Seelannes Post möchte ich gerne um einen Punkt erweitern:
10. Mikrofonierung
Ein Mikrofon kann immer nur eine Momentaufnahme aus exakt dieser einen Position im Raum umsetzen, zumeist lupenartig und je nach Qualität des Raumes auch unterschiedlich. Zwar ist die Position des Trommlers denklogisch festgelegt, aber gerade Overheads können wesentlich weiter vom Becken entfernt sein, als es das Becken von unseren Ohren ist. Wieder andere Abstände hat man, wenn Hihat und Ride einzeln abgenommen werden. Der abgenommene Klang wird selbst ohne Processing daher etwas völlig anderes sein, als der von uns gewohnte oder/und womöglich auch gewollte Klang.
Zudem kann es sein, das plötzlich:
- die Hihat nervt und klingelt, was sie aus Spielersicht nicht macht.
- der Wash des Rides ist kaum hörbar und dafür die Stickdefinition präsenter ist
- man beim Anschlagen des 16er Crashes Frequenzen des mitschwingenden Beckenständers hört, nach Austausch durch ein 18er auf gleicher Position aber nicht.
- der kurze Nachklang des 16ers Crash im Kontext untergeht, das 20er Crash aber viel zu lange nachschwingt.
Man tut demnach gut daran, sich als Instrumentalist auch mit der Klangästhetik seines Instruments im Falle einer Mikrofonierung auseinanderzusetzen.
1. Je weniger Becken am Set, desto universeller und vielseitiger müssen sie sein. Je mehr Becken am Set, desto spezieller sollten sie sein.
Ich möchte da nicht widersprechen, sehe allerdings die Schwerpunktsetzung aus meiner Sicht an anderer Stelle (auch in Vorbereitung zum danach nachfolgenden Punkt):
Für mich muss ein Beckensetup in seiner fast kleinsten zum Einsatz kommenden Einheit erstmal in sich stimmen und funktionieren. Obwohl ich durchaus mittelgroße Beckensetups [etwa 12 Becken zzgl. Hihat(s)] mag, ist für mich und meine Musik der Kernbestand eine Hihat, ein größeres dünnes Crash (18 - 20") und ein ancrashbares Ride. Letzteres muss ancrashbar sein, sodass man bei Bedarf auch nur mit HH + Ride losziehen könnte.
Sollen dann zum Kernbestand (Hihat, Ride,, R, CR) weitere Becken hinzukommen, kann man für diese auf Spezialisten setzen. Beispielsweise als weiteres Crash ein O-Zone Crash oder generell etwas experimentell trashiges. Im Ergebnis entsteht so ein Satz, der in alle Richtungen zunächst skalierbar ist, allerdings bis dato nur in seiner vertikalen Struktur durch die bloße Anzahl der im spezifischen Setup befindlichen Becken. Man fügt dadurch dem System "Beckensetup" Leistung durch das Hinzufügen von Ressourcen zu.
Daher empfiehlt es sich, auch horizontal zu skalieren, weshalb ich insbesondere auf den sehr guten Punkt Nr. 3 der Seelann'schen Philosophie eingehen möchte:
3. Wenn Du unterschiedliche Musik machen willst, brauchst du unterschiedliche Ride-Becken.
Neben der Hihat als klassischem Time Keeper, folgt für mich gleichrangig das Ride. Im Beckensetup ist allerdings das Ride der Dreh- und Angelpunkt, da das Ride die größten Überschneidungen mit großen Crashes hat, während die Hihat klanglich mit dem Ohr abgrenzbar eigenständig ist. Zudem ist es jenes Becken, dass über seine gesamte Fläche hinweg mit unterschiedlichen Bereichen des Sticks angespielt wird und dann auch noch ancrashbar sein sollte. Dem Ride kommt daher eine übergeordnete Rolle zu.
Nimmt man die klassische Beckensammlung an, so befinden sich zumeist mehrere Crashes und mehrere Rides im Bestand, die sodann zu gegebener Zeit und je nach Bedarf zum Einsatz kommen. In diesem Fall findet die Skalierbarkeit durch das Hinzufügen zusätzlicher Module innerhalb der Baugruppe zum Zwecke des Austausch statt, sodass man von einer horizontalen Skalierbarkeit sprechen kann.
Aber, kann man ein einziges Beckensetup so aufbauen, das eine diagonale Skalierung ermöglicht und diese der Schwerpunkt des Setups ist?
