Großes Thema, hier mein Versuch:
1. Originalität:
Ich glaube, ein guter Song zeichnet sich durch eine gewisse Unverwechselbarkeit aus. Er muss ein gewisses Allein-Vertretungsmerkmal haben und sich nicht "so anhören wie.....".
Insbesondere muss er das Klischee vermeiden. Es gibt nichts schlimmeres, als einen Song schon mal so ähnlich woanders gehört zu haben oder zu merken, dass er sich an einen anderen anbiedert und so versucht, meine Sympathie zu erschleichen.
2. Einheitliches Motiv
Ein guter Song, also ein gesungenes Musikstück, gelingt nur dann, wenn Text und Musik eine Einheit darstellen. Die Musik muss dem Text und der Text der Musik folgen und sie abbilden. Ein Funk-Stück übers Waldsterben wirkt ähnlich deplatziert wie ein Death-Metal-Stück über die Geburt eines Kindes.
3. Authentizität.
Das einheitliche Motiv führt uns zum nächsten Kriterium, auch wenn es eher die Präsentation und nicht so sehr den Song selbst betrifft: Zu einem guten Song gehört nicht nur, dass er selber in sich gut ist, sondern dass die Präsentation durch den Künstler auch authentisch ist:
Wenn die Backstreet Boys über "ein Leben im Rollstuhl" singen würden, wäre das ein Schuss in den Ofen:
Selbst wenn der Song in sich noch so gut wäre, keiner würde Ihnen den Song abnehmen.
(Unter anderem das ist ja auch der Grund, weshalb manche Bands relativ schnell sterben: es gibt schlicht und ergreifend für bestimmte Truppen von Anfang an nur ein begrenztes Umfeld, aber eben nicht nur musikalisch, sondern grade textlich: außer über Verliebte-Teenager kann eine Boy- oder Girl Band eben halt nicht singen, weil alles andere als Grössen- Wahnsinn empfunden wird. Auch Eine waschechte Punk Band ist ebenfalls themen-technisch relativ begrenzt. Die Möglichkeit der Präsentation guter Songs ist daher bei vielen Bands von Anfang an auf eine bestimmte Zahl minimiert).
Was aber im übrigen aber nicht ausschließt, dass unter anderem auch Hardrocker natürlich Balladen spielen können. (Meistens sind es sogar ihre besten Stücke.)
3. Essenz
Hört sich hochtrabend an, ist es aber nicht: ein guter Song muss mE einen wesentlichen essentiellen Lebensbereich ansprechen, als da wären Liebe - Tod, Schmerz und Vergänglichkeit - Wut - Freiheit (was Party machen einschließt) oder Witz.
Ein Song, der in keinem dieser Kategorien Emotionen auslöst, ist für mich tot und ist belanglos - auch wenn man ihn im Auto Radio eventuell mitpfeift.
4. Unabhängigkeit von der Instrumentierung.
Ein guter Song hat für mich auch immer die Eigenschaft, auch dann zu überzeugen , selbst wenn man ihn auf einer verstimmten Akustik-Klampfe am Lagerfeuer spielt. Ein guter Song braucht weder Lautstärke, noch bestimmte Instrumente.
Ansonsten:
Im übrigen ist das Schicksal von Songs wirklich beeindruckend:
Viele wurden von Managern und Produzenten abgelehnt, manche dann an einen anderen Künstler weitergegeben, der dann damit fantastischen Erfolg hatte, an manche Stücke hat die Band oder der Künstler selber nicht geglaubt (Smells Like Teen Spirit) es gibt Stücke, die es als blosse Füllstücke gerade soeben auf das Album geschafft haben, dann aber die größten Hits wurden, es gibt gute Songs, an denen manche Künstler ein ganzes Jahr lang gearbeitet haben (Boston - More than a Feeling) andere Songs Wiederum fallen dem Künstler ein, wenn er nicht schlafen kann und er nachts 3 Minuten auf dem Piano rumklimpert (Every breath you take).Andere Stücke wiederum entstehen aus der Verzweiflung heraus, wenn die Band schon längst beschlossen hat, ihr Zusammenarbeit zu beenden und einfach nur noch aus Spaß rum klimpern (Eurythmics - Sweet Dreams).
Das Rezept für einen guten Song ist noch nicht entschlüsselt, wäre es so, würden wir nicht so viel Shice im Radio hören. Rick Beato & Sting waren sich im übrigen darüber einig, dass die Schwäche der Modernen Songs daran läge, dass die Institution der "Bridge" fast vollkommen weggefallen ist. Da ist was dran.
Im übrigen glaube ich, dass der Künstler deshalb sich oder seinen Song nicht selbst beurteilen kann weil er während des kreativen Prozesses die spielerische und künstlerische Komponente betonen muss und nicht die kritische, weil er sonst niemals einen Song schreiben könnte. Gilt auch für andere Künstler, beispielsweise Schriftsteller. Wenn die nach jedem Satz überlegen müssten, wie dieser Satz auf andere wirken würde und ob er "gut" sei, bekämen die wohl keine Seite zusammen. So funktioniert Kunst nicht.