Denken und spielen wir zuweilen zu komplex?

  • Moinsen, Wochenende steht an, Zeit zum Schwafeln. :)


    Kleiner Flashback:


    Radio düdelt. "Rosanna" von Toto läuft - mal wieder. Ich habe mich schon immer gefragt: achten/wertschätzen nur Drummer das Gefrickel von Porcaro bei dem Lied? Oder hört das Otto-Normalverbraucher auch? Ich mache die Probe aufs Exempel. Frage meine Frau, was sie als Rhythmus hört.

    - Dum dudum ta dum ta.

    Das war's ... Das Hihat-Gefrickel - nicht aufgefallen. Die Ghostnotes - nicht aufgefallen.

    Frage bei Bandkollegen - selbes Ergebnis, wenn man sie nicht genau drauf stößt.

    Frage bei musikalisch interessierten Freunden - selbes Ergebnis, wenn man sie nicht auf das Gefrickel direkt hinweist.

    Ich höre nochmal hin, Kopfhörer auf,... hört man doch deutlich! Oder nicht?


    Monate später:

    Ringos All-Starr-Band: Lukather ist mit an Bord, Ringo spielt zum Song - einfach. Kein Gefrickel bei Ringo. Geradlinig wie immer. Klingt gut, präsent, auf den Punkt. Dass Gregg Bisonette den Beat parallel dazu "richtig" neben Ringo spielt, sieht man zwar, merkt man im Mix aber nur Anfangs, wo Ringo nicht einsteigt. Ist Ringo erstmal drin, übertüncht er Bisonette weitgehened. Klingt trotzdem alles total solide. Ohne deutlich hörbares Gefrickel.


    Monate später:

    Ich lese ein Interview mit Barlow Barriemore von Jethro Tull. Er erklärt, dass das, was er damals für Jethro Tull gespielt hatte "over the top" war. Zu kompliziert, zu viel Gefrickel im Nachhinein betrachtet. Weniger hätte gereicht. Ich denke mir beim Lesen: Stimmt das? Klingt es mit weniger Gefrickel genausogut? Ist es die Weisheit des Alters, dass man nicht "so sehr in die vollen" gehen muss, damit ein Song gut klingt? Würde Porcaro "Rosanna" heutzutage auch mit weniger Gefrickel spielen, angenommen, der Song wäre "ganz neu"? Oder würde er seinen Part nochmals genau so komponieren?


    Wieder viel später:

    Herbie Hancock CD wandert in die Stereoanlage. New York Minute ... lange nicht gehört. Jahrelang, um genau zu sein. DeJohnette frickelt wie wild am Schlagzeug. Ich frage mich beim Hören, ob weniger nicht auch gereicht hätte, ohne dass die Version etwas verliert, vielelicht sogar noch etwas gewinnt? Mehr Luft. Weniger ist mehr quasi. Wird ja oft gesagt. Ich nehme die Aufnahme mit in den Proberaum und probiere es aus, spiele "Lalala" dazu... Klingt in meinen Ohren auch nicht unbedingt schlechter. Grooviger, anders. Aber gut, entspannter. Inzwischen spielt DeJohnette, zumindest auf seinen neueren Einspielungen, auch ruhiger als damals, anno 1997. Hmmm... Würde er New York Minute heute, etwa 25 Jahre später nochmals so einspielen?


    Rückblende:
    1977/78, Ketih Moon werden etliche Toms und eine Bassdrum im Studio weggenommen, um auf der "Who Are You"-Platte fokussierter, reduzierter zu spielen. Es hat der Platte verdammt gut getan. Aber es war ein externer, der dass erkannte, nicht Moon sebst (War vermutlich auch zu besoffen, aber ... egal)


    1982 ... Weather Report: Peter Erskine frickelt 1978 Ghostnote um Ghostnote... 40 Jahre später, spielt er viel ruhiger, relaxter, weniger Noten, mehr Luft. Und es klingt immer noch wunderbar.


    Phil Collins musikalisch betrachtet erfolgreichsten Werke sind nicht die frickeligen frühen Genesis-Sachen sondern die geradlinigeren, tighteren seiner späteren Jahre. Würde Collins späteres, reduzierteres Spiel noch mit den frühen Genesis-Sachen kompatibel sein? Würde er heutzutage die frühen Genesis-Sachen anders einspielen, reduzierter?


