Probleme an Musikschulen

  • Ich habe nicht direkt damit zu tun, aber ich bin der Meinung, dass dieses Thema sich nicht für ideologische und/oder parteipolitische Ausdeutung eignet. Das ist schlicht eine Regelungslücke, die jetzt in den Fokus gelangt ist und über die man daher nicht hinwegsehen kann.

    Aufgrund leidvoller eigener Erfahrungen in der Vergangenheit bin ich absoluter Verfechter einer ausnahmslosen und manipulationssicheren Sozialversicherungspflicht auch in den freien Berufen. In anderen Bereichen gibt es seit Jahren praktikable Ausgestaltungen für dieses Problem. Das ist jetzt einfach eine Aufgabe für Politik und Verwaltung, allgemeingültige Rahmenbedingungen zu schaffen und eine Aufgabe für die Akteure (Musikschulen und Lehrer), das dann auch so zu machen.

    Vielleicht wird der ein oder andere Musikschüler abwandern von den Schulen hin zu schwarz arbeitenden Lehrern. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte sehr gering sein gegenüber dem, den scheinselbständiger Sozialversicherungsbetrug verursacht.

  • Guten Nachmittag,


    das Thema an sich ist altbekannt:

    als "Arbeitgeber" hat man viele Pflichten und Risiken, die man gerne vermeidet und sich dann lieber "Auftraggeber" nennt. Auf der anderen Seite sind dann entweder arbeitsrechtlich abgesicherte "Arbeitnehmer" oder völlig (vogel-)freie "Auftragnehmer".
    Immer wieder müssen Gerichte dann Scheinselbständigensysteme feststellen.


    Weder die Berliner Regierung noch das Bundessozialgericht sind politisch eindeutig zu verorten.


    Es ist derzeit leider ein beliebter Reflex den Sündenbock für alles dort zu suchen, wo man gerade noch so an Ausländer- und Judenfeindlichkeit vorbeieiert. Diese Entwicklung ist in Anbetracht von

    75 Jahren Grundgesetz und vor allem der kurzen Zeit davor, erschreckend.


    Gerade wir als Kulturschaffende und -erhaltende (egal ob Profi oder Hobbyist) sollten wissen, dass Musik viele Farben hat und dass dies gut so ist. In der Politik ist es genauso. Man darf sich ja gerne seinen Lieblingsverein suchen, sollte aber auch sehen, wo man sich da wirklich aufhält und dass es woanders auch mal mehr und weniger kluge Gestalten gibt.

    Vieles, was Politik macht, hat auch damit zu tun, dass man daheim auf dem Sofa der beste Fußballtrainer und Superpolitiker sein mag, einmal selbst in der Verantwortung wird es dann aber
    kläglich. Gerade als Schlagzeuger kennen wir das doch: natürlich weiß ich alles besser, wenn ich Videos sehe. Wenn ich selbst eine Kapelle zur Top-Leistung bringen will, dann wird es ganz schnell ernst und vielleicht sogar traurig und Schuld daran ist immer ... im besten Fall noch die suboptimal eingestellte Fußmaschine. Die kann man sich wahlweise rechts oder links hinstellen, Hauptsache, man hat etwas, um drauf treten zu können.


    Shalömchen

    Jürgen

  • Noch eine kurze Stellungnahme von mir zum Thema, weil ich mich aktuell sowieso damit beschäftige:


    Im Artikel ist von "Scheinselbstständigkeit" die Rede. Das wäre aber nur ein Thema, wenn über 5/6 des Einkommens dauerhaft durch einen Auftraggeber erwirtschaftet wird. Darüber hinaus gibts dann auch noch andere Kriterien, die für eine Scheinselbstständigkeit "erforderlich" sind. Und obendrein wurden die Regelungen vor allem für Künstler dahingehend in den letzten Jahren weiter gelockert (zumindest nach Aussage von 2 Leuten, die mich dies bzgl. beraten haben).


    Ich finde außerdem, dass man sich in Deutschland an der Stelle kaum beschweren kann. Die Künstlersozialkasse gibts in keinem anderen Land und entlastet selbstständige Künstler deutlich. Ich habe meinen Antrag derzeit in Arbeit, weil ich ab Juli voraussichtlich von meiner Freiberuflichkeit leben kann.

