Die magische Zahl 4 ...

  • Wohin läuft der Hase? Erleben wir beim Trommeln das Ende der Geschichte?


    Guten Abend allerseits,


    möchte mich kurz vorstellen und eine Frage in die Suppe mischen.

    Ich bin ü 50 und trommle seit 2018, mit langsamen Fortschritt. Stilmässig mit Präferenz Jazz/Fusion/Motown/Latin. Allerdings habe ich keinerlei Band- und Aufnahmeerfahrung wie die meisten hier, und auch bei den leidenschaftlichen hardware-Diskussionen über irgendwelche Becken von Paiste und Sabian über viele Seiten hinweg stehe ich eher leidenschaftslos daneben. Kann da eher nicht mitreden. Mein Set ist auch nicht so konkurrenzfähig, aber für mich reichts. Also in dieser Hinsicht: mit gewisser Distanz zur Sache.


    Nun zur Frage:

    Nach Erfindung des Ludwigpedals und der Hi-Hat und "Sesshaftwerdung" der Schlagzeuger hatte sich das klassische Swing-pattern in Jazz und U-Musik als Standard etabliert.


    Ab Ende der Fünfzigerjahre taucht plötzlich der klassische binäre 4/4 bum-tschak auf und setzt den neuen Standard. Seither, also seit siebzig (!) Jahren, hat sich eigentlich diese Hör- und Spielgewohnheit nicht mehr verändert, oder sehe ich das falsch...


    Bin mir selbstverständlich der vielen Varianten bewußt, von Reggae bis zum fast verschwundenen shuffle bis hin zum speed/Prog - Metal, was heute den Gipfel der Kunst darstellt. Zumindest spieltechnisch. Ich bewundere das und kann das nicht ansatzweise selber spielen.


    Trotzdem greifen seit Jahrzehnten die Drummer zu den Stöcken und spielen was? Mit der rechten Hand die Achtel auf der Hi-Hat und Bum-Tschak in allen Variationen mit rF, lH. Hier im Forum gabs ja auch die entsprechende Challenge.


    Woher kam dieser plötzliche Stilwechsel in den Fünfzigern?


    Warum sind wir so fixiert auf die 4/4, die heute 99 % aller Pop/Rocksongs ins

    Raster bringen? Auch die Songstrukturen beruhen ja fast immer auf der Vier oder einem Vielfachen der Vier. Was ist an dieser Zahl so magisch?


    Ist das genetisch oder psychologisch bedingt? Warum nicht z.B. eine Zehnerteilung oder alles im Walzertakt?


    Sind die 4/4 der definitive Ausdruck eines guten grooves, also quasi das Ende der Entwicklung des Schlagzeugspiels?


    Oder liegt es ganz illusionslos daran, daß es einfach leichter von der Hand geht als alles andere und kommerzielle Hörerwartungen bedient?

    Die Komplexität zumindest in der populären Musik hat sich ja eher wieder reduziert im Lauf der Jahre. Als Beispiel denke ich hier an den Techno-boom der Neunzigerjahre, wo die drumspur meistens ganz schlicht four on the floor abliefert. Aber halt immer im 4/4 Grundmuster. Ich habe beim Hören nur selten den Eindruck, daß ein bestimmter Song deswegen so gut ist, weil das Schlagzeug so gut ist. Es gibt natürlich Ausnahmen (einige Beispiele aus meinem ü50-Kosmos: Walking on the moon/the police; Tom Sawyer/Rush; Aja/Steely Dan, Cinema show/Genesis).


    Und vor allem: kommt irgendwann etwas Neues, so wie die Revolution in der Fünfzigerjahren weg vom Jazz, hin zum Rock and roll; oder sind wir am Ende der Geschichte angelangt?

    So ähnlich wie bei der byzantinischen Ikonenmalerei. Wo es darum geht, einem einmal gefundenen malerischen Ideal immer perfekter nachzueifern, so dass es am Ende zehntausende Madonnen mit dem Kinde in den orthodoxen Kirchen hängen.


    Wie könnte dieses Neue aussehen?


    Metaller können natürlich versuchen, immer schneller mit dem Doppelpedal zu spielen, klar.


    Gruß!

  • vermutlich viel einfacher... - laufen (maschieren) kann jeder, also 1,2,1,2,1,2...




    außerdem eine sehr regionale Sichtweise, auf dem Balkan sind ungerade Rhythmen extrem verbreitet und dort absoluter Pop.

    Ähnlich auch in der Türkei oder im arabischen Raum.

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

  • Genau - der 4/4 ist nur in der "westlichen Musik" so weit verbreitet.


    4/4 und 2/4 sind halt am einfachsten zu "verstehen" und auch zu spielen. Und auch am einfachsten (frei) tanzbar. So kann der berüchtigte "Fuß immer mitwippen", also ohne die Leute aus dem Takt zu bringen. Heutzutage hat das aber m.E. auch noch eine ganz andere "Qualität" gekriegt. Weil bei der Produktion mittlerweile nicht nur noch im populären Bereich immer mehr Wert auf Konsumtauglichkeit gelegt wird. Das dann im Zusammenhang mit Produktionen, die abgesehen vom Gesang immer mehr komplett "in der Konserve" gemacht werden.


