Ohren auf beim Beckenkauf

  • Ohren auf, Augen zu. Davon sollte man bei Instrumenten erstmal ausgehen. Beschreibungen und schöne Bilder sind ja prima für eine Kleider- oder Pizzabestellung, aber bei einem Becken könnt und müsst ihr die Schwingungen hören und den Anschlag spüren.


    Die nötige Erfahrung wächst erst mit den Jahren und ich kann mich gut daran erinnern, wie ich als Teenager null Ahnung hatte, was denn nun für mich infrage kommt, obwohl es damals noch viele tolle Trommelläden gab, wo man die Teile ausprobieren konnte. Aus der Not heraus schoss ich mich auf eine Marke ein, die einer meiner Heroes immer spielte. Das könnte vielleicht eine einfache Marketingfalle sein – allerdings besaß besagter Hero meine Gunst ja auch, oder besonders deshalb, weil mir gefiel wie er spielte und wie er klang. Ich hatte mich also schon bewusst oder unbewusst für einen Klang begeistert und entschieden.


    Fazit: Anstatt im Internet nach den tollsten Becken der Welt rumzugoogeln, Ohren aufsperren und Musik hören!


    1. Nach Lieblingssongs, Lieblingsplatten, Trommlern, die man gut findet, suchen.


    2. Dann aber endlich Google! Schaut nach, welche Marke und (falls möglich) welche speziellen Becken beim Song oder beim Spieler allgemein zum Einsatz kommen. Damit habt ihr die Sache schonmal erheblich eingegrenzt.


    3. Nehmt euch den Samstag frei und macht nen Ausflug ins nächste Musikgeschäft (es gibt noch ein paar echte).


    4. Probiert diese Becken, oder ähnliche aus. Lasst euch vor Ort beraten!!!


    5. Kauft euch ein Becken, wenn es euch gefällt – bitte denkt gar nicht daran, das Modell im Laden zu probieren und es dann online woanders zu bestellen. Erstens ist das natürlich nicht fair und außerdem klingt jedes Becken, egal ob gleicher Hersteller/gleiche Serie/gleicher Herstellungstag, ein bisschen anders.


    Wenn das nicht klappt oder nicht euer Weg ist, kann man sich auch immer Leute wie mich wenden, die sich schon viel damit beschäftigt haben und die man fragen kann. z.B.: “Hallo Andi, bei der Aufnahme “The Dope” von der Gruppe “Lamelame” höre ich ein ultracooles Crashbecken. Ich finde dazu aber überhaupt keine Infos. So ein Becken hätte ich gerne. Wie finde ich das? Gruß, Gisela”.
    Und ich schreibe dann z.B.: “Liebe Gisela, das könnte ein 16 Zoll Becken sein. Bei folgenden Firmen mit der jeweiligen Serie findest du höchstwahrscheinlich etwas, das dir gefällt: Paiste – Alpha Serie Metal Crash 16″, oder Zildjan A-Series Heavy Crash 16″…usw., einen ähnlichen Sound bekommst du allerdings auch wenn du beim Becken XY (das wesentlich günstiger ist) ein Stückchen Filz in die Beckenkuppe klebst. Gruß, Andi”.


    Meine Becken wurden übrigens alle für sich ein bisschen von mir gepimpt, damit sie mir gefallen. Hier ein Stückchen Gaffer-Tape, da ein Loch gebohrt…alles ist möglich, hauptsache dein eigener Sound gefällt dir!

  • Ich bin völlig bei Dir, dass man auf seine Ohren vertrauen sollte. Allerdings weiß ich nicht, ob produzierte Aufnahmen ein guter Ratgeber sind, denn Becken können durch eine handvoll EQ-Eingriffe doch drastisch im Klang verändert werden. Ich war baff, wie gut z.B. die Meinl MCS-Serie auf den Demo-Videos von Meinl klingt. Wenn man die ganzen unangenehmen Frequenzen ordentlich rausdreht, klingen die richtig professionell. Aber im Proberaum gestaltet sich das dann doch sehr anders...

    Nix da.

  • Bei den Punkten 1.) und 2.) bin ich (mittlerweile) auch eher skeptisch: Never trust recorded Sounds. Ich halte z.B. auch "Stimmvideos" für totalen Schwachsinn, weil das sind halt aufgenommene Klänge und damit per Default verfälscht.

