Hi und hallo,
ich hab' mich gestern zur Weihnachtsmarktzeit mal auf die Straße getraut...nicht ohne Grund.
Der gute Chris Potter hat sich mit seinem Saxophon nach Heidelberg begeben. Im Gepäck eine hochklassige Besetzung:
Adam Rogers and der Klampfe
Graig Taborn an den Keys
und Nate Smith an der Ballerburg
Dafür wartet man gerne im Kalten und erträgt die Horden an "leicht" Angeheiterten, die per Handy mitteilen, sie wollen vom Bahnhof abgeholt werden, sie sind ganz sicher am Bahnhof in Heidelberg (für außerstädtische: Der Hauptbahnhof hat mit dem Karlstorbahnhof doch relativ wenig zu tun und liegt ein gutes Stück weit weg)
Gesamt:
Geniale Steigerungen über viele Minuten, funkig-abartige Höhepunkte, lange Improvisationen, inovative Soli an allen Instrumenten, passende und hochanspruchsvolle Arrangements in allen Taktarten und Tempi...einfach das, was man sich von einem wirklich genialen Konzert erwartet. Toll war auch, das mit (ich meine 3) unbenannten Stücken schon ein Ausblick auf die neue Platte gegeben wurde, für die es angeblich in 3 Wochen ins Studio geht (laut eigener Aussage gestern abend).
Zu den Musikern einzeln:
Chris Potter - Dazu muss ich eigentlich nicht allzuviel sagen. Kam sehr lässig auf die Bühne, mit seinen 2 Hörnchen (Tenorsax und Baritonklarinette? korrigiert mich, wenn ich falsch liege). Schnelle 16tel Läufe und passende Pausen im Funk-Stil haben ihn am diesem Abend geprägt. Jedoch auch lange, nahezu epische Passagen in den ruhigen Liedern ("Togo"). Sein Solo: schnell, funky und teilweise sogar zum mitwippen
Graig Taborn - Unglaublich, das hatte ich fast nicht erwartet. Spielt der die ganze Zeit seine Basspaterns (irgendwer muss das ja machen) und legt aber geniale Akkorde und Soli darüber, wie ich sie bis jetzt so nicht gehjört habe. Ganz große Klasse! Da bekommt man fast Lust Klavier zu spielen, bei den Linien, die der Mensch fast einhändig durch die Stücke gezogen hat und trotzdem synkopisch und triolisch gegen den Schlagzeuger gearbeitet hat, der da war...
Nate Smith - mhmmh, da muss ich mich erst einmal räuspern. Habt ihr den Mann schonmal live gesehen? Sieht verkrampft aus und schneidet wunderschöne Grimassen (was bei einer Person, die aussieht, wie eine Mischung aus Will Smith und Eddie Murphy sehr faszinierend wirkt). Aber der Mann hat Gummi in den Handgelenken, mit seiner eingedrehten Haltung. Schnelle 8tel- und 16tel- Patterns auf den Becken, Bassfundament und eine SEHR starke linke Hand! Schnelle Läufe und scharfe Hi-Hat-Zischer. Bei ruhigen Liedern gerne auch mit der Hand perkussiv auf der Snare! Das Solo war wahnsinnig gut: Vom 15/8 Takt (Zählzeit in dem Fall als 6/4 + 3/8) ind den triolisch (duolisch) dagegenliegenden Takt, den er dann fast in einen Headbanger-Beat verwandelt, und darauf zurück in den 15/8 (jetzt aber als 5x 3/8 gezählt) Wirklich gut, nicht nur schnell, sondern einfach gut!
Zum Set-Up: Fusion Kit - Bass: 20" (oder 18"), Toms in 10", 12", 14", Snare in 14x5". DW - Pearl Sparkle (wenn das so heisst). Becken alle Zildjian (und jetztdas Erstaunliche): Meine Vermutungen: rechts ein 22er (oder 20) Ride, rechts-oben ein 20er Ride und links oben auch ein 20er Ride (Trash-Ride, sehr dünn und ansatzweise als Effekt, Crash). 14"-Hats. Ein Becken gecrasht hat er eigentlich nie wirklich. Nur das dünne 20er feste mit der Spitze gespielt, sehr klassisch
Last but not least: Adam Rogers - Etwas ungewöhnlich, so ruhig und perkussiv hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Kein dicker Jazz-, sondern ein ruhiger Rocksound; sehr nahe am Klavier gebaut von den Akkorden. Er hat tatsächlich 10 Minuten stur seine 2-4 Taktigen Patterns durchgezogen und dann einige extrem passende, aber verdammt schöne und auch schnelle Soli abgezogen. Einfach ein Allrounder und sehr smoother Typ. In diesem Fall eher Fundament, als Solist, aber nie unpassend und trotzdem immer herausstechend! Überdurchschnittlich, wie zu erwarten war.
Fazit: Das ganze Konzert war auf einem extrem hohen Niveau, was die Kompositionen, Improvisationen und Musiker angeht. Wer da als Musikerlaie nicht aufgepasst hat ist entweder aus der Musik geflogen oder hatte größte Mühe wieder reinzukommen. Als Schlagzeuger von meiner Seite auch keine leichte Kost, da ich den Hang habe, jedes Lied noch mitdurchzuzählen, und ist die Taktart noch so übel
Insgesamt war das ganze sehr funky und noch nicht ganz so unzugänglich für nicht-Kennende, wie z.B. Holdsworth.
Einziges Manko: Mit etwas weniger als 2 Stunden hätten die Vier gut und gerne noch eine 2. Zugabe servieren können; zu kurz war es trotzdem nicht.
Top-Tipp und jederzeit eine Empfehlung. Für 12 Euro im VVK und 15 an der AK meiner Meinung fast noch zu günstig, für diese deftige Musiker-Kost
War noch wer da? Andere Meinungen, gerne auch generell zu den Musikern.
Gruß und 'nen schönen 3. Advent;
Mathias