    Was mich also interessiert, bzw. was - so finde ich - einer Diskussion würdig ist, ist folgendes:

    Tendieren wir als Schlagzeuger in "jüngeren Jahren" vielleicht dazu, teils zu viel Noten in manche Lieder einzubauen, uns unnnötig komplexe Dinge auszudenken, Dinge, die gar nicht notwendig sind, damit das Lied gut klingt?


    Und, wenn ja, bedarf es erst vielleicht gewisser "Reife/Erfahrung", um das zu erkennen und seine eigene Herangehensweise zu ändern? Oder ist es einfach den sich ändernden Hörgewohnheiten geschuldet, den sich änderndem Geschmack, dass man auch als Schlagzeuger sagt: Ja, war damals vielleicht ein wenig over the top...?


    Und: Lohnt es überhaupt, sich so ausführlich Gedanken um komplexe Grooves zu machen (siehe Rosanna), wenn die Nuancen im Endeffekt eher wenige im Publikum bewusst, eigentständig wahrnehmen und statt dessen auf Bum Tschakk viel besser reagiert wird?


    Haben Schlagzeuger eventuell gar den Hang, sich selbst zuweilen als zu wichtig zu sehen im Gesamtkontext? :/


    Ich vermute ja manchmal, wenn ich so zurückblicke und nachdenke, manch einer von uns beschwert sich manchmal vielleicht zu sehr (und unnötig) darob, dass wir "zu wenig Wertschätzung als Musiker" von Mitmusikern erfahren - und versuchen diesem Gefühl mangelnder Anerkennung mit komplexem Spiel zu begegnen, zu zeigen: "Ist ja doch nicht so einfach, das machst du nicht so leicht nach. Also mehr Respekt bitte."


    ...


    Und dann komt ein Steve Jordan um die Ecke geschlumpft, spielt einen "simplen" Groove, aber so auf den Punkt, dass alle doch staunen... Wie sagte er doch: "You need confidence for playing simple". Ringo würde sicher lächeln und sagen: "Cool baby". 8)


    PS: Ich spiele auch unfrickeliger als früher. Fühle mich deswegen jetzt auch nicht unbedingt minderwertiger.

    "You don't have to show off" - Peter Erskine

  • Haha, Moe!


    Da hast du ein riiiiesen Fass aufgemacht, denke ich.


    Ich glaube dass ein großer Teil der Hörer nicht hört, was da gespielt wird. Das Gefrickel bei Rosanna hab ich erst gehört, als ich mich damit auseinandersetzen musste, ehrlich.


    Ich spiele wenig Gefrickel. Nicht wegen Alter, sondern weil ich es nicht kann und auch für meine Art Musik unnötig ist.


    Aber deswegen darauf verzichten?

    Die Frage ist doch:

    Wird ein Song dadurch besser oder vielleicht gravierend anders? Warum denn nicht Mal einbauen, was technisch möglich ist?


    Ich glaube Mal gelesen zu haben, das Ghostnotes nicht gehört werden, wenn sie da sind, sondern, wenn sie nicht da sind. (oder so ähnlich)


    Ich bin gespannt, was da noch so kommt.

    Es gibt so viel gute Musik auf der Welt.. ..da muss ich doch nicht Musik hören, die "gar nicht so schlecht" ist. - Hennes M. aus C


    Ich

  • Klare Antwort: Es kommt darauf an. :)

    Manches ist charakteristisch und wichtig, manches subtil aber passend, manches unnötig und manches zu viel,...


    Tatsächlich ist mir in letzter Zeit aber auch aufgefallen, wie wenig mein Unterbewusstsein bei Liedern auf andere Instrumente hört. Oder anders: Mein Hirn zerlegt Musik automatisch in Melodie + Schlagzeug + Rauschen (oder nennen wir es Begleitung ;-)). Wenn ich mich nicht darauf konzentriere und die Stimmen nicht sehr prägnant oder charakteristisch sind, höre ich bei vielen Liedern zuerst mal die Summe aus Gitarre, Bass, Keyboard, etc. So wie es bei der Komposition eigentlich ja auch gedacht ist. Dann kann ich aber von anderen auch schlecht erwarten, dass sie gerade den spektakulären, eigentlich überhaupt nicht zu hörenden Schlag auf die Snare nach dem Backbeat bemerken und wertschätzen.

    Ein befreundeter Tontechniker sagte letztens als Feedback zu einer unserer Aufnahmen, dass er die Rassel auf dem Backbeat für deutlich zu laut halte. Daraufhin sagten meine Bandkollegen, dass sie die Rassel gar nicht bemerkt hatten...