    Wenn man das Knie sieht, ist die Bassdrum zu klein!

  • Die Erfahrung wächst meines Erachtens lediglich ansatzweise durch Hören im Laden, viel mehr aber durch Käufe und Fehlkäufe.


    Als Teenager hatte ich meine Meinl Marathons satt und bin losgerannt um mir 2002 Power Crashes und ein Power Ride zu kaufen. Amtliche Wahl für einen Nicko McBrain Fan. Meine ersten Profi-Becken! Der Verkäufer im Laden war ebenfalls Nicko-Fan und fand die Becken auch super. ^^ Tja... natürlich war das ein Fehlkauf, und gleichzeitig der Beginn einer langen Reise. Diese Reise muss aber jeder selbst antreten.


    Dieser Thread ist nett gemeint, wärmt aber auch nur in oberflächlicher Form auf, was hier im DF jahrelang im Kreis geplaudert wurde. Becken sind ein endloses Thema. Aber das macht die Reise ja so interessant. :)

    Das ist fein beobachtet!

  • da ein Loch gebohrt…


    Nur als Ergänzung noch der Hinweis für einen evtl. Wiederverkauf, dass man damit ein Becken ziemlich entwerten kann (auch wenn die Bohrung/en gut ausgeführt ist/sind). Und je nach Becken und Ausführung kann eine Bohrung auch für Risse förderlich sein. ;)


    Ach ja, und: im Laden fragen, ob man es mal zuhause am Set testspielen darf. Es ist immer wieder erstaunlich, wie stark sich "solo" im Laden angespielte und für gut befundene Klänge bzw. Höreindrücke am Set, im Zusammenklang mit dem Rest, ändern können.

  • Ich kaufe meine Becken immer im Laden!
    Da suche ich mir dann z.B. vier 16“ Becken (in einer Preisklasse!) aus, gucke dann weg und lasse jemand anderen die Becken anschlagen.
    Die Wahl fällt dann schon manchmal sehr überraschend aus!
    Letztes Mal habe ich mich für meine Proberaumbecken auf die B20 Fame Becken (Crashes) entschieden! Oder auch schonmal mir völlig unbekannte Marken: „Supernatural“ hatte ich vorher nie gehört! Aber die Splashes und Chinas sind grandios!


    Mick

    DON`T PLAY THE DRUMS - PLAY THE BAND!

  • Super Reaktionen! Danke.
    Zum Rausfiltern der "anstrengenden " Frequenzen durch EQs:
    Es geht mir hier um professionelle Musikaufnahmen und keine YouTube-Reviews.
    Man kann mit Soundtechnik natürlich wahnsinnig viel verändern. Im Guten wie im Schlechten.
    Bei einer einigermaßen guten Studioproduktion kann man davon ausgehen, dass sich der Mensch am Set und der am Pult
    überlegt haben, welche Becken für den Song am besten passen. Da ist also vermutlich schon eine Vorauswahl passiert.
    Wenn man dann auch noch irgendwo die Credits findet, wo tatsächlich die Cymbals aufgelistet sind, kann man auch davon ausgehen,
    dass der Grundsound durchaus Absicht ist.
    Trotzdem kommt jetzt unabdingbar der Moment, wo man so ein Teil ausprobieren muss.
    Bei Nicko sind die 2002 Powercrashes mega geil, weil alle "anstrengenden" Frequenzen von den Gitarrenamps weggepustet werden.
    Ein gefälliges weiches Crash würde Solo viel besser klingen, im Bandkontext aber kraftlos dastehen.
    Wenn der 2002er Sound mir als Nicko-Fan gefällt, kann ich die genau diese Becken Downpimpen (leiser machen, z.B. durch ein fettes Stück
    Schaumstoff anstelle des Filz. Oder ich frag im Laden, ob Paiste mit der selben Legierung und Bauweise auch noch ne Schmuse-Variante anbietet (was für meine Begriffe jetzt die 2002 Blacks geworden sind).
    Zu Wiederverkauf mit Bohrung etc.: nein, ich würde jetzt nicht einfach mal sinken Becken anbohren.
    Wenn ein Riss kommt, mach ich das eben immer und bisher trugen Bohrlöcher und Ausschneidungen immer zu einem
    besseren Sound bei. Zumindest interessanter :)

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Becken in meinen Aufnahmen grundsätzlich besser klingen als live im Proberaum oder auf der Bühne.
    Und ich bearbeite nicht übermäßig viel. Keine Ahnung woran das liegt.
    Für einen groben Ersteindruck, bzw. um rauszufinden in welche Richtung man will kann man das durchaus machen.
    Für den Rest empfehle ich aber dringend in einen Laden zu gehen und zu testen bzw. (für mich mittlerweile unverzichtbar) die Becken zuhause am Set zu testen.


