Nun wieder zur Teamuhr. Hier gab's eine interessante Anmerkung, die für eine Abgrenzung nützlich ist:
Auch wenn die schöne Grafik von MS-SPO grob zutreffen mag: Jede Zusammenkunft von Idividuen kreiiert eine ganz eigene Dynamik. Jeder reagiert auf jeden anders, bei Gemischen wird es schnell unüberschaubar multidimensional.
Es gibt viele Perspektiven, aus denen man eine Situation beschreiben und handhaben kann. Was Chuck Boom anspricht, wäre so etwas wie eine mikroskopische Ebene: "Was sind das für Persönlichkeiten, wie gehen sie miteinander um? Wie stimmt die Chemie?" usw. So gesehen ist die Teamuhr eher eine makroskopische Beschreibung, die das Ergebnis solcher Gruppeninteraktionen mehr als vergröbernden Netto-Effekt beschreibt.
So gesehen gibt es auch nicht die "richtige" oder "falsche " Beschreibung, sondern eher die für bestimmte Zwecke "nützliche" oder "wengier nützliche" Betrachtungsweisen. Beide Betrachtungen, und noch viele weitere, haben also ihren Platz, ihre Zeit und ihre Stunde.
Die Teamuhr beschreibt, wie aus einer Menschenansammlung, etwa einer neuen Band, ein Team wird, also eine gut funktionierende Band. Man kann sie zur groben Standortbestimmung nutzen, und man kann Handlungen daraus ableiten, um weiter voranzukommen auf dem Weg vom "Haufen" zu "ein Herz und eine Seele".
Unter diesem Aspekt habe ich mir die bisherigen Beiträge angesehen. Witzigerweise gibt es so gut wie keine konkreten Beispiele zur Phase 1, dem kennenlernen, vorsichtigen und höflichen Abtasten. Gut, das kennt vielleicht Jeder.
Die Mehrheit der Beiträge dreht sich um Phase 2, die manche auch als "die Nahkampfphase" des werdenden Teams bezeichnen. Cliquenbildung, unterschwellige Konflikte, Meinungsverschiedenheiten, Ansichtssachen usw.: Da finden wir viel Konkretes in den bisherigen Beiträgen.
In mehreren Beiträgen gibt es, und das finde ich gut, Vorschläge, wie man nach dem Bergab der Phase 2, hinab ins "Tal der Tränen", wieder herauskommt, hin zu Phase 3. Man redet darüber. Keine Konfliktscheu in der Sache ("spiel doch hier Doppel-Pedal, weil/damit ..."). ABER: keine persönlichen Angriffe (also kein "... du Idiot"). Und das kann schwierig sein: Die Gruppe, der Haufen, die Band gerieten ja gemeinsam ins emotionale Tal. Mit etwas Abstand kann sie/es diese Arbeit an Sachkonflikten leisten. Manchmal hilft es, in dieser Phase einen neutralen Dritten hinzuzunehmen, der sich mit solchen Dingen auskennt. Das könnte durchaus ein anderer Musiker oder Nichtmusiker mit menschlichem Einfühlungsvermögen sein.
Kommt es nicht zu diesem Übergang, dann steckt das noch-nicht-Team fest. Es leidet vor sich hin, die Leistung sackt unweigerlich ab, mit täglichen Emotionsgewittern, es löst sich auf, kommt in der Neuformation wieder nur bis ins "Tal der Tränen" usw. (So könnte es auch dem Drummer ergehen, der die Band verließ ...)
Weil ... der Übergang von Phase 2 nach 3 klärt, was des Klärens wert war, können nun folgen: Einsichten, Verabredungen, Regeln. Es wird also für jeden Einzelnen klarer, wo das Ziel liegt, wie wir konkret dahin kommen wollen, warum Jemand bestimmte Dinge lieber lassen und andere dafür tun sollte usw.
Das ... ebnet den Weg, auf diesem zeitweisen Stütztkorsett der Gruppen-Normen, auf einmal etwas Neues zu entwickeln: Ideen, Produktives, Schönes, Flexibles. Phase 4: Das Team wurde geboren, die gut funktionierende Band. Es leistet, es musiziert, mit glänzender Musik ...
(Die Phase 5 fügte man hinzu, um Teams beschreiben zu können, bei denen von Anfang an klar ist, dass es nur für eine begrenzte Zeit bestehen würde. Das wäre etwa für Profimusiker interessant, die sich nur zu einer bestimmten Aufnahme zusammenfinden und dann wieder auseinandergehen.)
Sobald man auf diese Großwetterlage achtet, dann fällt noch etwas anderes auf: Die Teamuhr wird sowohl schnell als auch langsam durchlaufen. Sie kann innerhalb eines Gesprächs, einer Probe, vollständig durchlaufen werden. Und sie kann sich über einen längerern Entwicklungszeitraum hinziehen. Zu beiden Effekten gab es auch bereits Nennungen. Und: Sie fängt bei jedem personellen Wechsel erneut an zu ticken ... denn im Mikrogefüge hat sich ja etwas verändert, mit neuen Schwierigkeiten, mit neuen Möglichkeiten.
In diesem Sinne, Michael