Kann wirklich jeder Schlagzeugspielen lernen?

  • Die Zivilisation hat mich wieder und ich damit meinen Laptop, so daß ich euch die ausführliche Antwort schreiben kann, die ihr verdient. Die Diskussion und eure Gedanken gerade zum Thema Talent/Begabung fand ich sehr interessant. Schade, daß sie am Ende so plump abgewürgt wurde. Vielleicht hätte sonst noch jemand sinnvolles beitragen wollen. Auch der Vater des Jungen hat regelmäßig mitgelesen. Er hat mir den aktuellen Stand mitgeteilt.

    Er hat mit dem Lehrer gesprochen. Im Beisein des Kindes wurde er über das mangelnde Talent aufgeklärt und ihm nahegelegt den Platz für einen geeigneteren Schüler freizumachen. Er wäre sofort einverstanden
    gewesen, wenn er aus dem Vertrag herausgekommen wäre. Der Junge hatte sich zuhause schließlich schon mehrmals negativ über den Lehrer und den Unterricht geäußert. Das war aber nicht möglich, vielmehr solle man solidarisch sein mit anderen Kindern. Auf Nachfrage gab der Lehrer zu, daß der andere Schüler natürlich auch bezahlen müßte. Letztlich kam es dem Vater so vor, als wolle der Lehrer einem Bekannten einen Gefallen tun, dessen Kind einen Platz verschaffen, seinen unbeliebtesten Schüler loswerden und noch doppelt abkassieren. Er war damit nicht einverstanden, also mußte der Unterricht weitergehen. Der Junge ist immer hingegangen, jetzt erst recht. Zwei Stunden stehen noch aus, dann sind beide Seiten froh, daß der Vertrag nicht verlängert wird.

    Der Junge möchte das Schlagzeugspielen auf keinen Fall aufgeben, und er sucht auch kein anderes nichtmusikalisches Hobby. Es macht ihm zu viel Spaß und es ist ihm egal, wie gut er wird.Weder möchte er in einer Band spielen noch überhaupt irgendwie berühmt werden. Es stimmt,daß der Junge nicht viel Ehrgeiz hat und gern Dinge mag, die eher ruhig und gemächlich sind wie Angeln und Bücher lesen. Das Schlagzeugspielen betreibt er schon ernsthaft und übt von Montag bis Freitag jeden Tag eine Stunde, aber eben sehr genau nach Noten und langsam genug,damit er ja keine vergißt. Druck von Seiten des Vaters kommt nicht auf, obwohl der leidenschaftlicher Bandmusiker war, allerdings Gitarrist. Die Mutter interessiert sich für die Musik nicht. Hauptsache es läuft in der Schule.

    Zum Kindertag am 1. Juni gab es als Motivation ein Buch mit Noten von AC/DC, das fleißig genutzt wird. Weitere Anregungen für Bücher sind nach wie vor sehr willkommen.

    Grundsätzlich würde er einen anderen Lehrer probieren, aber nicht gleich jetzt. Erstmal hat er genug von Unterricht, obwohl es sein eigener Wunsch war, denn ihm war klar, daß man nicht alles aus einem Buch lernen kann, weil von dem Buch keine Bewertung des eigenen Spiels kommt. Onlineunterricht wollen sie sich im nächsten Schuljahr ansehen. Vielleicht paßt es.

    Ob jeder Schlagzeug lernen kann, ist damit nicht geklärt, aber selbst wenn man nicht viel lernt und trotzdem daran Spaß hat, sollte das schon reichen, um einem Kind das Hobby zu erlauben. Demnächst werde ich mir jedenfalls ein paar Doom-Metal Versionen von AC/DC live anhören.

  • Traurige Geschichte irgendwie ...


    Obwohl wohl jeder Instrumentallehrer am liebsten nur angehende Superdrummer hätte, die sowohl Talent als auch Übefleiß und Reife im Überfluss

    mitbringen, ist das natürlich nicht die Realität.


    Die Realität aus meiner Sicht ist, dass Instrumentallehrpersonen dazu da sind, zahlender Kundschaft die Freude am Instrument und an der Musik

    zu erhalten bzw. zu vergrößern, ungeachtet des Talents. Das ist einfach schlicht nicht relevant in dieser Hinsicht. Sollte jemand sehr übefaul sein,

    wäre das noch eher ein Grund.

    Ich selber nehme aber in ähnlichen Konstellationen den Aspekt immer am meisten ernst, dass das Kind ja offensichtlich will und Freude hat, und

    die Eltern offensichtlich bereit sind, zu bezahlen. Ich versuche dann, den Unterricht mit diesem Kind so zu arrangieren, dass ein sinnvoller und

    motivierender Unterricht mit möglichst viel Musikmachen und doch einem Lerneffekt stattfinden, auch wenn nicht geübt wird. Und ich habe schon

    viele Male erlebt: Das geht! Das geht oft sogar recht gut.

