Ich mag Urlaub nicht so sehr!
Niklas Kahl ist schon lange hier im Forum unterwegs. Eine viel, viel größere Menge an Menschen dürfte ihn jedoch als Drummer von Lord Of The Lost kennen. In der Wohnung der Band durfte ich ihn dankenswerterweise ein paar Fragen stellen. Da es sehr kurzweilig war, vergingen die fast drei Stunden wie im Flug! Vielen Dank an Niklas!
Foto: Lennard Schmitt
DF Dein Nickname DBDDW steht zufällig nicht für 'Das bedeutet dem Drummer wenig'?
NK: Haha, ja das könnte man meinen. Aber, es ist viel einfacher, als ich mich mit 15 angemeldet habe, waren bei mir Die Ärzte angesagt und in Anlehnung nannte ich mich 'Der beste Drummer der Welt'. Das gab allerdings Probleme mit dem Layout des Forums und so wurde ich von Patrick gebeten, mir einen kürzeren Nicknamen zu suchen. Damit ist denn wohl klar, wofür die Buchstaben stehen, haha.
DF Wie bist du aufs Forums aufmerksam geworden?
NK: Damals haben wir uns ja noch viel in Chaträumen rumgetrieben und ein Kollege aus Bad Harzburg meinte, das Drummerforum sei etwas für mich.
Zu Anfang war ich ja richtig aktiv und habe auch viel geschrieben. Das ist dann aber deutlich weniger geworden. Mitgelesen habe ich habe immer. Ich habe das Forum tatsächlich noch immer als Startseite im Browser. Ich bin schon über 20 Jahre dabei.
DF: Seit wann spielst du Schlagzeug und warum dieses Instrument?
NK: Ich habe mit fünf angefangen, weil es geil ist! Haha! Ich bin in einer Musikerfamilie aufgewachsen, Sohn von zwei Tastenquälern. Die Versuche meiner Eltern mich für Instrumente wie Akkordion oder so etwas zu begeistern, schlugen fehl. Für mich gab es und gibt es nur die Trommeln! Ich glaube, es war Jost Nickel, der mal sowas gesagt hat, wie: „Ich setzte mich ans Instrument und bin glücklich!“ Genau das ist es! Sobald ich darauflos spiele bin ich happy. Es gibt Drummer, denen siehst du das auch an.
Abgesehen davon, Schlagzeug ist für mich auch das vielseitigste Instrument. Es gibt eigentlich keine Regeln. Ausser vielleicht, dass 16tel eben doppelt so schnell sind wie 8tel. Du musst deine Trommeln nicht auf einen bestimmten Ton stimmen. Es gibt keine Grenzen und das macht mir einfach Spaß.
DF Was bedeutet das Instrument für dich?
NK: Alles! Ohne Rhythmus funktioniert kein Song. Das ist die absolute Basis und allgegenwärtig.
DFWas macht für dich einen guten Drummer aus?
NK: Songdienlich spielen! Man kann auch mal übertreiben, dann aber bitte nur kurz, denn das Spiel sollte der Musik zugute kommen. Das heißt nicht, dass da keine kleinen Schwankungen sein dürfen, vielleicht macht das sogar den Groove aus. Wo ich aktuell ein Problem mit habe, sind die Drummer, die in den sozialen Medien eine Zeit lang gehypt werden. Zum Teil ist das sehr beeindruckend, was die Kollegen da abliefern, aber sie neigen dazu, Songs zu zernageln und viel zu viel zu spielen und so den Song kaputt zu machen. Ich zeige diese Videos gerne meinen Schülern, damit sie merken, worauf es beim gemeinsamen Spiel mit anderen Musikern ankommt. Wenn man so will, auf der einen Seite habe ich die Artisten, die unwahrscheinlich viel und schnell trommeln können und auf der anderen Seite Musiker, die in der Lage sind, ein Lied zu unterstützen.
