Gehört nicht das Rumgeeier, das rummpellige Gedrumme im Stil junger unausgebildeter Drummer nicht authentisch zum Rock?
Diese Arroganz unterstelle ich deiner Frage natürlich nicht. Aus meiner Sicht gehört das rumpelige zur Anfangszeit des Rock durchaus dazu, aber dann hat eine Professionalisierung eingesetzt. In frühen Rockproduktionen hört man manchmal einen Drummer, der swingt, während die anderen gerade 8tel spielen.
Bereits Mitte der 1960er kamen Bands wie Pink Floyd oder Deep Purple hoch und haben deutlich weniger rumpelig gespielt, Led Zeppelin finde ich auf den Studioplatten auch nicht so rumpelig. Mir scheint das eine typische Entwicklung zu sein, die auch in anderen Genres beobachtet werden kann. Etwa im Grunge kam erst Nirvana mit einer eher rumpeligen, fast schlampigen Art daher, aber dann folgten andere mit exakterer Spielweise, wie etwa Soundgarden.
Da führt mich zurück zur ursprünglichen Frage: was ist authentisch?
Das meinte ich ja.
Diese rumpelige, fast schlampige von Nirvana war ja mal wieder etwas richtig frisches, was ja auch ein eigenes Sub-Genre ("Grunge-Rock") los getreten hatte. (Den ersten Mix ihres Albums hatten sie zurück gewiesen, und wollte einen "rougheren" "grungigeren" Sound.)
Sind Soundgarten in dem Sinne noch authentisch, bloß exakter, oder aber ist das schon der kommerzielle Weichspülgang zur industriellen Vermarktung? (Überspitzt dargestellt.)
Ist Punk z.B. nicht auch "erfunden" worden, um sich, ohne sich erst groß und langwierig Virtuosität anzueignen, als junge Menschen ad hoc und sofort ausdrücken zu können?
Drei Akkorde reichten, am Schlagzeug schnelles Bumm-Tschak-Bumm-Tschak, am Bass volle Dröhnung Grundtöne auf allen Achteln, fertig war die Laube! Und solche frühen Punk-Songs gelten ja teilweise als Genre definierend, gar als Klassiker.
Und sind - selbst oder eben deswegen - so rumpelig oder derartig primitiv gespielt, ja durchaus sehr gut. Nicht als Zurschaustellung von technischer Perfektion oder Musikalität, aber als Ausbruch und frischer Gegenentwurf zur "Strebermusik" der Prog-Rock-Bands, mit ihrem virtuosen Gefiedel und Gedudel, und epischen Schallplatten-Konzept-Alben, mit großen Budgets produziert zur industriellen Verwertung in der Musikindustrie.
Um es mal etwas überspitzt darzustellen, auch aus der Sichtweise der damaligen Jugendlichen, die sich vermittels Punk ihre Rockmusik wieder zurück holten und wieder aneigneten, und sich selber wieder eine Stimme gaben.
In den 60ern war ja eine Zeit lang "Garage-Rock" angesagt.
"Louie Louie" von den Kingsmen ist ja auch so schlampig dahin gerotzt, gilt aber zurecht als Klassiker.
Mir gefällt's.
Lustigerweise ist ja sogar auf der Aufnahme ein Fehler zu hören, wo sich die Band nicht so ganz einig war, ob die Strophe jetzt schon oder erst 2 Takte später anfangen sollte. Der Schlagzeuger hat das kurzerhand mit einem "Rundgang" über die Toms verdeckt und gerettet. Mir gefällt dieses Unperfekte, spontane Spielen schon sehr gut.
Keith Moon wird von vielen als einflussreicher Drummer angesehen. Obgleich er als Timekeeper eher ungeeignet war.
"Moon's drumming style affected the band's musical structure; although Entwistle initially found Moon's lack of conventional timekeeping problematic, it created an original sound." (Englische Wikipedia)
Gerade auch die frühen Aufnahmen der Who werden ja durchaus auch heute noch geschätzt und als genredefinierende Beispiele des 60s-Hardrock angesehen.
Ich lehne mich mal ein wenig aus dem Fenster und behaupte, Keith Moon war technisch gesehen eher unterbelichtet, und konnte kaum zwei mal hintereinander seine tollen Fills exakt selber wieder nachspielen.
Seine instinktive Musikalität, sein Gefühl für die Songs aber brachten die Who musikalisch voran und definierten diesen brachialen Energie geladenen "authentischen" Hard-Rock-Sound.
Als Session-Drummer wäre er wohl arbeitslos gewesen. Er konnte wohl "nur" Hardrock nach Art der Who spielen, das aber perfekt in seiner eigenen Art.
Ein Vorbild von Moon war Gene Krupa. Ich finde nicht, dass er sein Vorbild kopiert hat, und auch nicht, dass er ihm nahe kam. Er fand hingegen seinen eigenen Stil.
Im Sinne von authentischer Rock-Musik finde ich, man sollte vielleicht weniger an seinen Schwächen arbeiten, um sie auszumerzen, sondern sie zum eigenen Vorteil nutzen, und vielmehr seine Stärken stärken und ausbauen.
Dann ist man natürlich nicht musikalisch vielseitig auf Mittelklasse-Niveau, sondern musikalisch recht einseitig in seinem Stil, das aber womöglich auf einzigartigem Niveau.
Das alles nur als Denk- und Diskussions-Anstöße geschrieben.
Grüße
(Wer sich von diesem Thread provoziert fühlt, mögen denselbigen doch einfach ignorieren. Ich weise jede Verantwortung für Postings anderer Leute zurück!)