  • Es ist derzeit leider ein beliebter Reflex den Sündenbock für alles dort zu suchen, wo man gerade noch so an Ausländer- und Judenfeindlichkeit vorbeieiert. Diese Entwicklung ist in Anbetracht von

    75 Jahren Grundgesetz und vor allem der kurzen Zeit davor, erschreckend.


    Gerade wir als Kulturschaffende und -erhaltende (egal ob Profi oder Hobbyist) sollten wissen, dass Musik viele Farben hat und dass dies gut so ist.

    Danke, Jürgen!


    Deshalb ist es auch in einem Fachforum nicht unbedingt deplatziert, wenn man sich an so einer Stelle dann doch mal in die "Wolle" kriegt und muss nicht zwingend in die Tonne, wenn es denn nicht völlig ausartet.

  • Das wäre aber nur ein Thema, wenn über 5/6 des Einkommens dauerhaft durch einen Auftraggeber erwirtschaftet wird.

    Nö, das ist nur einer von verschiedenen Aspekten. Weniger Anteil senkt zwar das Risiko, als scheinselbstständig zu gelten, schließt es aber nicht grundsätzlich aus, soweit ich mich erinnere.


    Den im Artikel genannten Vorschlag eines Moratoriums finde ich eigentlich ganz gut, um niemand kurzfristig in existenzielle Not zu zwingen. Die Entrüstung mancher Betroffener verstehe ich, halte sie aber trotzdem für unangebracht. Die Gesetze zur Sozialversicherungspflicht gelten nicht erst seit gestern, und wer wie Musikschulen und -lehrer vielleicht seit Jahrzehnten von wohlwollender Blindheit der Sozialkassen profitiert hat, sollte sich freuen, statt sich zu beschweren.


    Ich hoffe allerdings, dass man auf Lösungen drängt, die der besonderen Bedeutung von Musikunterricht Rechnung trägt. Eine deutliche Kostenexplosion aufgrund fester Anstellungsverhältnisse an Musikschulen finde ich den Bürgern, insbesondere den weniger wohlhabenden gegenüber sch...ade. Unser Land hat eh verlernt, alle seine Bürger am Wohlstand zu beteiligen, es sollte zukünftig nicht auch noch Instrumentalunterricht nur noch für Betuchte möglich sein.

  • Nö, das ist nur einer von verschiedenen Aspekten. Weniger Anteil senkt zwar das Risiko, als scheinselbstständig zu gelten, schließt es aber nicht grundsätzlich aus, soweit ich mich erinnere.

    Ja, ist nur einer von mehreren Aspekten. Allerdings wird man nicht so einfach in eine Scheinselbstständigkeit kommen, wenn man auf Honorarbasis an mehreren Musikschulen arbeitet, zusätzlich in einer oder mehreren Bands (offiziell!) Geld verdient und noch privat unterrichtet.


    Das Problem liegt an dieser "neuen" Regelung hier (Zitat aus dem Artikel):


    Der heikle Punkt: Sobald Lehrer:innen in die Strukturen der Schulen eingebunden sind oder Weisungen folgen müssen, können sie nicht als selbstständig gelten, sondern sind sozialversicherungspflichtig. Dafür genügt es laut Urteil etwa schon, wenn sie Unterrichtsräume der Musikschule nutzen oder sich Unterrichtszeiten anpassen müssen. Zwar handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Dennoch hat das Urteil nach der Auffassung von Jurist:innen weit über den Einzelfall hinaus Auswirkungen auf die Arbeit fast aller öffentlichen Musikschulen, die in der Regel die freien Lehrkräfte stark in ihre Abläufe einbinden.

    Und das ist meiner Meinung nach wirklich bekloppt. Denn natürlich unterrichtet man im Regelfall in den Räumlichkeiten der Musikschule, hat eine Chefin oder einen Chef, bekommt Terminpläne usw. ... auch, wenn man an einer Schule z.B. nur eine Hand voll Schüler unterrichtet und weit weniger als in einem Minijob verdient.