    "Just beat the devil out of it." - Bob Ross

  • hm, interessantes Thema!
    Also meine Gedanken dazu, da ich ja die meiste Zeit meines Lebens noch Otto-Normalverbraucher war und erst seit kurzem Schlagzeuger:


    Ich sehe da 2 Punkte:

    1) so wie du schon festgestellt hast, hört Otto-Normalverbraucher das nicht raus. Aaaaber: würde es fehlen, würde Otto-Normalverbraucher den Unterschied wohl schon hören oder zumindest fühlen/wahrnehmen (zumindest wenn Otto es direkt im Vergleich hört). Ich denke, das ist wie beim Bass. Bassisten sind ja zuweilen auch eher frustriert, weil man sie kaum wahrnimmt, ja sie sogar manchmal als die am wenigsten notwendigen Bandmitglieder betrachtet. Doch wenn der Bass nicht da ist, fehlt was. Das ist mehr so ein nicht-bewusstes Hören/Wahrnehmen.
    Klar, gefällt der Song auch ohne Gefrickel, aber das gewisse etwas - die Würze - ist das Gefrickel meist schon. Manchmal kanns natürlich auch ZU viel sein, aber in den von dir angesprochenen Beispielen wohl eher nicht.


    2) spielen junge Schlagzeuger zu viel?
    Jein. Ich denke - und das ist etwas, was ich laaaangsam bei mir beginne festzustellen, obwohl ich noch sehr weit von "zu viel" entfernt bin - dass man, sobald man etwas "kann" oder halbwegs kann, nicht nur anderen zeigen will, dass man es kann, sondern auch sich selbst. Das ist schon irgendwie befriedigend, wenn man was schafft, was man vor einiger Zeit noch nicht geschafft hätte.

    Im Laufe der Jahre wird dieses Gefrickel möglicherweise (so weit bin ich noch lang nicht ;) ) so selbstverständlich, man betrachtet es nicht mehr als etwas besonders schwieriges, sodass es inflationär wird und man lässt es weg. Oder wird einfach zu faul :D weniger ist zwar oft mehr, aber nicht immer. Jedenfalls verändert es den Charakter des Grooves, das Feeling des Songs, wenn man weniger Gefrickel spielt. Das eine ist weder besser noch schlechter als das andere. Es ist halt einfach anders. Ich glaub nicht, dass es per se was mit dem Alter zu tun hat, sondern einfach mit der laaaaangjährigen Erfahrung (eben, dass es inflationär wird, wenn man immer/jahrelang frickelt, für sich selbst). Oder so.


    Gibt sicher noch andere Ansätze/Gründe, aber das war mal das, was mir dabei durch den Kopf ging :)

    Lieber brennende Herzen, als erloschene Träume! <3 xxxx Love life, and live! - It's worth it.


    “You are never too old to set another goal, or to dream a new dream.” ― C.S. Lewis


    Don‘t waste your time or time will waste you. (Muse - Knights of Cydonia)

  • Ich glaube ja dass Ghostnotes nicht für den Hörer oder Tänzer bestimmt sind. Sie dienen allein dem Drummer die Zeiten zwischen den Noten auszufüllen um sich darauf abzustützen. Das es manche Drummer die Ghostnotes kultivieren verstehe ich auch, weil es einfach die Luft zum vibrieren bringt.


    Meine Gedanken dazu.


    -

  • Klare Antwort: Es kommt darauf an. :)

    Manches ist charakteristisch und wichtig, manches subtil aber passend, manches unnötig und manches zu viel,...

    So sehe ich das auch. Und auch dem

    wie du schon festgestellt hast, hört Otto-Normalverbraucher das nicht raus. Aaaaber: würde es fehlen, würde Otto-Normalverbraucher den Unterschied wohl schon hören oder zumindest fühlen/wahrnehmen (zumindest wenn Otto es direkt im Vergleich hört). Ich denke, das ist wie beim Bass. Bassisten sind ja zuweilen auch eher frustriert, weil man sie kaum wahrnimmt, ja sie sogar manchmal als die am wenigsten notwendigen Bandmitglieder betrachtet. Doch wenn der Bass nicht da ist, fehlt was. Das ist mehr so ein nicht-bewusstes Hören/Wahrnehmen.

    schließe ich mich an. Auch wenn Otto die Hihat und Ghosts nicht bewusst hört, nimmt er doch unbewusst das gesamte Paket wahr. Nur mit BD und Backbeat würde Rosanna einfach anders rüberkommen.


