Ah, ich hab mich schon gefragt wann das Thema nun auch hier landet. Grade weil hier ja einige Kollegen (und Kolleginnen?) selber betroffen sein dürften.
Ich als (frischgebackener) Leiter einer kleinen Schlagzeugschule sowie Schlagzeuglehrer ebenso.
Mit lieben Grüßen an den Dulli, der scheinbar ein bisschen Unglück beim Denken hatte (nachzulesen im Trash) hier ein paar Hintergrundinfos von jemandem, der aktuell mitten im Statusfeststellungsverfahren steckt und sich mit der Deutschen Rentenversicherung rumärgert:
- das Herrenbergurteil von 2022 bezieht sich auf einen Einzelfall, in dem eine Lehrerin einer städtischen Musikschule rückwirkend gegen ihre Scheinselbstständigkeit geklagt und Recht bekommen hatte; in diesem Fall gab das Bundessozialgericht ihr vollkommen legitimerweise Recht, denn sie war in den Betrieb eingegliedert, musste an Konferenzen teilnehmen und Vorspiele durchführen; an der grundstätzlichen Rechtsprechung hat sich aber nichts geändert, entgegen einiger Behauptungen sind Honorartätigkeiten an Musikschulen auch nicht verboten
- lediglich die Maßstäbe an eine freiberufliche Tätigkeit an einer Musikschule wurden enger gefasst und präziser definiert
- und genau hier hängen sich die Deutsche Rentenversicherung (für die Bestimmung einer Sozialversicherungspflicht zuständig) sowie einzelne Berufsverbände leider - in meinen Augen - sehr pauschalisierend, undifferenziert und ggf. auch voreilig an diesem Urteil auf, denn nach deren Auslegung der neuen Maßstäbe ist eine Honorartätigkeit an Musikschulen nun quasi unmöglich und sämtliche Lehrer gehörten nun festangestellt
- jedenfalls müsste Stand jetzt jede Musikschule, um Rechtssicherheit zu haben und hohe Nachzahlungen zu vermeiden, ihre Lehrkräfte festanstellen, in der Regel angelehnt an den TVÖD
Daraus ergeben sich insgesamt mehrere enorme, in meinen Augen so gut wie unlösbare Probleme:
- nicht jede Lehrkraft möchte tatsächlich festangestellt werden, z.B. wenn sie nicht hauptberuflich unterrichtet
- bei Jobs an mehreren Schulen (nichts unübliches, gerade im ländlichen Raum oder bei weniger populären Instrumenten) droht ab dem zweiten Job Lohnsteuerklasse 6 (50%+ Abgaben)
- für private Schulen wäre an dieser Stelle eigentlich schon direkt Schluss, denn auf die sowieso schon hohen Gebühren die eine private, nicht subventionierte Einrichtung nehmen muss, kämen sicher noch mal 30% on top, sofern man den Lehrkräften das Gehalt nicht massiv kürzen möchte (was wiederum auch niemand mit sich machen ließe) - kennt ihr Kids, die knapp 200€ für Unterricht bezahlen? Ich auch nicht.
- städtische Musikschulen müssten auf ihre Lokalpolitiker:innen hoffen, die das Budget entsprechend erhöhen müssen (bei uns im Kreis z.B. 80.000€ p.A. bei 20, bzw. 130.000€ p.A. bei 30 Lehrkräften)
- Wo das nicht möglich ist (und der Haushalt für 2025 sieht schlecht aus für die Kommunen) wird es radikal Kündigungen geben oder nur sehr kleine Deputate, von denen allein die Lehrkräfte nicht leben können - und dann wären diese wieder abhängig von Zweit- und Drittjobs, die entsprechend besteuert werden
- jetzt schon zeichnet sich ab, dass die Gebühren für jene Schulen die umstellen, um 20-30% erhöht und die Unkosten so auf Schüler:innen/Eltern umgelegt werden. Musikunterricht wäre so in Zukunft also nur noch was für (noch) Wohlhabende(re), während die Mehrkosten aber nur um ca. 1/3 abgedeckt werden.
Dem Gegenüber steht natürlich die ohne Frage attraktive Perspektive einer Festanstellung mit Urlaub, Absicherung, Krankheitstagen und allem was dazugehört - für alle, die das eben möchten.