  • Das Problem liegt an dieser "neuen" Regelung hier

    Und genau hier liegt der Hund begraben, die Regeln sind nämlich nicht neu, werden nur jetzt auch (endlich?) mal auf Musikschulen angewandt.


    Wer in anderen Branchen weisungsgebunden in die organisatorischen Abläufe eingebunden ist, damit aber nur einen geringen Teil seines Lebensunterhaltes hinzuverdient, geht einer sog. geringfügigen Beschäftigung nach, eben einem "Minijob", natürlich mit festem Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber zahlt dabei einen Pauschbetrag in KV und RV ein, "umgeht" also nicht mal eben jegliche sozialen Sicherungssysteme, weil es für alle Beteiligten "günstiger" ist.


    Allerdings wird man nicht so einfach in eine Scheinselbstständigkeit kommen, wenn man auf Honorarbasis an mehreren Musikschulen arbeitet, zusätzlich in einer oder mehreren Bands (offiziell!) Geld verdient und noch privat unterrichtet.

    So hat das lange Zeit funktioniert, allerdings scheint mir hier gerade ein Paradigmenwechsel stattzufinden. Man ist wohl zunehmend der Ansicht, dass alleine die Aufteilung des Einkommens auf mehrere Geschäftsbereiche nicht mehr ausreicht, um in allen Bereichen als Selbstständig zu gelten. Mal überspitzt ausgedrückt, wenn ich freiberuflich gegen Honorar einer Beratertätigkeit nachgehe, muss ich mich im Einzelhandel für nen Nebenjob trotzdem korrekt anstellen lassen, auch wenn ich dort ebenfalls Kunden berate. ;)

  • Mal überspitzt ausgedrückt, wenn ich freiberuflich gegen Honorar einer Beratertätigkeit nachgehe, muss ich mich im Einzelhandel für nen Nebenjob trotzdem korrekt anstellen lassen, auch wenn ich dort ebenfalls Kunden berate. ;)

    Das ist nicht nur überspitzt ausgedrückt, sondern das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

    Wenn ein Schlagzeuger an mehreren Schulen und privat unterrichtet, zusätzlich (oder hauptsächlich) noch in Bands Geld verdient, dreht sich alles nur ums Schlagzeug.

    Dass das ein Spezialfall ist (natürlich generell auf alle Musiker bezogen), wird schon daraus ersichtlich, dass die Künstlersozialkasse vor Aufnahme jeden Einzelfall prüft. Bzw. zeigt es allein schon die Existenz der KSK.

  • Im Moment ist es aus Sicht der Sozialversicherungspflicht nur deshalb ein Spezialfall, weil Betroffene es behaupten. Das Gesetzt sieht es anscheinend derzeit anders. 😉

    Allerdings wäre ich natürlich schwer dafür, es mit gesetzlicher Grundlage ganz offiziell zum Spezialfall zu machen. Der "Verlust" für Vater Staat wäre bei durchschnittlichen Musiklehrereinkünften wohl ziemlich überschaubar.

    Nur, ob das juristisch überhaupt zulässig wäre, fände ich spannend.

  • Die KSK wurde eingerichtet um selbständigen Künstlern etc. Zugang zur gesetzlichen Sozialversicherung zu ermöglichen. Das wird u.a. durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt unterstützt. Die KSK zahlt den fehlenden Arbeitgeberbeitrag aus diesen Mitteln an die gesetzlichen Kassen.

    Sie ist nicht dazu da Theater, Orchester, Verlage und Musikschulen vor Sozialabgaben zu schützen und zu subventionieren. Auch gemeinnützige Organisationen müssen ihre Arbeitnehmer versichern.

  • Sie ist nicht dazu da Theater, Orchester, Verlage und Musikschulen vor Sozialabgaben zu schützen und zu subventionieren. Auch gemeinnützige Organisationen müssen ihre Arbeitnehmer versichern.