    Zum Thema Vielspielen: Gerade aktuell feiere ich einen Kollegen, der eine CD nur mit BD, HH, Sn und einem Crashride eingespielt hat - und es fehlt: nix. Klingt klasse, füllig, passend. Auch bei Sachen, die geradezu nach Toms schreien. Schön gegroovt und stets die Dynamik / Dramaturgie bedient. Daher war ich auch lange der (unbewussten) Ansicht, dass er da natürlich ein "ganzes" Set spielt. Er musste es erst erwähnen und ich die CD daraufhin zum ca. 70sten Mal hören, dass ich es merkte. Insofern: ja, wenig kann nach verdammt viel und richtig gut klingen.

  • Ich glaube zumindest bei den bekannten Drummern ist es auch eine wesentliche Frage welches musikalische Projekt gerade besetzt wird. Welche Anforderung bringen zum Beispiel neue Bandprojekte an das Spiel.


    Mein liebstes Beispiel ist der gute alte Mike Portnoy. Jeder kennt sein ausladendes Spiel bei Dream Theater.

    Wenn ich in aber mit Richie Kotzen und Billy Sheehan bei Winery Dogs höre kann ich es kaum glauben wie großartig und kompensiert sein Spiel mit kleinem Besteck werden kann. Absolut fantastisch und völlig mit den anderen beiden Herren im Groove.


    Weniger ist manchmal mehr. Das ist nicht nur eine Frage des Setups.

    Mir bleibt dabei besonders Gary Burke bei Joe Jackson in Erinnerung. Eine Dampfwalze ohne Schnörkel und Gefrickel. Man höre sich Body and Soul aus dem Jahre 1984 an. Ein wahnsinniges dynamisches Spiel.


    Ich selber halte es im Alter auch dezenter. Beim Bass mag ich es auch eher unspektakulär aber dafür schiebend und präsent!

  • Jein. Ich denke - und das ist etwas, was ich laaaangsam bei mir beginne festzustellen, obwohl ich noch sehr weit von "zu viel" entfernt bin - dass man, sobald man etwas "kann" oder halbwegs kann, nicht nur anderen zeigen will, dass man es kann, sondern auch sich selbst. Das ist schon irgendwie befriedigend, wenn man was schafft, was man vor einiger Zeit noch nicht geschafft hätte.

    Ja, verständlich und gerade da ist für mich auch die Frage: Spielt man es eigentlich, um sich selbst glücklich zu machen, um es anderen zu zeigen oder weil man wirklich(!) genau weiß, dass es dem Song gut tut. Viele der großen Hits so einiger namhafter Musiker sind ja eher enstanden, als diese noch relativ jung waren, ergo in die von dir beschriebene "Zeigen, was man kann" Phase fallen. Ian Paices größte Erfolge: als er jung war. John Bonham, Keith Moon, als sie jung waren, ebenso Porcaro (zwangsläufig. Alt sind die ja alle nicht geworden). Barlow Barriemore: Selbiges.

    ja, wenig kann nach verdammt viel und richtig gut klingen.

    Oh ja. Das muss man aber auch erstmal verinnerlichen und umsetzen lernen, denke ich.


    Dass manche Sachen vielleicht eher unterbewusst wahrgenommen werden - ein interessanter Aspekt. Mal sehen, was sich daraus noch ergibt.


    Und dass ich da ein Riiiiiesen-Fass aufgemacht habe - joah, ist mir bewusst. Aber die Diskussion kann ja durchaus spannend werden. ;)

    "You don't have to show off" - Peter Erskine

  • Dieses Thema begleitet mich, seit ich trommle.


    Meine früheren Trommel-Kollegen und ich haben uns zu dieser Zeit gegenseitig dermaßen angestachelt, dass Frickeln geradezu Pflicht war 8)

    Irgendwann rammte einige von uns dann die Erkenntnis, das Grooven auch ein wichtiges Element darstellte...

    Als dann auch noch so etwas wie Magie ins Spiel kam, wurde es dann richtig interessant.

    -----

    Ich weiß noch genau, wie "Rosanna" auf mich wirkte, als ich es zum ersten Mal gehört hatte, und ich muss leider zugeben, dass ich es nie geschafft habe, selbständig hinter das Geheimnis zu kommen, bis dann eines Tages das berühmte Tutorial von Jeff Porcaro im Netz auftauchte, wo er die Einzelelemente erklärte.

    Ich bin damals aus allen Wolken gefallen, wie "simpel" der Aufbau war...