    Natürlich versuche ich zuerst die anderen Wege; zum Üben motivieren, Plan machen, mit den Eltern reden, die strenge Schiene etc. :D. Aber

    eine Kündigung, ein Aufhören nahezulegen oder zu erwirken, das gibts bei mir eigentlich nur bei Schwierigkeiten auf der Verhaltensebene.

  • Guten Morgen,


    irgendwie erscheint mir die Sache unrund.

    mußte der Unterricht weitergehen

    Das ist das, was ich am wenigsten verstehe.

    Man kann ja über die rechtlichen Gegebenheiten (ich bin da gerne etwas kreativ und finde auch mal eine Möglichkeit etwas zackig zu kündigen) nachdenken oder auch nicht, aber abgesehen von der etwaigen Zahlungspflicht ist doch niemand gezwungen wo hinzugehen, wo es keinen Spaß macht und (!) nichts bringt.

    es ist ihm egal, wie gut er wird.Weder möchte er in einer Band spielen noch überhaupt irgendwie berühmt werden

    Mit der Einstellung würde ich durchaus mal nachdenken, ob da Unterricht überhaupt sinnvoll ist. Falls man das bejahen möchte, muss man natürlich einen Unterrichter finden, der die (mir nicht ganz klare) Zielvorstellung unterstützt.


    Ansonsten kann jeder sein Hobby selbst definieren und wenn es so ist, wie es ist, dann ist es halt so.


    Grüße

    Jürgen

  • Im Beisein des Kindes wurde er über das mangelnde Talent aufgeklärt

    Hahaha... Tschuldigung, aber da spulen sich in meinem Kopf alle Klischees des nerdigen Lehrers (einer Musikschule) ab. Der fachlich gut ist, aber sonst nicht. Auf dem freien Markt nix geworden, werd ich eben Lehrer und quäle die Leute. "Wenn du keinen Zugang zu meinen Fachbereich hast, bist du es nicht wert. Geg weg." Naja, gut, dass es bald vorbei ist.


    Mit der Einstellung würde ich durchaus mal nachdenken, ob da Unterricht überhaupt sinnvoll ist. Falls man das bejahen möchte, muss man natürlich einen Unterrichter finden, der die (mir nicht ganz klare) Zielvorstellung unterstützt.

    Ja, im Kern richtig, aber wir reden hier auch über die Äußerungen eines (vielleicht bockigen) 9-jährigen. das würde ich jetzt nicht überbewerten.


    Denn:

    aber nicht gleich jetzt. Erstmal hat er genug von Unterricht,

    ich würde da jetzt auch eine Pause nehmen und Abstand gewinnen. Jetzt kommt Sommer, da kann man auch Mal ins Schwimmbad. ;)


    nicht viel Ehrgeiz hat und gern Dinge mag, die eher ruhig und gemächlich sind wie Angeln und Bücher lesen.

    So war ich auch mit neun, wenn "Druck von außen kam" und hab das wohl an meinen Sohn weitergegeben. Würde ich aber auch nicht überbewerten.


    Wichtig ist doch, dass er von sich aus regelmäßig spielt. AC/DC ist doch Klasse, da kann man sich auch austoben.


    Danke für die ausführliche Schilderung.

    Da würde ich jetzt einfach so Mal weitermachen..

    Es gibt so viel gute Musik auf der Welt.. ..da muss ich doch nicht Musik hören, die "gar nicht so schlecht" ist. - Hennes M. aus C


    Ich

  • Wenn der Junge Spaß hat, soll er spielen. Als so einfach empfinde ich das.


    Mein Schlagzeuglehrer erzählt ab und zu mal von anderen Schülern. So hat er z.B. jemanden, der nie übt. Er kann sich einfach nicht aufraffen. Aber er kommt seit 5 Jahren jede Woche und hat eine Menge Spaß.


    Soll man so jemandem vom Unterricht abraten? Klar, er macht kaum Fortschritte. Aber er hat nur 2x gefehlt, wegen Corona.

    In diesem Moment sehe ich den Lehrer als Dienstleister. Er kriegt Geld dafür, mit dem Typen ein bisschen rum zu daddeln, und beide Seiten haben keine großen Erwartungen.

    Und beide haben Spaß. Ich finde das überhaupt nicht verwerflich. Mein Lehrer sagt, dass dadurch auch viel Abwechslung in seinen Unterricht kommt. Ich glaube, er fände es langweilig, wenn da ein "Streber" dem nächsten "Streber" die Klinke in die Hand geben würde.

    Er hat z.B. auch einen jungen Kerl, der kommt alle paar Wochen aus Köln und bucht sich dann den gesamten Samstag. Die beiden gehen zwischendurch was essen, und ansonsten trommeln sie den ganzen Tag herum. Ich finde so etwas klasse!

    "Ambition is a dream with a V8 engine" - Elvis Presley

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