Hal Blaine ist tot

  • Die Tatsache, dass er von so vielen Bands gebucht und geschätzt wurde, spricht dafür, dass er nicht nur zufällig mal zur rechten Zeit am rechten Ort war (und dann 40 Jahre in einer Topband spielen durfte).


    Vermutlich war er neben einem zuverlässigen und geschmackssicheren Taktgeber (dessen Können du, Burkie, m. E. ziemlich unterschätzt) einfach auch ein angenehmer und unkomplizierter Zeitgenosse, mit dem man u. a. auch in nicht immer einfachen Studiosituationen gut zurecht kam.

  • Zitat

    Es ist simples "Bum-Tschack-Bu-Bum-Tschack"-Getrommele, was eigentlich auch jeder Amateur-Drummer drauf hat. Die Fills sind auch simple Amateur-Drummer-Fills.


    Wenn's mal so wäre. :D
    Btw: Ich finde es ein wenig pietätlos.
    Könnte man auch an anderer Stelle diskutieren. Muss man aber nicht. ;)

    Blaukraut bleibt Blaukraut & Brautkleid breibt Blaubtkreid

  • Hallo,


    was ich auf dem Video zur Session von "Tambourine Man" der Byrds gehört habe, ist für mich jetzt nichts, was irgendwie berauschend wäre. Es ist simples "Bum-Tschack-Bu-Bum-Tschack"-Getrommele, was eigentlich auch jeder Amateur-Drummer drauf hat. Die Fills sind auch simple Amateur-Drummer-Fills.

    Ich finde, dass du mit der unpassenden Brille auf das Ganze schaust. Blaine war derjenige, der im Studio perfekt umsetzen musste/konnte, was musikalisch gefordert wurde. Es ging nicht darum, "beeindruckende Signature"-Fills reinzudrücken, sondern die Ausdrucksstärke des Liedes zu perfektionieren - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er oftmals den Drummer von Band XYZ im Studio "implementieren" musste. Das bedeutet, alles, was er im Studio einspielte, musste auch so in etwa vom Banddrummer später bei LiveAuftritten umsetzbar sein. Was nützt es, etwas komplex-frickeliges à la Jack DeJohnette einzuspielen, was dann live nicht einmal annähernd kopiert werden kann? Es war also immer eine Gratwanderung zwischen: Was kann drummer XYZ halbwegs nachspielen und was gibt einer Komposition die Extra-Würze, ohne dass es aus dem Rahmen fällt? Blaine wolte und sollte nicht "Erste Geige" spielen.


    Zudem muss das auch alles immer im Kontext der Zeit betrachtet werden. Blaines Intro für "Be my Baby" war in jener Zeit z.B. aus Schlagzeug-Sicht so ungewohnt neu und prägnant für Popmusik, wie Gadds Intro bei "50 ways to leave your lover". Selbe Kiste, nur mehr als ein Jahrzehnt vorher.


    Zudem: Um ein gefragter Studiomusiker zu sein, bedarf es ja viel mehr, als "beeindruckender technischer Fähigkeiten" (Da geraten Charakter, musikalisches Verständnis, Zuverlässigkeit, Belastbarkeit etc. ganz stark in den Fokus). Mal im Ernst... abseits von "50 ways", was hat Gadd denn sonst dermaßen prägnantes abgeliefert, dass es JEDER kennt? Porcaros Rosanna-Shuffle ist auch so ziemlich das einzige, was den Leuten zu Porcaro einfällt, so wie bei Purdie halt der Pudie-Shuffle. Und so, wie bei Blaine "Be my Baby" halt. Die meisten Sachen, die Studiomusiker einspielen, sind eher "solide" und gerade deshalb so spektakulär, weil sie so unspektakulär sind und dennoch perfekt passen. Oder warum werden John Jr. Robinson und Ash Soan wie blöd gebucht?

    "You don't have to show off" - Peter Erskine

  • In der damals komplett analogen Studiowelt dürfte Hal Blaine einer der Leute gewesen sein, der die Songs am schnellsten verstand, sein Ego zurücknehmen konnte und dann in wahrscheinlich sehr kurzer Zeit was geschmackvolles mit Präzision eintrommeln konnte. Das ist eine Qualität, die damals wahrscheinlich gar nicht hoch genug einzuschätzen war. Ich weiß nicht, wie lange Steve Gadd an 50 Ways rumspielen durfte, kann mir aber nicht vorstellen, dass der reinkam, das im ersten Take aufs Band gedengelt hat und dann wieder gegangen ist.