    Okay, die Bassdrum war ja eindeutig herauszuhören, aber was oben herum passierte, war mir bis dahin nie klar:

    Ein (quasi umgekehrtes) ra-ta-ta - ra-ta-ta!!!

    - die "ta-ta's" deutlich aber dezent auf der HiHat, die "ra's" als leise Ghostnotes und dann noch mal eben 2 + 4 als laute Backbeats eingebaut -

    Das war es ja schon!

    Okay, Spielweise war auch nicht unwichtig... ;)

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    Dass man als Jungspund (zu)viel trommelt, liegt in der Natur der Sache - das verwächst sich spätestens dann automatisch, wenn man in einer Band anfängt.

    Diese Erfahrung haben wohl die meisten von uns gemacht oder man flog raus :D

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    Die schwierigste Übung ist wohl die Vereinfachung ohne den Drive zu verlieren...

    Auch eine Erfahrung, die man eines Tages machen kann, wenn man Steve Gadd einen Swing mit simplen 4/4 spielen sieht.

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    Das wär's mal eben in Kürze aus der Sicht eines Autodidakten. Mir fielen noch 1000e Baustellen ein, die mich geprägt haben.


    .

    Schöne Grüße - Rainer K. aus B. an der W.

  • Ja, verständlich und gerade da ist für mich auch die Frage: Spielt man es eigentlich, um sich selbst glücklich zu machen, um es anderen zu zeigen oder weil man wirklich(!) genau weiß, dass es dem Song gut tut. Viele der großen Hits so einiger namhafter Musiker sind ja eher enstanden, als diese noch relativ jung waren, ergo in die von dir beschriebene "Zeigen, was man kann" Phase fallen. Ian Paices größte Erfolge: als er jung war. John Bonham, Keith Moon, als sie jung waren, ebenso Porcaro (zwangsläufig. Alt sind die ja alle nicht geworden). Barlow Barriemore: Selbiges.

    hm, naja, vielleicht, weil die halt auch schon in jungen Jahren begonnen haben und halt meist auch der Rest der Band "anfangs" (das kann ruhig über viele Jahre gehen) noch enthusiastisch ist, was zu erschaffen, Ideen sprudeln nur so raus. Die Songs, mit denen die von dir genannten drummer berühmt geworden sind, sind ja nicht allein aufgrund des drummings solche Hits geworden, auch der Rest hat sich Mühe gegegeben. Und auch, wenn vielleicht viele der songs mit denen die die großen Erfolge hatten, nicht unbedingt technisch anspruchsvoll für die anderen Instrumente waren, ein guter Song muss ja nicht zwangsläufig virtuos gespielt sein, er muss den Leuten gefallen, ins Ohr gehen, die Radiostationen müssen den rauf und runter spielen usw. usf.

    Ich glaube also nicht, dass die größten Erfolge aufgrund des Drum-Gefrickels passiert sind. Beispiel "smoke on the water": ja, Ian Paice macht an manchen Stellen ein paar markante gefrickelte Fills, die man halt auch gut raushört als Zuhörer (nicht nur als Drummer), das klingt halt geil. Aber was "singen" alle, wenn sie smoke on the water hören? Bam bam baaaam bam bam babaaam, also im Grunde Melodie der verzerrten Gitarre, die jeder Hobbygitarrist als allererstes lernt :)


    Edith sagt, sooo gefrickelt sind die fills ja gar nicht, sind halt nur schnell (für Dany zumindest ;) )

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    “You are never too old to set another goal, or to dream a new dream.” ― C.S. Lewis


    Don‘t waste your time or time will waste you. (Muse - Knights of Cydonia)

  • Auch wenn Otto die Hihat und Ghosts nicht bewusst hört, nimmt er doch unbewusst das gesamte Paket wahr.

    Seh ich auch so. Es ist garantiert für einen normalen Zuhörer (also nicht Schlagzeuger oder nicht Musiker) vielleicht mit den Ghostnotes ähnlich wie beim Essen: Jemand kann z.B. nicht gezielt Estragon raus schmecken, wenn es aber fehlt, würde er es schon merken ;)

    (\_/)

    ( •,•)

    (")_(")

  • Ich denke, es ist immer entscheidend, was die Musik braucht. Wenn man einen guten Groove liefern soll, ist viel Gefrickel eher kontraproduktiv, dafür sind 4 on the floor bei vielen Sachen auch nicht die erste Wahl. Jedenfalls muss man sich aber zurücknehmen können, wenn es dem Groove dient, auch wenn es einen manchmal juckt. Ich habe - nach vielen Jahren vorwiegend Jazz, aber auch Weltmusik - die letzte Zeit mit einer Blues- und Funkband viele dazugelernt, nämlich wie förderlich es ist, sich ganz auf den Groove zu konzentrieren und eben auch mal lange Strecken straight und ohne Firlefanz zu spielen. Weniger ist eben oft mehr.