DF Seit wann kannst du vom Trommeln leben?
NK: Ich war ja faul in meiner Jugend und habe mich nicht nur ums Schlagzeug gekümmert. So bin ich nach der Schule auch erst in die IT gegangen. Das war aber auch nicht gut, denn nach der Ausbildung und einem halben Jahr als Softwareentwickler wusste ich, dass ich das als Beruf nie wieder machen möchte.
Zu der Zeit unterrichtete ich schon und da es in Deutschland immer besser ist, etwas mit Zeugnis vorweisen zu können, kam ich auf die Idee in Richtung Sozialpädagogik zu gehen und fing eine Ausbildung zum Erzieher an. Einfach, um es schwarz auf weiß zu haben, dass ich fähig bin, mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu können. Weil aber das mit den Bands und dem Unterrichten immer mehr wurde, habe ich die Ausbildung nicht abgeschlossen. Allerdings konnte ich noch nicht völlig davon leben, sodass ich stundenweise als Erzieher gearbeitet habe. Seit Anfang 2012 mache ich das aber nicht mehr, bin also ab da Profi.
Foto: Lennard Schmitt
DF Was gefällt dir am Profidasein und was magst du weniger?
NK: Nun, es gibt den Aspekt, dass du als Profi ja auch ein Unternehmer bist. Deswegen ist Bürokratie gerade in Sachen Steuern ein Teil der Arbeit, denn du nicht unterschätzen solltest. Dann gibt es noch die Themen wie Selbstvermarktung z.B. übers Internet, also die Promotion in eigener Sachen. Du musst auch in der Lage sein, eine Website zu pflegen und auch vieles anderes mehr, was mit dem eigentlichen Trommeln nur wenig zu tun hat. Das mag ich nicht immer, aber es gehört eben zum Job dazu.
Das ermöglicht mir dann aber, frei zu sein und keinen Job mit immer den selben Arbeitszeiten und -themen machen zu müssen. Diese Freiheit hat allerdings noch einen anderen Preis: Es ist nicht immer garantiert, dass du weißt, wo das Geld im nächsten Monat herkommt, mit dem du deinen Kühlschrank auffüllen kannst. Das Positive überwiegt aber deutlich; mit Lord of the Lost habe ich einen Hauptgewinn gezogen, denn ich darf das, was ich am Liebsten mache, überall in der Welt machen. Mir ist schon klar, dass das nur wenige Trommler so erleben dürfen.
Was ich noch betonen möchte, ist, dass du in Sachen Steuern auf jeden Fall dir Hilfe holen solltest. Nachdem ich umsatzsteuerpflichtig wurde, macht das für mich ein
Steuerberater. Er hat mich schon viel Geld gespart, weil er Dinge abzusetzen weiß, auf die ich selbst niemals gekommen wäre.
DF Wie hast du die Veränderungen im Musikbusiness der letzten Jahre, ja eigentlich schon Jahrzehnte erlebt?
NK: Anfang der 2000er war ich das erste Mal auf der Musikmesse in Frankfurt. Das war immer ein Ereignis, du konntest alles anfassen, hast andere Trommler kennengelernt und manchmal gab es spontane Sessions, wo mehrere zusammen gespielt haben. Es gab zudem ja auch die kleinen Aussteller, da hast du ganz abgefahrene Sachen sehen können. Z.B. gab es da einen Franzosen, der hatte Pedale erfunden, mit denen du zusätzlich mit den Knien spielen konntest. Tja, und dann wurde es immer weniger und selbst die großen Firmen konzentrierten sich auf die NAMM in den Staaten.
Ich war übrigens noch nie in den USA, bis auf einmal einen Tag in Miami, als wir Anfang des Jahres 2024 die 70000tons Of Metal, eine Festival-Kreuzfahrt, gespielt haben. Im Herbst gehen wir aber erstmals auf eine ausgedehnte USA-Tour.