Was mit dem Begriff "diagonale Skalierung" gemeint ist, sollen zwei Fallbeispiele erläutern:
Fallbeispiel 1 – "Betram und der Beckenschneider"
Vor einigen Jahren im Rahmen des seines Workshops bei Drums & Percussion Paderborn plauderte er nicht nur emsig aus dem Nähkästchen, sondern ging auf das dortige Setup der großzölligen Byzantiner ein. Zu meiner Überraschung hingen als Crashbecken fast nur Rides zwischen 20" und 22". Ob das mit den Rides gewollt war, kann man bei Herrn Engel so direkt nicht abschätzen. Ungeachtet dessen und auch seiner Endosements kann ich mir gut vorstellen, dass es ihm so ein leichtes wäre, das passende Ride aus dem Bestand zu wählen und so die Klangästhetik für dieses Konzert zu optimieren. In Anbetracht der Becken, die Herrn Engel in der Backline zur Verfügung stehen werden, grenzt das vom Konzept her tendenziell aber immer noch eher in die Richtung horizontaler Skalierung. Die Möglichkeit die als Crash verwendenden Rides wieder dem Auswahlpool der Ridebecken zuzuführen, ergibt sich ja erst durch den Ausgleich mit dem Backlinebestand.
Fallbeispiel 2 – "So oder so oder andersrum"
Wieder ein paar Jahre später war ich auf einem Konzert einer klassischen 70s-Tribute-Rockband. Der Trommler hatte neben HH und R auch drei Crashes (20" bis 22") am Set. Zwei dieser Crashes waren allerdings 20"/22" Meinl Byzance Jazz (Thin) Rides. Mit diesen beiden bedient er sonst die Jazzkombo, allerdings wiederum als Main- und Sideride. Auch hier stieß ich ein zweites mal das Feld der Skalierbarkeit, allerdings werden hier Becken die am Vorabend noch als Crash gespielt wurden, im morgendlichen Jazzbuffet als Ride gespielt. E voilà: Diagonale Skalierung.
Innerhalb der Unterteilung von Crash und Ride untereinander austauschbare Becken zu verwenden, würde ich daher als diagonale Skalierung bezeichnen. Gemessen daran, wie oft ich die Qualitäten eines reinen Crashes über 18" abrufe (Es geht nicht um die Spielzeit!) und wie oft es einfach nur der Wash ist, finde ich das bei dünnen Cymbals dieser Größe spannend.
Von fünf in der Beckentasche schlummernden Rides hat niemand etwas und drei reine Crashes unterschiedlicher Größe zu spielen und womöglich in der Backline weiterer Tauschkandidaten liegen zu haben, gibt mir dennoch nur beschränkt Varianz. Zudem würde das ermöglichen, als "Haupt"-Ride einen Spezialisten (bspw. 24er Ride) zu wählen. Sollte dieser nicht passen, kann man problemlos dieses durch ein 22er zu ersetzen und die Crashpositionen der Becken über 18" wieder aus dem ancrashbaren Bestand aufzufüllen.
Gleichwohl funktioniert das mit Becken mit flacher Profilhöhe erheblich besser, als mit Becken mit dem Profil eines Regenschirms. Die Zusammensetzung der Skalierbarkeit aus beider Beckentypen gestaltet sich durchaus komplexer, dafür läuft nicht Gefahr, der Suche nach dem einen Heiligen Gral zu verfallen und sammelt im Laufe der Zeit keine Unmengen an Material an.
Über diese Idee der diagonalen Skalierung als Schwerpunkt des Beckensetups grüble ich seit einiger Zeit. Hypothetisch unterstellt, die Becken wären ab Werk nicht als Ride oder Crash bedruckt, würden letztlich nur noch die Ohren entscheiden können. Die Frage, die sich dahingehend stellt ist: Was grenzt in dieser Größenklasse (20 bis 22") die Eigenschaft eines Crash, eines crashbares Ride und eines ridebares Crash voneinander ab?
Zusammenfassend wäre meine Philosophie:
- Die Main-Hihat muss zum Main-Ride passen
- Das Main-Crash muss die Qualitäten eines Crashes vollumfänglich erfüllen
- Andere als Crash zu spielende Becken (über 18") müssen zwingend als Ride funktionieren können
- Die Side-Hihat muss sowohl zu den Main-Becken als auch die crashbaren Rides ergänzen
- Große Chinas müssen als Ride spielbar sein
- Große Stacks (ab 17") müssen Timekeeper-Qualitäten haben
- Splashes und kleine Stacks dürfen nicht nerven
Es gibt das "Splash-Syndrom"
Gleich danach folgt das "Hihat-Turbo-Frickelei-Syndrom", bei dem sinnlos und weit ab der Songdienlichkeit insbesondere ruhige Passagen, Intros oder Breakdowns mit allerlei tollkühnen, wilden und abenteuerlichsten Hihat-Figuren vollgespielt und inhaltlich weit mehr als nur überspielt werden, obwohl eine Pause an dieser Stelle erheblich mehr zum Song hätte beitragen können.
Vielleicht doch noch ein paar Takte zu Splashbecken: Splashes spiele ich, wenn ich sie denn spiele, fast immer mit einem anderen Becken zusammen, um exakt dieses andere Becken in einen klanglichen Kontext zu setzen.