Moinsen, Wochenende steht an, Zeit zum Schwafeln.
Kleiner Flashback:
Radio düdelt. "Rosanna" von Toto läuft - mal wieder. Ich habe mich schon immer gefragt: achten/wertschätzen nur Drummer das Gefrickel von Porcaro bei dem Lied? Oder hört das Otto-Normalverbraucher auch? Ich mache die Probe aufs Exempel. Frage meine Frau, was sie als Rhythmus hört.
- Dum dudum ta dum ta.
Das war's ... Das Hihat-Gefrickel - nicht aufgefallen. Die Ghostnotes - nicht aufgefallen.
Frage bei Bandkollegen - selbes Ergebnis, wenn man sie nicht genau drauf stößt.
Frage bei musikalisch interessierten Freunden - selbes Ergebnis, wenn man sie nicht auf das Gefrickel direkt hinweist.
Ich höre nochmal hin, Kopfhörer auf,... hört man doch deutlich! Oder nicht?
Monate später:
Ringos All-Starr-Band: Lukather ist mit an Bord, Ringo spielt zum Song - einfach. Kein Gefrickel bei Ringo. Geradlinig wie immer. Klingt gut, präsent, auf den Punkt. Dass Gregg Bisonette den Beat parallel dazu "richtig" neben Ringo spielt, sieht man zwar, merkt man im Mix aber nur Anfangs, wo Ringo nicht einsteigt. Ist Ringo erstmal drin, übertüncht er Bisonette weitgehened. Klingt trotzdem alles total solide. Ohne deutlich hörbares Gefrickel.
Monate später:
Ich lese ein Interview mit Barlow Barriemore von Jethro Tull. Er erklärt, dass das, was er damals für Jethro Tull gespielt hatte "over the top" war. Zu kompliziert, zu viel Gefrickel im Nachhinein betrachtet. Weniger hätte gereicht. Ich denke mir beim Lesen: Stimmt das? Klingt es mit weniger Gefrickel genausogut? Ist es die Weisheit des Alters, dass man nicht "so sehr in die vollen" gehen muss, damit ein Song gut klingt? Würde Porcaro "Rosanna" heutzutage auch mit weniger Gefrickel spielen, angenommen, der Song wäre "ganz neu"? Oder würde er seinen Part nochmals genau so komponieren?
Wieder viel später:
Herbie Hancock CD wandert in die Stereoanlage. New York Minute ... lange nicht gehört. Jahrelang, um genau zu sein. DeJohnette frickelt wie wild am Schlagzeug. Ich frage mich beim Hören, ob weniger nicht auch gereicht hätte, ohne dass die Version etwas verliert, vielelicht sogar noch etwas gewinnt? Mehr Luft. Weniger ist mehr quasi. Wird ja oft gesagt. Ich nehme die Aufnahme mit in den Proberaum und probiere es aus, spiele "Lalala" dazu... Klingt in meinen Ohren auch nicht unbedingt schlechter. Grooviger, anders. Aber gut, entspannter. Inzwischen spielt DeJohnette, zumindest auf seinen neueren Einspielungen, auch ruhiger als damals, anno 1997. Hmmm... Würde er New York Minute heute, etwa 25 Jahre später nochmals so einspielen?
Rückblende:
1977/78, Ketih Moon werden etliche Toms und eine Bassdrum im Studio weggenommen, um auf der "Who Are You"-Platte fokussierter, reduzierter zu spielen. Es hat der Platte verdammt gut getan. Aber es war ein externer, der dass erkannte, nicht Moon sebst (War vermutlich auch zu besoffen, aber ... egal)
1982 ... Weather Report: Peter Erskine frickelt 1978 Ghostnote um Ghostnote... 40 Jahre später, spielt er viel ruhiger, relaxter, weniger Noten, mehr Luft. Und es klingt immer noch wunderbar.
Phil Collins musikalisch betrachtet erfolgreichsten Werke sind nicht die frickeligen frühen Genesis-Sachen sondern die geradlinigeren, tighteren seiner späteren Jahre. Würde Collins späteres, reduzierteres Spiel noch mit den frühen Genesis-Sachen kompatibel sein? Würde er heutzutage die frühen Genesis-Sachen anders einspielen, reduzierter?
Was mich also interessiert, bzw. was - so finde ich - einer Diskussion würdig ist, ist folgendes:
Tendieren wir als Schlagzeuger in "jüngeren Jahren" vielleicht dazu, teils zu viel Noten in manche Lieder einzubauen, uns unnnötig komplexe Dinge auszudenken, Dinge, die gar nicht notwendig sind, damit das Lied gut klingt?
Und, wenn ja, bedarf es erst vielleicht gewisser "Reife/Erfahrung", um das zu erkennen und seine eigene Herangehensweise zu ändern? Oder ist es einfach den sich ändernden Hörgewohnheiten geschuldet, den sich änderndem Geschmack, dass man auch als Schlagzeuger sagt: Ja, war damals vielleicht ein wenig over the top...?
Und: Lohnt es überhaupt, sich so ausführlich Gedanken um komplexe Grooves zu machen (siehe Rosanna), wenn die Nuancen im Endeffekt eher wenige im Publikum bewusst, eigentständig wahrnehmen und statt dessen auf Bum Tschakk viel besser reagiert wird?
Haben Schlagzeuger eventuell gar den Hang, sich selbst zuweilen als zu wichtig zu sehen im Gesamtkontext?
Ich vermute ja manchmal, wenn ich so zurückblicke und nachdenke, manch einer von uns beschwert sich manchmal vielleicht zu sehr (und unnötig) darob, dass wir "zu wenig Wertschätzung als Musiker" von Mitmusikern erfahren - und versuchen diesem Gefühl mangelnder Anerkennung mit komplexem Spiel zu begegnen, zu zeigen: "Ist ja doch nicht so einfach, das machst du nicht so leicht nach. Also mehr Respekt bitte."
...
Und dann komt ein Steve Jordan um die Ecke geschlumpft, spielt einen "simplen" Groove, aber so auf den Punkt, dass alle doch staunen... Wie sagte er doch: "You need confidence for playing simple". Ringo würde sicher lächeln und sagen: "Cool baby".
PS: Ich spiele auch unfrickeliger als früher. Fühle mich deswegen jetzt auch nicht unbedingt minderwertiger.