  • 1. Ich musste beim Titel sofort an Phil Collins Gefrickel während des Gitarrensolos auf "Firth of Fifth" und - kontrastiv dazu - an seinen 80er Minimalismus denken. Musste dann schmunzeln, dass du ihn tatsächlich auch erwähnst.


    2. Es ist auffällig, dass du sehr viele Bands aus der Prog-Rock und Jazz-Fusion Ära in den 70ern erwähnst. Damals war mehr tatsächlich mehr. Mein Vater war und ist total vernarrt in diese Musik, er legt dann gerne mal Billy Cobham Platten auf, die für mich nahezu unhörbar sind, obwohl ich kein Feind der vielen Noten bin. Ich denke, diese Phase war auch die Antithese zur vermeintlich noch sehr simpel gestrickten Rock-Musik der frühen 60er. Die Beatles sind für diese Entwicklung ja das Paradebeispiel, nur eben mit der Besonderheit, dass deren Musik komplexer wurde und trotzdem noch sehr eingängig und nie over-played war. In den 80ern folgte dann so eine Art Synthese wie ich finde, als die Musik wieder song-fokussierter wurde aber dennoch viel mit Synthesizern und Samplern/Sequencern herumexperimentiert wurde.


    3. Ja, sicherlich spielt man tendenziell mehr Noten wenn man jünger ist und hat noch mehr das Bedürfnis, andere beeindrucken zu wollen. Das sieht man ja nicht nur in der musikalischen Entwicklung. Ich finde, besonders talentierte Musiker bzw. Songwriter erkennt man daran, dass sie schon in sehr jungen Jahren dieses Gespür für genau die richtige Dosierung gespielter Noten besitzen. Wenn ich mir anhöre, was ich noch Anfang 20 auf Aufnahmen so getrommelt habe, wird mir stellenweise ganz anders. Da werden an völlig unpassenden Stellen plötzlich die Splash-Skills oder Gospel-Chops ausgepackt... gruselig.


    4. Deine Keith Moon Story zeigt, wie unglaublich wichtig ein guter Producer sein kann. In der heutigen Zeit ist Rick Rubin dafür ein Paradebeispiel. Hört euch mal die Alben von Chili Peppers (Uplift Mofo) oder System of a Down (self-titled) aus der Pre-Rubin-Ära an und danach, was er aus diesen Künstlern gemacht hat (Blood Sugar Sex Magik, Toxicity).

  • Bei mir ist es definitiv so, je länger ich Schlagzeug spiele, desto weniger "ausgefallenen" Kram will ich einbauen.


    Das liegt bei mir aber nicht allein daran, dass ich technisch dem "weniger ist mehr" Prinzip verhaftet bin, sondern am Ende einfach nur ein Hobbydrummer in einer Hobbyrockband bin und neben dem Drumming auch noch gefühlt tausend andere Interessen habe. Da ist bei mir mittlerweile einfach ein Level erreicht, wo ich für wirkliche Finessen sehr viel mehr Aufwand als die paar Stunden pro Woche Üben reinstecken müsste.


    So nutze ich die Zeit lieber, um das Level, das unseren Songs und unserem Sound dienlich ist, zu festigen und verfeinern anstatt mir Gedanken zu machen, mit welchem Überdrummer ich mich als nächstes messen möchte.


    Meine kurze Antwort, wenn mich immer mal jemand fragt, warum ich mit so einem relativ "kleinen" Schlagzeug und nicht auf einer Ballerburg mit zig Toms und Becken spiele ist dann meistens auch: "Mit so viel Kram kann ich gar nicht umgehen". Ein weiterer Spruch, der sich bei mir unter Kumpels dazu auch eingebürgert hat: "Double Bass ist Drecksarbeit!" :D

  • Niles hat einen wichtigen Punkt angesprochen und das ist gerade bei Aufnahmen ein guter Produzent, der eben nicht auf die einzelnen Instrumente sondern auf den Song hört. Da kann es auch mal sein, dass man um jeden Beckenschlag und jede Ghostnote kämpfen muss und den Kampf auch verliert ;) Gerade solche Erfahrungen und überhaupt Aufnahmen bringen einen dazu jeden Schlag in Frage zu stellen um das Optimum für den Song rauszuholen. Mir hat das auf jeden Fall geholfen und auch zur Reduktion geführt....

