Was heisst denn "überäquivalent"?
In meiner Terminologie ist das eine Nutzung, die über die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme hinaus geht. Da müsste man sehr weit
ausholen, ich versuche es aber mal kurz (wobei natürlich einiges verloren geht):
Das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften soll die Nachteile der nicht möglichen Prüfung und Begutachtung der Ware (sowie des Händlers...)
vor Ort ausgleichen. Dies geht zu Lasten des Händlers (der hingegen aber die Filiale etc. spart). Wenn ich nun jede Verschlechterung der Ware
vom Kunden ausgleichen lasse (in Form von Wertersatz - eine neue Ware kostet mehr als eine schonmal ausgepackte- oder gar in Form von
Verwirkung des Widerrufsrechts), so wird sein Widerrufsrecht dadurch ausgehöhlt - es ist ja gar kein "Testrecht" mehr, wenn ich die Kosten
zu tragen habe. Legitim ist das, als Gegenbeispiel, bei geöffneten verderblichen Lebensmitteln. Hier muss ein Blick auf die Verpackung
ausreichen, eine Geschmackstestmöglichkeit wäre zwar äußerst praktisch und im Sinne der Regelung, geht aber zu weit zu Lasten des Händlers.
Es kann also nicht so weit gehen, dass ich als Fernabsatzkäufer zu Lasten des Verkäufers massiv besser gestellt werde als wenn ich die Ware normal
kaufe. Sprich, natürlich kann ich das Produkt auspacken, ggf. aufbauen, testen. Das muss ohne Abschwächung meines Widerrufsrechts möglich sein.
Es ist aber keine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme mehr, wenn ich die Kaufsache mehr benutze als es zur Ausübung des Widerrufsrechts nötig ist, mit anderen Worten ein
Äquivalent der normalen Nutzung oder gar Zerstörung der Kaufsache betreibe, obwohl ich ein bestehendes Recht später ausüben möchte.
Bsp:
(1) Ich bestelle einen Hometrainer, packe ihn aus, ok er funktioniert, ich radele mal eine Runde damit, supi- wird behalten oder eben nicht (=best. Ingebrauchnahme).
(2) Ich bestelle einen Hometrainer, doch ist die Widerrufsfrist aufgrund formell mangelhafter Belehrung nicht in Gang gesezt worden.
Ich packe ihn aus, ok er funktioniert, ich stelle ihn in mein Fitnessstudio und lasse täglich 10 Leute drauf rum treten, ich vermiete das Teil an
Nachbarn, ich lege meine verschwitzten Handtücher darauf ab und rauche in dessen Nähe, die Verpackung schmeiße ich weg; Bedienungsanleitung
ohnehin weil ich kannte das Modell ja schon. Nach einem Jahr kommt die neue Modellreihe; ich widerrufe den Kaufvertrag, schicke das Gerät zurück und möchte keinen
Wertersatz für die Abnutzung des Geräts bezahlen (= Ingebrauchnahme eines langfristigen Benutzers, nicht die eines unter Vorbehalt des Widerrufs vorsichtigen
Käufers, damit äquivaliert mein Widerrufsrecht nicht mehr mit meiner Art der Nutzung).
Was darunter fällt und was nicht, ist selbstverständlich eine Frage des Einzelfalls. Bei Williken ist die Sache aber meiner Ansicht nach klar zu dessen Gunsten.
Übrigens: der Skandal ist, dass oft auch im Fall (2) zugunsten der Käufer entschieden wurde, weil das Gesetz hier meiner Meinung nach falsch ausgelegt wurde,
offiziell aber der Wortlaut unexakt war und daher zugunsten des Verbrauchers entschieden wurde.
Aber das führt jetzt viel zu weit; mehr dazu in der geplanten Neuregelung des § 357 III BGB aufgrund der EuGH- Entscheidung vom 03.09.2009.
LG
muly
PS Das zitierte Urteil des OLG Hamm habe ich gar nicht gelesen, aber prima, das ist ja genau das was ich gesagt habe, nur von der Seite des § 312 d Abs. 4 Nr. 2
aus argumentiert. Kannst Du also auch noch mit dazu schreiben.