    Ist wie mit Frauen und Kleidung. "Im Geschäft sah das rot aber irgendwie heller aus..." :whistling:

  • Na klar. Die ganze Pimperei muss einem liegen. Wenn die Hersteller optimieren wird es eben schnell teuer,
    ist nicht flexibel, dafür aber handwerklich optimal.
    Du hast dich ja offensichtlich auch zu Genüge mit der Frage nach den passenden Becken und den persönlichen
    Vorlieben auseinandergesetzt. :thumbup:


  • Davon, dass der Sound Absicht ist sollte man bei amtlichen Produktionen ausgehen. Aber es wird immer nicht nur mit dem EQ "gesäubert", sondern auch verschönert. Vor allem werden Höhen angehoben. Und wie gut die Becken sich im Gesamtmix durchsetzen ist auch noch so eine Sache.


    Zitat

    Trotzdem kommt jetzt unabdingbar der Moment, wo man so ein Teil ausprobieren muss.


    Der kommt unabdingbar auf jeden Fall. Wenn nicht, verpasst man etwas.


    Ich halte dafür aber erst mal die Augen offen, weil man beim Gebrauchtkauf anhand von Fotos den Zustand des Beckens sehr gut einschätzen kann. Was bei Trommeln und Hardware bspw. weniger der Fall ist. Ich probiere immer am eigenen Set durch. Mal im Laden anspielen reicht mir nicht. Aber man kann sich über Aufnahmen gut einen ersten Eindruck machen, ja.


    Ansonsten finde ich, dass vieles oft unnötig dramatisiert wird. Z.B. der Beckenkauf. Wenn man weiß, was man will, findet man das auch.

  • Die Erfahrung wächst meines Erachtens lediglich ansatzweise durch Hören im Laden, viel mehr aber durch Käufe und Fehlkäufe.

    Da gebe ich Hochi Recht. Meine Erfahrung ist es, dass beim Bewerten eines Beckenklanges sehr viele Variablen ins Spiel kommen (Aufnahmequalität eines Samples, persönliche Tagesform, Räumlichkeit, verwendete Stöcke (!!!))). Das alles muss man erst mal lernen einzuschätzen, und da helfen Käufe und Fehlkäufe.
    Ich merke eigentlich erst im Bandkontext ob ein Becken für mich wirklich funktioniert. Und das erst nach 2-3 Proben.
    Was ich auch merke ist, dass mein Geschmack etwas "stabiler" wird. Wenn mir heute ein Becken gefällt, dann bleibt das auch meistens so. Früher war ich oft zu anfangs begeistert, und nach 2-3 Wochen plötzlich ernüchtert. Das lag einfach an der fehlenden Erfahrung.
    Ich bin Fotograf, und da erging es mir ähnlich: Nicht nur das Fotografieren will erlernt sein, sondern auch das Sehen.

  • Ansonsten finde ich, dass vieles oft unnötig dramatisiert wird. Z.B. der Beckenkauf


    :thumbup:
    Es ist wohl wie vieles im Leben. Man könnte viel entspannter sein, wenn man einfach mal zufrieden wäre mit dem, was man hat. Ich bin's zum Glück mit meinen Becken, auch wenn mir immer mal wieder Bleche begegnen, die mich faszinieren.


    Aber bei meiner Ausstattung weiß ich, dass alles auch zusammen gut klingt und viele Stile bedienen kann. Daher kommen zwar ggf. immer mal wieder neue Teile dazu, die müssen aber in erster Linie Teamplayer sein statt herausragende Alleinunterhalter. Und wie so oft gilt auch bei Becken "Haust schee nei, kummts schee raus" (W. Haffner). Der Klang liegt in den Händen des Musikers.