DF Sollte ein Trommler einen ausgleichenden Charakter haben? Also nicht nur sich selbst in den Mittelpunkt stellen?
NK: Starke oder große Egos sind niemals zielführend. Du musst ein Teamplayer sein. Aber, das betrifft alle Musiker. Wenn du als Band gut funktionieren willst, müssen alle zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen. Starallüren gehen gar nicht! Wir haben das so geregelt, dass jeder eine Stimme hat, also basisdemokratisch. Wenn wir aber anfangen uns im Kreis zu drehen, dann hat unser Sänger Chris, der auch Geschäftsführer ist, das letzte Wort.
Das Tolle ist, dass wir alle so gleich ticken und auf einer Welle sind, dass bei Lord of the Lost es nur ganz selten ist, dass Chris ein Machtwort sprechen muss. Das war das, was mich von Anfang an fasziniert hat, wir haben uns sofort verstanden. Mittlerweile ist es so, dass wir uns so gut kennen, dass manche Sachen nicht mehr groß diskutiert werden müssen, weil alle wissen, wie der jeweils andere tickt. Das gilt auch für die Crew! Das macht uns zu einer starken zweiten Familie!
Dazu gehört aber auch, sich gegenseitig Freiräume zu geben. Wenn an einem spielfreien Tag der Bus irgendwo steht, dann hängen wir nicht nur zusammen ab. Ich gehe dann auch gerne alleine viel spazieren. Es ist dann auch mal schön, wenn kein Mensch um mich rum ist. Wenn allerdings Abends ein Gig ist und wir dann weiter zum nächsten fahren, dann bekomme ich in der Regel von der jeweiligen Stadt nichts mit. Das ist manchmal schade. Ich sammle meine Eindrücke und habe eine Liste, da notiere ich Orte, wo ich noch mal hin möchte.
DF Da fährst du dann im Urlaub hin?
NK: Um ehrlich zu sein: Ich hasse Urlaub! Das ist tatsächlich immer wieder ein Thema bei uns zu Hause mit meiner Frau. Sie hat einen Job mit normalen Arbeitszeiten und möchte dann natürlich im Urlaub vereisen. Ich dagegen bin froh, wenn ich mal nicht aus dem Koffer leben muss, sondern einfach mal im Garten und am Haus etwas machen kann. Dazu kommt noch, dass ich nervös werde, wenn ich mal 10 Tage nicht trommeln kann. Deswegen habe ich, wenn wir wirklich mal privat verreisen, immer ein Paar Sticks dabei.
Foto: Jan Borowski
DF: Wie ist bei dir das Verhältnis zwischen Technik üben und reinem Spielen?
NK: Ich übe relativ wenig, so Sachen wie Open-Handed-Spielen sind nebenbei entstanden. Ich trommle sowieso jeden Tag, wenn nicht mit Lord of the Lost, dann im Unterricht mit meinen rund 30 Schülern. Wenn ich mal übe, dann ist das zielorientiert. Ich muss mir also etwas draufschaffen, was ich demnächst dann gebrauchen kann. Ich gehe immer den Weg des geringsten Widerstands. Ich spiele allerdings mit dem Gedanken, mal wieder selbst Unterricht zu nehmen bei einem coolen Lehrer, um neue Impulse zu bekommen. Übrigens habe ich alle Bücher von Jost Nickel und die sind schon sehr inspirierend. Die ersetzen aber nicht den persönlichen Austausch mit einem Lehrer.
DF Inwieweit bist du bei LOTL beim Schreiben der Songs involviert?
NK: Mehr oder weniger ja, aber, es kommt immer darauf an, denn manchmal kommt wer an und hat genaue Vorstellungen vom Drumming. Die Basis entsteht im Rahmen der Vorproduktion, im Studio wird dann nur noch an den Feinheiten gefeilt. Dann macht auch gerne mal der Spruch 'Biet' mal an die Frucht' die Runde.