Außerdem hätten Schulen mit rechtssicher angestellten Leuten natürlich auch ganz andere Möglichkeiten der Einbindung und Konzeption, was letztendlich sicherlich den Schüler:innen zugute käme.
Unterm Strich sehe ich hier dennoch eine Lose-Lose-Lose Situation, die paar Kolleg:innen, die Glück haben und denen ich eine gut bezahlte, abgesicherte Festanstellung natürlich von Herzen gönne, mal ausgenommen.
Klar liegt auf der Hand, dass in den letzten Jahrzehnten der Job der Musiklehrkraft ziemlich kaputt gespart wurde und mit Sicherheit muss sich daran etwas ändern. Aber ad hoc großflächig Festanstellungen umzusetzen wird schlichtweg nicht funktionieren. Sollte die Deutsche Rentenversicherung nun wirklich durchziehen, würden vermutlich 50-80% Der deutschen Musikschulen dicht machen, bevor auch nur eine Lehrkraft angestellt wurde.
Die Folgen wären vermutlich fatal: Kolleg:innen würden ihre Jobs verlieren und sich ggf. beruflich umorientieren, funktionierende Musikschulinfrastruktur würde sich auflösen und wäre nur schwer wieder aufzubauen, Schüler:innen würden ihre Bezugsperson verlieren.
Sollte hier "von oben" nicht ganz schnell noch ein Signal kommen (Ausnahmeregelung, Übergangsfrist oder - haha - ein Finanzierungskonzept das nicht zulasten der Lehrkräfte und Eltern geht) wäre die vorerst einzige Lösung vermutlich, den Lehrkräften die Räume zu vermieten und sich nunmehr als Vermittlung aufzustellen. Wirklich Sinn hätte das aber irgendwie auch nicht.
Probleme an Musikschulen
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Noch ein paar Gedanken zu ein paar Aussagen hier:
Das ist jetzt einfach eine Aufgabe für Politik und Verwaltung, allgemeingültige Rahmenbedingungen zu schaffen und eine Aufgabe für die Akteure (Musikschulen und Lehrer), das dann auch so zu machen.Vielleicht wird der ein oder andere Musikschüler abwandern von den Schulen hin zu schwarz arbeitenden Lehrern. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte sehr gering sein gegenüber dem, den scheinselbständiger Sozialversicherungsbetrug verursacht.
Das Problem ist: Es wäre 2022 schon Aufgabe für Politik und Verwaltung gewesen, Rechtssicherheit zu schaffen, sowohl für öffentliche wie auch private Schulen. Leider hat man das Problem verpennt und jetzt fällt einem auf, dass man mit jedem weiteren Tag enorme Nachzahlungen riskiert, weswegen man panisch versucht, schnell irgendwie Festanstellungen aus dem Boden zu stampfen. Allerdings ohne jegliches Konzept außerhalb von "Wir erhöhen auf Schlag die Gebühren um 25% und befristen die Verträge". Den volkswirtschaftlichen Schaden sehe ich perspektivisch eher darin, dass Musikschulen reihenweise dicht machen.
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Was öffentliche Musikschulen bzgl. Deputat und entsprechenden Stellenangeboten nach TVöd im Angebot haben....da brauchts sicher keine Dutzende Schüler....siehe entsprechende Ausschreibungen
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Was private Musikschulen da machen könnten....keine Ahnung.
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Eigentlich ist es recht simpel. Man nehme die Gebühren von Schülern und errechne das mögliche Einkommen daraus. Davon zieht man bei öffentlichen Schulen eben Verwaltung und bei privaten zusätzliche Kosten wie Miete usw ab....für 'nen groben Überblick sollte das dienlicher Ansatz sein.
Ich bin spaßeshalber mal alle Angebote des VdM durchgegangen. Von 80 Ausschreibungen waren vier in Vollzeit dabei, der größte Teil war auf 5-10 Stunden ausgeschrieben. Damit kommt man jetzt nicht gerade weit.
