Vor nun knapp 30 Jahren, noch zu Zeiten der DDR, ging ein ambitionierter, junger Musiklehrer durch die Schulklassen und warb um Interessenten für das örtliche Jugendorchester. Bevor es ein richtiges Instrument gab, musste man ein Jahr lang Blockflöte durchhalten. Genau das Richtige für den blassen, stillen, zerbrechlichen Jungen, der ich damals war. Es war der Anfang der einen Sache, die, auf vielerlei Weise mein Leben bestimmen sollte und das bis heute tut: Die Auseinandersetzung mit Musik. Ihre Vermittlung ist heute mein Beruf. Aber ich habe tatsächlich in diesen 30 Jahren auch nie damit aufgehört, selbst Musik zu machen. Auch wenn ich eben kein Profimusiker geworden bin, wie einst unumstößlich klar. Aber was ist das überhaupt, ein „Profimusiker“? Für mich gibt es nur „Musiker“. Unterschiedlich gute, erfahrene, aktive. Unterwegs in den verschiedensten Richtungen. Und auch über mich selbst meine ich: Ich bin „Musiker“. Punkt. Es sind schwere Zeiten für Musiker, vor allem für die, die von ihrer Musik leben müssen. Selbst in einer so reichen Stadt wie München. Gigs ohne jede Gage sind die Regel, Gigs mit wenig Publikum, mit Leuten, denen die Musik total egal ist, mit grauenhaftem Sound, schlechter Organisation sind häufig. Es sind Momente, in denen man sich fragt, warum zum Teufel man sich das alles überhaupt noch antut. Wo man doch auch mit einem schönen Fläschchen Rotwein auf dem Sofa sitzen und Netflix schauen könnte. Und doch tun wir es weiter. Weil das Glücksgefühl in den Momenten, in denen die Sache funktioniert, mit nichts, aber auch gar nichts zu vergleichen ist. Gestern Abend war so ein Moment. Ein Gig mit einer wunderbaren Band, die auch noch aus Menschen besteht, die man wirklich gerne hat, in einem grandiosen Laden, voll mit Leuten, die sich ein bisschen schick gemacht haben und sich darauf freuen, Musik zu hören. Unsere Musik. Und dann fließt alles, wird leicht, man merkt, dass wir alle zusammen dabei sind, wirklich in diesem Moment und nirgendwo sonst. Und wenn die Leute, so wie gestern Abend, dann zuhören, lächeln, jubeln, dann fühle ich mich auch auf eine Weise angenommen, wie sie schöner nicht sein könnte. Nach dem Gig sinke ich Backstage auf dem Sofa zusammen, es sind Minuten, durchflutet vom Glück und von der Dankbarkeit, nun schon 30 Jahre lang nie zu bequem, rational, gleichgültig oder zu dämlich gewesen zu sein, um auch nur ernsthaft dran zu denken, kein Musiker mehr sein zu wollen.
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