    Selbst heutzutage sind so Leute ja gesucht. Für eher einfachere Pop-Nummern könnten englische Produzenten ja irgendwelche Durchschnittstrommler anrufen. Machen sie aber nicht, Karl Brazil oder Ash Soan werden gebucht. Die liefern ab. So wird es bei Hal Blaine auch gewesen sein.

    667 - The Neighbour Of The Beast!!

  • der die Songs am schnellsten verstand


    Ich denke, das ist der springende Punkt. Wenn man im Schnitt ein halbes bis ganzes Dutzend fremde Songs am Tag einspielt (zu einer Zeit, wo das nachträgliche Editing von Aufnahmen ja noch sehr eingeschränkt war), muss man m.E. vor allem eine blitzschnelle Auffassungsgabe, ein gutes Gedächtnis und/oder eine ausgefuchste Methode haben, sich Abläufe, Fills etc. zu notieren. Und vermutlich ein klein genuges Ego, um einem Song eben *nicht* den eigenen Drummerstempel aufzudrücken.

    Nix da.

  • weil das Niveau und das gesamte Business sich "gesteigert" haben


    Immer wieder interessant, wie schnell Meisterleistungen der Pop-Musik unterschätzt (und Rumgewichse überschätzt) werden. Das passiert insbesondere, wenn man mit der jeweiligen Stilrichtung nix am Hut hat oder (noch) nicht versteht, warum eine Nummer einfach gut rüberkommt. Schon mal gehört, wenn der (im Prog saugute) Portnoy Beatles-Sachen spielt? Das ist fast schon peinlich.


    M.

  • Ich finde, dass du mit der unpassenden Brille auf das Ganze schaust. Blaine war derjenige, der im Studio perfekt umsetzen musste/konnte, was musikalisch gefordert wurde. Es ging nicht darum, "beeindruckende Signature"-Fills reinzudrücken, sondern die Ausdrucksstärke des Liedes zu perfektionieren - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er oftmals den Drummer von Band XYZ im Studio "implementieren" musste. Das bedeutet, alles, was er im Studio einspielte, musste auch so in etwa vom Banddrummer später bei LiveAuftritten umsetzbar sein. ... Blaine wolte und sollte nicht "Erste Geige" spielen.


    Zudem muss das auch alles immer im Kontext der Zeit betrachtet werden. Blaines Intro für "Be my Baby" war in jener Zeit z.B. aus Schlagzeug-Sicht so ungewohnt neu und prägnant für Popmusik, wie Gadds Intro bei "50 ways to leave your lover". Selbe Kiste, nur mehr als ein Jahrzehnt vorher.


    Zudem: Um ein gefragter Studiomusiker zu sein, bedarf es ja viel mehr, als "beeindruckender technischer Fähigkeiten" (Da geraten Charakter, musikalisches Verständnis, Zuverlässigkeit, Belastbarkeit etc. ganz stark in den Fokus).


    Danke sehr.


    Das, und andere Beiträge in diese Richtung hin, haben mir zur Erklärung geholfen.


    Ich sehe es so, dass er den Grund-Rhythmus eines Songs schnell erkennen musste, weil es wohl keine Schlagzeugnoten gab. Und der sollte möglichst einfach, damit die Amateur-Drummer der Bands es auch noch spielen konnten, umgesetzt werden.


    Ich denke, dass es damals auch noch einfacher war, als Studiodrummer Fuß zu fassen. Es gab noch keine Drum-Machines, keine Programmiererei mit verblüffend echten Samples, so wie heute.


    Gruß

    "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." - Walter Lübcke, 22. 8. 53 - 2.6.19, ermordet.

  • Ich sehe es so, dass er den Grund-Rhythmus eines Songs schnell erkennen musste, weil es wohl keine Schlagzeugnoten gab. Und der sollte möglichst einfach, damit die Amateur-Drummer der Bands es auch noch spielen konnten, umgesetzt werden.


    Haha :). Es gibt im Pop eigentlich nie Schlagzeugnoten. Und wenn, dann hat sie irgendwer im Nachhinein aufgeschrieben.
    Wenn es Schlagzeugnoten gegeben hätte bei Hal Blaines Songs, dann hätte sie wohl Hal Blaine geschrieben :).