    Fazit: Wenn ich heute was aufnehmen hinterfrage ich meist selbst jeden Schlag und lasse so einiges Weg ;)

  • ja, wenig kann nach verdammt viel und richtig gut klingen.


    ....hat sich sicher ein gewisser Phil auch immer gesagt.

    Und dass ich da ein Riiiiiesen-Fass aufgemacht habe - joah, ist mir bewusst.

    Hab ja nicht gesagt, dass das schlecht ist. :)


    Ich glaube aber tatsächlich, dass die wenigsten dieser "Frickler" sich gesagt haben, dass sie jetzt da so viel wie möglich rein packen, sondern einfach für sie selbst das bestmögliche für den Song ist/war.

    Es gibt so viel gute Musik auf der Welt.. ..da muss ich doch nicht Musik hören, die "gar nicht so schlecht" ist. - Hennes M. aus C


    Ich

  • Also ich mag nach wie vor meine Ballerburg..Aber nachdem ich nach mehrjähriger Pause jetzt wieder angefangen habe zu trommeln, stell ich fest daß ich wenn ich zu Songs spiele viel mehr drauf achte was songdienlich ist bzw. warum spielt der Drummer XY das so? Und stelle immer öfter fest daß weniger dann mehr ist..Die Ballerburg dient eher dazu alles abdecken zu können..

    Wenn man Vulfpeck oder La Brass Banda so ankuckt stellt man fest daß im Grunde BD, Snare und HiHat reichen...wenn mans kann. Und es durchaus reizvoll auch mal nur mit diesem Setup zu spielen...wobei man da dann auch das frickeln anfängt...aber ich sehe das dann eher kreativ und letztendlich lernt man ja dadurch...

  • Ja, das Gefrickel der jungen Leute….


    Es gibt ja songdienliches Gefrickel, und solches, wo man sich fragt, ob es nicht ohne besser gewesen wäre. Ein Oberfrickler, der aber seine gesamte Band durch das Gefrickel erst zu dem gemacht hat was sie ist: Stewart Copeland. Die Groove-Ideen machen Police einfach aus. Und das ist eben die Kunst. Wenn es der Musik dient, und es trotzdem tight dargeboten wird, ist es toll. Dass Barlow meinte er hätte zu viel gemacht, finde ich interessant. Auf der Live-Doppel-LP von 1980 spielt er viel, aber es passt fantastisch zur Musik. Frickeln muss man technisch können, und man muss es anwenden können. Das Gegenbeispiel ist Keith Moon. Da kamen kaum Groove-Ideen, das waren einfach nur viele Schläge, auch an unpassenden Stellen. Typisches Problem von Viel hilft viel. Gerade in der 80er Fusion-Zeit musste es ja viel sein, das war ja Erkennungszeichen der Musik. Und auch so Leute wie Mitch Mitchell haben viel zu viel gewurschtelt, aber damals machte man das eben auch so.


    Ich selber war nie ein Frickler, ich kann es nicht gescheit. In meiner Band muss ich es auch nicht, da ist tightes, einfacheres Spiel besser, das liegt mir auch. Meine Jugendsünde war das sinnlose Einstreuen von DB-Geratter, nicht tight und auch nicht nötig, aber wenn man zwei Basshupen hat. 80er Hardrock halt. Heute hab ich nur ein Pedal, das geht deutlich besser auf den Punkt. Wobei ich gut komponierte Drum-Parts immer noch toll finde. 50 Ways, Rosanna, vieles von Peart, ja sogar die Strebermusik von Anika Nilles. Da passt es hin, und die können es eben auch. Und darauf kommt es an.

    667 - The Neighbour Of The Beast!!

  • Eins frage ich mich...wir am Schlagzeug wollen also mit weniger Gefrickel auskommen, also unser "Können" hinterm Berge halten?

    Wobei Gefrikel immer relativ ist und eine Sache des Standpunktes ist.

    Was ist überhaupt Gefrickel?

    Wollen mal hoffen, dass nicht auch der Gitarrist, der Bassist oder der Gesang um die Ecke kommen und wollen auch weniger frickeln ;)

    Weniger wäre dann..........................


    Klar, muss die Musik das bekommen was es braucht und das ist in meinem Universum nun mal das, wie ich die Musik empfinde.

