmal das Beste (was sich aber auch nicht unbedingt jeder leisten kann, je nachdem, wies mit der Band grade läuft...).
Wie ich vor kurzem hier in nem anderen Thread erwähnt habe, war ein Übungspad mit Ständer wohl DIE BESTE Investition, die ich je in ins Trommeln getätigt habe. Dadurch habe ich wieder den Spaß am Spielen gewonnen.
Allerdings sollte es auf Dauer nicht beim Pad bleiben. Eine echte Trommel ist eine andere Welt. Schon allein, weil du bei jedem Schlag über den erzeugten Ton ein direktes Feedback über deine Technik bekommst. Aber wie gesagt: Der erste Schritt (für mich jedenfalls) war, all das zu vergessen und NUR auf den Körper zu hören, um erstmal diesen ganzen Krampf (auch im übertragenen Sinne) loszuwerden.
Jojo Mayers DVD war auch eine Hilfe für mich und dort betont Jojo auch, wie wichtig es ist, sich als erstes auf die Kontrolle statt auf die Geschwindigkeit zu konzentrieren, immer locker zu bleiben und die Technik immer an den eigenen Körper anzupassen und nicht umgekehrt!
Nochmal: Üben, üben, üben... und nochmal üben ist und bleibt oberstes Gebot. Man kann zu einer "perfekten" Technik nicht gelangen, indem man ewig darüber nachdenkt und versucht seine Hände (oder auch Füße) per Kopf zu leiten. Die verschiedenen Techniken die es so gibt, haben sich über viele Jahre herauskristallisiert, weil sie nunmal hervorragend zum menschlichen Körper passen und man erlangt sie einfach am besten, indem man seinen Bewegungsapparat (den man nicht bewusst korrekt steuern kann) sie durch unendliches entspanntes Wiederholen mit der Zeit erlernen lässt. Letztens hab ich auch dieses tolle Zitat von Jojo Mayer aufgeschnappt, wo er die Technik mit einer Pflanze vergleicht, die man nicht zum Wachsen zwingen kann. Dank ausdauernder Hege und Pflege gedeiht sie aber umso prächtiger.
Ich weiß nicht, wie verkrampft du spielst oder wie lange das schon so geht. Aber auf Dauer schleichen sich auch die falschen Bewegungen als Gewohnheit ein und man kann sie meiner Erfahrung nach nicht einfach loswerden, indem man sie mit der richtigen Technik "überspielt". Man muss die Verspannungen erst aufsuchen und lösen. Das hat mir auf jeden Fall sehr geholfen und gut getan!
Gruß, Robert
P.S.: "Geduld und Ausdauer sind die einzigen Kräfte mit denen man arbeiten muss." - Émile Coué