    Noch ein weiterer Aspekt, wenn Drummer "trotz simplem Ergebnis" hochgeschätzt werden: Die Bedeutung, die Tragweite
    und der Wert einer aufgenommenen Performance liegt nicht (nur) im technischen Schwierigkeitsgrad des Drumparts.
    Nachspielen ist immer einfacher. Den Groove als "Bum-Tschak" zu identifizieren ist keine Kunst, lässt aber den gesamten
    Kontext aussen vor. Das "Bum-Tschak" steht ja nicht völlig allein da, sondern ist ein Zusammenspiel mit allen andern
    Instrumenten, dem Gesang und dem Arrangement eines Songs.


    Zudem war da vor dem Spielen und Aufnehmen des "Bum-Tschak" nichts! Aus dem Nichts einen kohärenten, guten
    Drumpart zu kreieren ist eine völlig andere Ausgangslage, als im Nachhinein den Drumpart anzuhören, nachzuspielen und
    als für durchschnittlich zu befinden.


    Beim Arrangieren, Entscheiden und Aufnehmen muss über jeden Schlag, jeden Ton, jede Note entschieden werden.
    Beim Nachspielen ist alles schon da, und es es geht nur noch um die Interpretation und das technische Können, den
    Part wiederholen zu können.

  • Zum Thema: Wenn Profis einfaches Bumm Tschack so spielen, dass der Song besser wird:


    Eins der besten Beispiele der neueren Zeit ist für mich der Drumtrack auf Like a Virgin von Madonna. Meines Wissens hat Vinnie Colaiuta den eingespielt. Der ist dermaßen auf den Punkt, kein Schlag zu viel, dosierte Fills, fantastisch. Da hätte man auch einen Drumcomputer nehmen können, dann wäre der Song nicht halb so gut geworden. Da hat einer mal genau das gespielt, was der Song gebraucht hat und ihn damit veredelt. Und genau das wird die Qualität von Hal Blaine gewesen sein, halt nur in einem anderen zeitlichen Kontext.

    667 - The Neighbour Of The Beast!!

  • Das Kreiieren eines Drumparts empfand ich schon immer schwieriger und auch anspruchsvoller als das Spielen selbst. Technik üben ist eine Frage von Zeit, Ausdauer und Disziplin, was unweigerlich dazugehört. Das Entwerfen eines Tracks, die Entscheidung, wo was wann wie gespielt wird, ist der Ort der eigentlichen Kreatitivität.


    PS: Zu Madonna „Like a Virgin“: das war nicht Colaiuta, sondern Dave Weckl. Colaiuta war -bsp. - das Alf Theme (also das erste schnelle mit der HiHat am Anfang). Also auf dem Album. Die Single selbst von Like a Virgin hat aber wohl Tony Thompson eingetrommelt.

    "Pommes/currywurst hat einfach seine eigenen Gesetze."
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    vorstellen!" (c) by Lippe / 2006

    Einmal editiert, zuletzt von Seelanne ()

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  • Du hast völlig recht.


    Das ist mir im Nachhinein aufgefallen, als ich in in meinem Musikprojekt aufgenommen habe.


    Da war ich für die Drum-Patterns verantwortlich, also dafür, mir was passendes dazu auszudenken. Das hat sich ewig hingezogen.
    Auf einer Session in einem Tempo was eingetrommelt, beim Abhören klang es zwar durchaus tight, aber gefühlsmäßig nicht so gut.
    Also, vereinfacht, nochmal eingespielt. Tja, OK, aber wieder nicht so der Brüller.


    Usw.


    Über einige Sessions, Tempo erhöht, andere Drum-Patterns ausprobiert.


    Dann wieder zurückgegangen, auf die Aufnahme im langsameren Tempo, und darauf nochmal die Drums anders gespielt.


    Nun gut, wir machen das nur nebenbei als Hobby. Von daher, es muss nicht bei der ersten Session perfekt sein, wir haben ja die Zeit.



    Aber das macht mir auch klar, wie gut es ist, einen Drummer zu haben, der bei der einzigen Session einen brauchbaren hittauglichen Beat eintrommelt.


    Ich ziehe also meine Kritik zurück.


    Gruß

    "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." - Walter Lübcke, 22. 8. 53 - 2.6.19, ermordet.

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