  • Das stimmt, Trommla, aber wenn Du mal zurück blickst, da gab es bei Dir doch sicher auch eine gewisse Lernkurve, was das Hören betrifft, oder? Die Beckensuche am Anfang einer Drummer-Laufbahn IST ein Drama, zumindest habe ich das so erlebt. Zumindest wenn man Musikstile bedient, bei das Becken eine wichtige Rolle spielt, wie eben beim Jazz.
    Und ich empfinde es als sehr befreiend, dass das Drama so langsam ein Ende hat. Wie allgemein, was den Jazz betrifft. Ich musste erst mal lernen, von ein paar Dingen los zu lassen. Und bin auch immer noch dabei, das zu verinnerlichen.

  • Klar hab ich auch Blech gekauft, welches mich nicht dauerhaft überzeugt hat. Das lässt sich aber an einer Hand abzählen und war weit weg von Drama. Dadurch, dass ich sehr früh den Wert guter Becken zu schätzen gewusst habe, habe ich die Budget-B8 Phase gleich (nahezu) übersprungen und mit Aveden begonnen. Einzig meine erste Hihat war damals Amir by Zildjian, ich weiß gar nicht mehr, was damit passiert ist.


    Und seit ich Ende der 80er mit Sabian HH angefangen habe, habe ich im Grunde nichts mehr aus Enttäuschung verkaufen müssen. Natürlich gäbe es für jedes Genre Spezialisten. Da ich aber musikalisch ziemlich hin und herspringe, brauche ich Becken, die relativ universell funktionieren. Komplett unterschiedliche Setups für Jazz, Big Band, Rock, Reggae und Funk wäre mir einfach zu aufwändig, da bräuchte man viel mehr Platz und Geld.


    Übrigens, auch Becken klingen oft deshalb nach Jazz, weil der Drummer eben weiß, wie man's anstellt. Jazzig klingen können sehr, sehr viele große, dünne Cymbals aus B20.

  • Guten Morgen,


    Die Erfahrung wächst ... durch Käufe und Fehlkäufe.


    Damit ist alles gesagt.


    Ich selbst habe mich an die Sache zunächst auch immer wieder theoretisch herangetastet und dabei erstaunlich richtig gelegen,
    aber manche Dinge bemerkt man erst im wahren Einsatz und da kommt es eben darauf an, wo und wie man das macht.
    Von daher war ich nicht unerstaunt, dass man mit Iron-Maiden-Becken auch Jazz spielen kann. Allerdings nicht überall.
    Jeder Raum ist anders, jeder Kapelle ist anders und jedes Becken kann man auch mal anders spielen, sogar mit anderen Stöcken.
    Aktuell denke ich gerade, das ich auch Fehlverkäufe getätigt habe, die Ohren spielen manchmal einen Streich, vor allem die vom Publikum,
    was oftmals ganz anders hört, als der Nerd, der sie schlägt.


    Böse Zungen behaupten ja, dass die meisten Leute ein Becken ohne es zu sehen, nicht zweifelsfrei erhören können, vor allem dann,
    wenn es im Internet klingt.


    Grüße
    Jürgen


    PS

    Man könnte viel entspannter sein, wenn man einfach mal zufrieden wäre mit dem, was man hat.


    Auch da kann man sich an Vorbildern orientieren, es gibt ja Leute, die dauernd was Neues brauchen, aber auch welche, die nahezu jede Musik mit dem selben Gerät seit Jahren und Jahrzehnten verwursten. Ich bin immer wieder erstaunt, was man mit ein und demselben Equipment alles machen kann (wenn man mal heimlich geübt hat).

  • stimme meinen vorschreiben voll und ganz zu. und behaupte, dass sich auch das gehör und hörgewohnheiten im laufe der jahre entwickeln und verändern, in welche richtung auch immer.


    vier beckensätze in vierzig jahren sind „mein“ resultat. :)

  • Wie schon gesagt, gibt es einen großen Unterschied wie die Becken im Laden klingen und wie zuhause am eigenen Set.
    Noch relevanter ist es meiner Meinung nach, die Becken mit Band auszuprobieren.
    Ich habe mir unlängst ein paar Zultan Raw Becken geholt. Die klingen für sich alleine angespielt.... naja, sagen wir mal gewöhnungsbedürftig. Im Bandkontext aber wirklich phantastisch! Aktuell spiele ich sie sogar lieber als meine K-Zildjians.


    LG Trommelmann

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