Private Musikschulen werden sang- und klanglos absaufen. Man könnte theoretisch über eine Raumvermietung nachdenken, die ist dann aber meines Wissens nach gewerbe- und umsatzsteuerpflichtig.Im Artikel ist von "Scheinselbstständigkeit" die Rede. Das wäre aber nur ein Thema, wenn über 5/6 des Einkommens dauerhaft durch einen Auftraggeber erwirtschaftet wird. Darüber hinaus gibts dann auch noch andere Kriterien, die für eine Scheinselbstständigkeit "erforderlich" sind. Und obendrein wurden die Regelungen vor allem für Künstler dahingehend in den letzten Jahren weiter gelockert (zumindest nach Aussage von 2 Leuten, die mich dies bzgl. beraten haben).
Das stimmt leider so nicht. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn die nun definierten Bedingungen erfüllt sind, solltest du darüber hinaus nicht mehr als 80% deines Einkommens bei einem einzelnen Auftraggeber erwirtschaften. Effektiv, und das kann ich dir aus erster Hand berichten, sprechen aktuell z.B. folgende Merkmale gegen eine freiberufliche Tätigkeit:
- der Unterricht wird persönlich abgeleistet
- du musst Räume und Equipment der Schule nutzen
- du hast kein unternehmerisches Risiko
- du musst dich an Stundenpläne halten
Aus diesen und weiteren Punkten wägt die Deutsche Rentenversicherung ab, ob am Ende eine freiberufliche Tätigkeit vorliegt.Ich hoffe allerdings, dass man auf Lösungen drängt, die der besonderen Bedeutung von Musikunterricht Rechnung trägt. Eine deutliche Kostenexplosion aufgrund fester Anstellungsverhältnisse an Musikschulen finde ich den Bürgern, insbesondere den weniger wohlhabenden gegenüber sch...ade. Unser Land hat eh verlernt, alle seine Bürger am Wohlstand zu beteiligen, es sollte zukünftig nicht auch noch Instrumentalunterricht nur noch für Betuchte möglich sein.
Das hoffe ich auch, realistisch sehe ich das aber nicht. Der Haushalt für 2025 ist jetzt schon wieder schwierig, deutschlandweit schätze ich, bräuchten Musikschulen 100-200 Millionen Euro mehr und das sehe ich einfach nicht.
...und mir erschließt sich nicht, warum ein Bundesland da nun Alleingänge startet.
Dieser Vorgang findet bundesweit statt. Vor allem Berlin ist extrem betroffen, weil die Quote der Honorarkräfte dort am höchsten liegt.
3. Natürlich wäre es wünschenswert, dass all diese Menschen zu den jeweilig üblichen Tarifen "festangestellt" wären. Das von der KSK ermiteltte Jahresabreitseinkommen lag im Bereich "Musik" vor einigen Jahren mal so um 12000 Euro.
4. Eine Flut von Festanstellungen ist aber vermutlich nicht zu erwarten.
5 Für den Bereich Musik dürfte das nämlich bedeuten, dass freie Muswikschulen demnächst alle schließen, weil die entsprechenden Gebühren für den Unterricht für die meisten unbezahlbar wären.
zu 3.: Wobei ich mit dieser Zahl vorsichtig wäre, denn die zugrundeliegende Statistik gibt keine Auskunft darüber, wieviel Wochenstunden die jeweiligen Musiker arbeiten und vor allem in welchem Bereich sie tätig sind, zum anderen ist das schon der errechnete Gewinn nach Abzug aller Unkosten, die man sich ja selber mehr oder weniger nach Gutdünken zurechtlegen kann
zu 4.: damit rechne ich auch nicht
zu 5.: Exakt. Die Stimmung in meinem Umfeld wechselt zwischen Resignation, Gleichgültigkeit ("Dann meld ich halt Privatinsolvenz an") und apokalyptischer StimmungFestanstellung schön und gut. Aber ein Mini-Job ist halt nicht sozialversicherungspflichtig. Da wird also nur ein Schuh draus, wenn man hauptberuflich an einer Musikschule angestellt ist. Und da braucht man dann schon ein paar dutzend Schüler an einer Schule.
Doch, ist er - für den Arbeitgeber. Wenn ich einen Minijobber anstellen will, zahle ich knapp 30% Sozialabgaben.