    Das Thema betrifft ja auch die verbreiteten Songstrukturen mit einer typischen Länge von 3 Min. (+/-, manchmal auch 4 Min.) mit Strophe, Refrain und C-Teil nach dem 2. Refrain. Wenn es überhaupt noch mehrere Songteile gibt. Rick Beato hatte die aktuell am meisten gehörten Sachen mal entsprechend analysiert. Ist z.T. schon traurig ...


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    Es ist halt leider so, dass das "anspruchsvolle Publikum" nur einen Bruchteil ausmacht. Wobei Popmusik und Schlager heutzutage nach meiner Meinung wirklich oft auf üble Art nichtssagend, oberflächlich und auf Profit ausgelegt ist. Pioniere wie z.B. Elvis, die Beatles usw. waren noch "echter". Heutzutage weiß man von vorn herein, was gut funktioniert und was nicht und will damit vor allem eins: Geld verdienen.


    Wobei es natürlich auch heutzutage noch positive Ausnahmen gibt. Allerdings auch meistens nur in 4/4 ;)

  • Guten Morgen,


    die Sichtweise ist halt aus der eigenen Perspektive.

    Das Drum-Set ist ja noch eines der neuesten Modeerscheinungen in der Musik und

    die westliche Musik ist halt das, was man im Westen so wahrnimmt, ganz unbeeindruckt

    von der Volksmusik in anderen Ländern, sogar welchen aus der EU.

    Im Übrigen ist der Swing ebenfalls 4/4, nur halt ternär statt binär.


    Dass der Andree Ridingens mit seiner opulenten Combo überwiegend mit 3/4 recht

    ordentlich Geld verdient, ist aber aufgefallen?

    Und dass es in Indien ...

    Ach.


    Also damals bei mir daheim auf dem Dorf da gabe es 4/4 und das war Marsch.

    Mal binär, mal ternär, aber garantiert swing-frei und ganz rock-los.


    Irgendwann war ich mal bei einer Kapelle, die waren ganz dem Shuffle verfallen,

    das war weder Swing noch Pop, aber schon wieder meist 4/4 oder von mir aus 12/8,

    nur wieder anders und so anders, dass ich da wohl nicht genügte.

    Aber auch bei den 4/4-Binär-Kapellen gab es mal welche, wo das mit dem Uff-Baff

    nicht so ganz griff, bei Funk und Soul gibt es gerne mal neckische Verschiebungen.


    Und im Radio laufen auch manchmal komische Sachen, es gab mal eine Sendung,

    da waren nur Lieder der Popularmusik (ja, solche, die im Radio laufen), welche nicht

    4/4 waren oder jedenfalls nicht nur.


    Aber eigentlich ist das alles Unfug, denn der wahre Takt ist 2/4. Es geht doch nichts

    über eine Polka.

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    Grüße

    Jürgen

  • ..........

    Das Ziel ist der Weg und die Geschwindigkeitsbegrenzung ist zu beachten,.....

    :thumbup:

    ^^  ein knall rotes gummiboot (youtube.com)

    ;)


    l.g.


    edit: vor allem so spät in der nacht, oder früh am morgen

    ich höre immer du musst, du brauchst.....ist "modern", "out", "in", "trendy" und so....
    ich mach`s wie`s mir passt, schei.. auf die Säue, die laufend sinnbefreit durch
    die Dörfer getrieben werden.



    2 Mal editiert, zuletzt von orinocco () aus folgendem Grund: edith.........(punkte)

  • Ich würde das in dieselbe Lade wie die magische Pentatonik Skala legen.

    Es dürfte genetisch/psychologische Gründe haben, warum wir das leicht hören/spüren/verstehen und darum funktioniert es so gut.

    Die wenigsten Menschen (meist selbst Musiker) hören/verstehen/spüren unregelmäßige Zählzeiten (wie im jazz).

    Gerade Zahlen und besonders die Zahl 4 findet man ja auch schon bei Reimen sehr häufig und wirkt einfach harmonisch.


    Etwas abschweifend:

    Weil das intuitiv in uns drinnen steckt, wird sich das auch nicht mehr allzu sehr ändern, eher aber die Art wie Musik gemacht wird.

    Dass seit den 70er Jahren die Popsongs immer dünner/schwächer/ähnlicher werden, hat viel mehr damit zu tun, wie Musik konsumiert wird.

    Der Hörer nimmt sich nicht die Zeit und legt eine Platte seiner Sammlung auf und hört aktiv zu. Der Hörer im Jahr 2024 klickt sich durch Spotify. Ein sich langsam aufbauendes Intro interessiert da (leider) keinen mehr. Du willst gleich die Hook Line. Das spiegelt sich schön in unserer Konsumgesellschaft wieder. Alles sofort immer zu Verfügung haben wollen,


    Der Mensch tickte in den 50ern nicht anders, nur die Welt um ihn herum war noch eine langsamere.

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