Als ich 2017 quasi über Nacht in die Band eingestiegen bin, musste ich klären, was ich bei jedem Song von den Vorgängern, die ja zum Teil ganz anders spielen als ich, übernehme und an welcher Stelle ich eigene Ideen umsetzen konnte. Von Chris kam dann das Feedback, dass er auf mein musikalisches Verständnis vertraue, sprich, dass ich weiß, wann ich was eins zu eins übernehmen muss, was essentiell ist und wo ich variieren kann. Ich hatte und habe also alle Freiheiten, ich kann z.B. die meisten Fills so gestalten, wie ich es möchte. Auf der anderen Seite ist aber klar, dass es gewisse Parts gibt, die einen Song ausmachen. Als Beispiel möchte ich 'In The Air Tonight' von Phill Collins nennen. Wenn du in einer Top40 Band aushilfst und das eine bestimmte Fill – wir kennen es alle - nicht so spielst, dann brauchst du bei der Band nicht wieder kommen.
Foto: Lennard Schmitt
DF Wie läuft es live ab? Haltet ihr euch an die Studioproduktion?
NK: Nee, überhaupt nicht! Manchmal improvisieren wir Blödsinn und es ist dann schon hart, nicht völlig raus zu kommen. In einem Songs gibt es ein eintaktiges Fill-In, das ich irgenwann mal etwas länger gestaltet, in den nächsten Takt hinein gespielt habe. Im Lauf der Tour spielte ich den immer länger und jedes Mal ein bisschen anders. Da kommt dann kurz vorher Pi, unser Gitarrist, vorbei und guckt immer extra gespannt, was ich wohl heute draus mache. Das macht irre Spaß und wir feiern das regelrecht ab. Das merken dann natürlich auch die Leute im Publikum, dass die da auf der Bühne gut drauf sind.
Das funktioniert aber selbstverständlich nicht an jeder Stelle und das Tolle ist, dass wir uns inzwischen so gut kennen, dass wir wissen, wann können wir spontan etwas verändern und wann halten wir uns an unsere selbst auferlegten Vorgaben.
DF Irgendwelche Pläne für die Zukunft?
NK: Immer Risikobereit sein! Wir haben da ja z.B. unser jährliches Lordfest: Beim ersten Mal hatten wir die Halle mit weniger als 2000 Leuten nichtmal halb voll. Es gab die Überlegung es abzusagen, aber unsere Partner wollten das Ding mit uns durchziehen, weil sie Potential darin sahen. Zum Glück haben wir es dann durchgezogen, denn beim zweiten Mal waren wir dann mit 4000 ausverauft. Darauf könntne wir uns jetzt ausruhen, das nächste LordFest wieder in der selben Halle machen und es sicherlich auch wieder ausverkaufen. Wir wollen aber wachsen und unser Motto ist: wenn wir es nicht riskieren, werden wir es auch nicht schaffen. Deswegen gehen wir in diesem Jahr in die nächst größere Venue, die Alsterdorfer Sporthalle. Die fasst maximal 7.500 Leute.
Bisher hat es sich eigentlich immer ausgezahlt, Dinge zu riskieren und zu investieren.
Wir drehen ja auch überdurchschnittlich viele Musikvideos. Zu unsere Blood & Glitter Album haben wir beispielsweise zu jedem Song, bis auf einen, ein Video gedreht. Es gibt viele Kollegen, die uns immer wieder sagen: Macht Euch doch nicht so einen Stress! Das kostet nur unnötig viel Zeit und Geld.
Aber: es begab sich in 2019, dass Steve Harris von Iron Maiden zufällig eines unserer Videos auf YouTube sah, es ihm sehr gefiel und wir daraufhin in 2022 und 2023 zwei Touren mit Iron Maiden spielen dürften.
Deswegen: Immer bereit sein, Risiken einzugehen. Nur so kann man wachsen.