Und wenn eine Schule ein gescheites Honorar zahlt, landest du auch gut und gerne bei 10-15 Schüler:innen über der Grenze.
Ganz nebenbei, das hatte noch niemand erwähnt: Den Minijob kann man sich bei der KSK natürlich auch nicht anrechnen lassen. Schlimmstenfalls fliegst du aus der KSK ganz raus, weil du ja eben angestellt bist. -
Sie ist dazu da den selbstständigen Künstlern das Leben etwas zu erleichtern.
Sie ist dazu da, dafür zu sorgen, dass auch (oft etwas "lebensunpraktische") Künstler in die Sozialsysteme einzahlen, statt irgendwann völlig verarmt der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen. Ich sehe da historisch nicht unbedingt nur altruistische Motivation.
Der Fakt, dass der Bund derzeit für die KSK drauf zahlt (wie schon gesagt wurde), untermauert schon eine altruistische Motivation. Ich würde sagen eher eine kulturelle und natürlich auch aus dem Wohlstand begründete. Dass Künstler in einem Land überhaupt von ihrer Kunst (Unterricht inbegriffen) leben können - dafür braucht's eben einfach Wohlstand.
Fakt ist nämlich, dass selbstständige Künstler ohne die KSK so viel wie jeder andere Selbstständige auch an Sozialabgaben zahlen müssten - und zwar das Doppelte eines Angestellten. Die KSK zahlt die Hälfte, sodass sich bspw. die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung von 14,6% auf 7,3% reduzieren, die für die gesetzliche Rentenversicherung von 18,6% auf 9,3% usw. ...
Das stimmt leider so nicht. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn die nun definierten Bedingungen erfüllt sind, solltest du darüber hinaus nicht mehr als 80% deines Einkommens bei einem einzelnen Auftraggeber erwirtschaften. Effektiv, und das kann ich dir aus erster Hand berichten, sprechen aktuell z.B. folgende Merkmale gegen eine freiberufliche Tätigkeit:
- der Unterricht wird persönlich abgeleistet
- du musst Räume und Equipment der Schule nutzen
- du hast kein unternehmerisches Risiko
- du musst dich an Stundenpläne halten
Aus diesen und weiteren Punkten wägt die Deutsche Rentenversicherung ab, ob am Ende eine freiberufliche Tätigkeit vorliegt.Danke für die Info. Ich denke man sollte da grundsätzlich unterscheiden zwischen Lehrkräften, die an einer Musikschule den Großteil ihres Einkommens erwirtschaften und Freiberuflern, die nur nebenbei an einer Musikschule tätig sind - z.B. ergänzend zu Privatunterricht und (vielen und gut bezahlten) Auftritten. Bei ersteren ist der Fall klar (Festanstellung), bei letzteren halte ich Honorarbasis mit Abwicklung der Sozialabgaben über die Selbstständigkeit schon für sinnvoll. Aber das scheint ja nun Vergangenheit zu sein ...
Doch, ist er - für den Arbeitgeber. Wenn ich einen Minijobber anstellen will, zahle ich knapp 30% Sozialabgaben.
Und wenn eine Schule ein gescheites Honorar zahlt, landest du auch gut und gerne bei 10-15 Schüler:innen über der Grenze.
Ganz nebenbei, das hatte noch niemand erwähnt: Den Minijob kann man sich bei der KSK natürlich auch nicht anrechnen lassen. Schlimmstenfalls fliegst du aus der KSK ganz raus, weil du ja eben angestellt bist.OK. Mit "ein paar dutzend Schülern an einer Schule" meinte ich auch nicht nur über die Grenze zu kommen, sondern eben wirklich auch davon leben zu können. Dass man ein Angestelltenverhältnis nicht bei der KSK angeben kann, sollte klar sein (mir war es das jedenfalls).
Und ich persönlich strebe auch nicht an, Großteile meines Einkommens über längere Zeiträume an Musikschulen zu erwirtschaften. Je nach Höhe der Betriebsausgaben (z.B. Raumkosten) lohnen sich Privatschüler einfach deutlich mehr. Und da gibts dann auch keine Probleme mit Scheinselbstständigkeit.
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