    Natürlich. Sie ist dazu da den selbstständigen Künstlern das Leben etwas zu erleichtern. Wenn diese aber nun in die Scheinselbstständigkeit kommen, nur weil die genannten Arbeitgeber Sozialabgaben zahlen sollen, läuft was falsch. Im übrigen müssen entsprechende Auftraggeber einen Prozentsatz an die KSK abführen, der u.a. genau die Sozialabgaben deckt. Das System funktioniert bundesweit schon lang und mir erschließt sich nicht, warum ein Bundesland da nun Alleingänge startet.

  • Berlin startet keinen Alleingang, sondern versucht nur die neuere Rechtssprechung umzusetzen. Das machen hoffentlich alle Bundesländer.

    Und die Abgabe der Auftraggeber deckt eben nicht alles ab. Der Bund zahlt drauf.

  • 1. KSK trägt die Hälfte der Beiträge für Renten-Pflege- und Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Mitglieder. Die andere Hälfte trägt der dort Versicherte. Grundlage das jeweils prognostizierte Jahreseinkommen.


    2. Die KSK zieht hierfür Gelder bei den "Institutionen" ein, die Honorarkräfte im Sinne der Versicherungspflicht bei der KSK beschäftigen. Musiker, Journalisten, Kameraleute, Tontechniker, usw.... auch hier gibt es meldepflicht.


    3. Natürlich wäre es wünschenswert, dass all diese Menschen zu den jeweilig üblichen Tarifen "festangestellt" wären. Das von der KSK ermiteltte Jahresabreitseinkommen lag im Bereich "Musik" vor einigen Jahren mal so um 12000 Euro.


    4. Eine Flut von Festanstellungen ist aber vermutlich nicht zu erwarten.


    5 Für den Bereich Musik dürfte das nämlich bedeuten, dass freie Muswikschulen demnächst alle schließen, weil die entsprechenden Gebühren für den Unterricht für die meisten unbezahlbar wären.


    6. Auch die städtischen Musikschulen würden im Bundesdurchscnnitt sicher Stellen abbauen und Gebühren erhöhen. Auch hier wird seit Jahrzehnten auf den Idealismus der Honorarkräfte gebaut...


    7. Schade eigentlich, aber so siehts halt aus.


    Alles nicht so einfach. Das Urteil erstaunt mich, die Problematik existiert seit Jahrzehnten.

  • Festanstellung schön und gut. Aber ein Mini-Job ist halt nicht sozialversicherungspflichtig. Da wird also nur ein Schuh draus, wenn man hauptberuflich an einer Musikschule angestellt ist. Und da braucht man dann schon ein paar dutzend Schüler an einer Schule.

  • Wen du mehrere Minijobs an verschiedenen Schulen hast, wird zusammengerechnet. Kommst du über die 538 Öcken, werden alle beitragspflichtig.

    Was natürlich auch die Musikschulen betreffen würde, die also eher besser kein solches Angebot machen sollten. Ok, Ausnahme wäre z.b.ein trommelnder Bank-Manager, der glaubhaft versichert, dass er lediglich in seinem Dorf die aktuell wegsterbenden Freiberufler in dem Bereich ersetzen will, um weiterhin das musikalische Angebot zu erhalten....und sein Honorar pro Stunde aus diesen Gründen auch gern problemlos gegen Null reduziert.

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    Was öffentliche Musikschulen bzgl. Deputat und entsprechenden Stellenangeboten nach TVöd im Angebot haben....da brauchts sicher keine Dutzende Schüler....siehe entsprechende Ausschreibungen

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    Was private Musikschulen da machen könnten....keine Ahnung.


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    Eigentlich ist es recht simpel. Man nehme die Gebühren von Schülern und errechne das mögliche Einkommen daraus. Davon zieht man bei öffentlichen Schulen eben Verwaltung und bei privaten zusätzliche Kosten wie Miete usw ab....für 'nen groben Überblick sollte das dienlicher Ansatz sein.

  • Ganz kurz OT:


    Ich wäre den Moderatoren äußerst dankbar, wenn mein Post #5 auch in Überflüssiges verschoben werden könnte, weil meine Aussage hier, ohne die bereits entsorgten Beiträge, in meinen Augen recht kontextlos und creepy wirkt.


    Vielen Dank im Voraus.

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