    Und so spiele ich auch. Kann auch von der Tagesform abhängig sein und vor allen Dingen worauf der Focus liegt. Will ich ein Drumcover hören, dann will ich es auch rumpeln hören. Dann interessier mich ein musikdienliches Spielen nicht so sehr. Habe ich das Gefühl da gehört eine Ghost Note, eine Synkope, eine Note mit viel Gefühl betont oder auch eine Pause hin, dann spiele ich es so. Mit den Dingen jonglieren, die einen selbst am Schlagzeug ausmachen und was man auch damit machen kann.

    Wir haben verdammt noch mal eine besondere Stellung in dem Gefüge und dem sollten wir auch gerecht werden ;)


    Gebe allerdings zu, dass man darauf achten muss was man bedient. Verdiene ich mein Geld damit, dann sieht die Sache ganz anders aus.

    Für mich ist es ein schönes Hobby und so will ich es auch erleben.


    Schmeiße einmal eine Song ein den ich gerade höre. Jinjer Wer jetzt sagt, dass man Ghostings ruhig weg lassen kann....-Nö, nö lieber nicht drüber nachdenken.

    Gerade hier hört man jeden Musiker und jedes Instrument gut heraus. Hier ganz auffällig, dass man im Kreis zueinander steht. Keiner steht vorne oder drängt sich mir seinem "Tun" auf.

    Auf der einen Seite diene ich mit meinem Spiel der Musik-auf der anderen Seite, aber möchte ich als eigenständiges Musikinstrument meine Freiheiten ausleben.


    Ich war selbst ein absoluter Beatles-Fan, bis zu dem Tag als ich die Sticks in die Hand nahm. Ab da an war ich eben kein Ottonormalverbraucher mehr.

    Ich hab so ziemlich jede Musikrichtung durch und hat sich bis heute vom Geschmack her sehr verändert bzw. durchaus auch vermischt.

    Finde auch heute noch in vielen Dingen Sachen, die für mich als Schlagzeuger interessant sind.

    Was würde ich wohl heute hören, wenn ich kein Schlagzeug spielen würde. Eine Genre, die hier nicht genannt werden sollte (Schlager) vielleicht.


    Smoke on The Water...würde man diesen Song anhand des Schlagzeuges raushören können? Der markante typisch Anfang, der so richtig Bock macht.

    Die triolischen Figuren innerhalb des Songs. Hätte fast vor Begeisterung laut gerufen "Da ist ja ein "Herta" drin". War leider aber keiner ;(

    Die Akzente, die in den 16teln auf der HiHat (später auch auf der Snare) gespielt werden, verleihen dem Ganzen ein gewisses etwas.

    Dieser Song war im übrigen einer der wenigen, den ich zusammen mit meiner Schwester (Querflöte und Harfe) vor gut 30 Jahren, am Schlagzeug performt habe.


    Auch die Erfahrungen mit nicht ganz so typischen Instrument-Konstellationen möchte ich nicht missen. Zusammen mit meiner Schwester und auch im Musikunterricht in der Schule durfte ich so einiges mitnehmen.


    Ich kann nur für mich sprechen. Je mehr ich mir drauf schaufel, desto mehr packe ich auch rein. Nicht von der Anzahl der Noten her, sondern von der Seiter her, was ich der Musik mit meinem Können mitgeben kann. Geübte Rudiments und Subdivisionen, die vielleicht nicht ganz so typisch sind, versuche ich auch anzuwenden. Wofür übe ich denn schließlich den ganzen "Mist".


    Ich bin in jungen Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen. Jetzt bin ich "Opa" und frickel deutlich mehr als damals. Habe jetzt ja auch viel mehr auf dem Kasten zum frickeln ;) Hoffe auch, dass sich das nie ändern wird.


    "Weniger ist manchmal mehr" hat durchaus seinen Reiz. Man kann auch auf einem Practice-Pad ein Ferkel fliegen lassen.

  • So lang und schön aufgerollt dein Anfangspost ist, Moe, so kurz wage ich ihn zu beantworten: Geschmackssache! ^^


    Plus ein Gedanke: Ich finde, wir Drummer spielen doch nicht "nur" für den "normalen" Musikhörer, genausowenig, wie

    wir nur für Drummer oder eine sonstige Kategorie von Hörern spielen. Wir spielen für alle, UND wir spielen für den

    Song UND auch für uns selbst :D. Insofern ist es schwierig zu werten, vor allem, wenn das Thema Geschmack mitspielt.

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