Wie und warum ich mir ein Carbon Rack baute

  • Guten Abend zusammen,
    ich hatte in diesem Thread vor einiger Zeit mal ein Gedankenspiel angebracht: warum nicht Hardware aus Carbon (selber-) bauen? Im Folgenden möchte ich euch mal beschreiben, was mein Ausgangspunkt war, was ich gemacht und gelernt habe, was es gekostet hat und was mein Fazit ist.


    Ausgangslage

    • Wie die meisten Drummer war meine Idee zunächst naheliegend: warum muss Hardware aus Stahl gebaut sein, wenn es doch so schwer und Carbon bei vergleichbarer Stabilität viel leichter ist? Auf dem Markt existierende Lightweight Produkte waren nicht relevant, da es auch um Becken-Tom-Ständer, bzw. große Becken und laute Spielweiße ging
    • Da ich bereits ein Gibraltar Stealth Rack besaß war natürlich die erste Idee, einfach alle Rohre durch Carbonrohre zu ersetzen. Diese kann man online in verschiedenen Stärken und mit verschiedenen Durchmessern bestellen, die Preise sahen auf den ersten Blick human aus.
    • Warum also nicht auch die Stahlrohre von Beckenständern durch passende aus Carbon ersetzen?


    Die Vorlage...



    ...aufgebrochen nach den notwendigen Einzelteilen

    • Der Plan war, zunächst alle bestehenden Stahlrohre durch Carbonrohre zu ersetzen
    • Dabei habe ich aber bereits beschlossen, dass alle Rohre etwas kürzer als beim Stealth Rack für mich völlig ausreichend sind
    • Bestellt habe ich diese hier: http://www.r-g.de; wobei ich die günstigste Variante mit 38mm Außendurchmesser und ca 1,5mm Wandstärke gewählt habe

    Fokussierung

    • Beginnen wir mit dem letzten Punkt: Beckenständer mit Carbon modifizieren. Das Problem: bei meinen Sonor Beckenständern sind die Aufnahmen oben an den größeren Tauchrohren für die kleineren Tauchrohre nicht verschraubt oder vernietet, sondern (offensichtlich) verklebt oder verschweißt. Daher habe ich dieses Projekt schnell abgeschrieben und mich der Modifikation meines Stealth Racks gewidmet.
    • Wie im oben zitierten Post bereits diskutiert, ist lediglich die Rohre eines Racks zu ersetzen gewichts-technisch keine große Reduktion erreichbar (eine grobe Schätzung war ca. 1kg, was auf die Gesamtmasse der Hardware gerechnet geradezu irrelevant ist). Eine Rackklammer wiegt bspw. ca 0,5kg,

    -> Es musste also wenn dann ein ganzheitlicher Ansatz für sowohl die Rohre, als auch die Klammern und Aufnahmen gefunden werden

    • Zusätzlich ging mein Gedankengang noch weiter: wie hoch hängst du deine Becken eigentlich maximal und kannst du auf die mittleren Tauchrohre verzichten und die oberen ggfs. kürzen? Ist die Tomaufhängung mit einem Sonor CTS Cymbal-Tomständer nicht eigentlich viel zu wuchtig und würde es nicht stattdessen einfach eine Tama MC69 tun?


    -> Ersteres habe ich genauso umgesetzt, zweiteres wartet noch auf die Finanzierung



    Lösung



    • Die Lösung fiel mir durch Zufall in die Hände, als ich mal wieder bei JustMusic Berlin (super Laden!) vorbeigeschaut habe: Ersatzteile für das hauseigene Justin E-Drumset Rack.
    • Für dieses gibt es nämlich sowohl Verbindungsklammern, die vom Durchmesser identisch zu normalen Rackrohren sind, als auch Beckenarm aufnahmen für einen Durchmesser bis ca 2,2cm (also den dünnsten Ausleger der meisten Beckenständer).
    • Nachdem ich diese einige Zeit mit den verfügbaren Stahlrohren des Stealth Racks getestet habe kam ich zu dem Schluss, dass sie den normalen Einsatz (mehr dazu siehe unten) wunderbar absolvieren (=aushalten) können.


    Beta Version noch mit Gibraltar Rohraufnahmen





    Kosten & Aufwand

    • Der vlt. spannendste Teil: was hat es denn nun gekostet? Dafür muss ich zunächst darauf hinweißen, dass man die Carbonrohre, die ich gewählt habe (aufgrund des Preises) nur in 1m bzw. 2m Länge bestellen konnte.
    • In der Tabelle oben summieren sich die Längen der einzelnen Rohre ja bereits auf 2,45m, es mussten also sowieso mindestens 3m Carbonrohre bestellt werden.
    • Daher war meine Entscheidung, gleich 4m zu bestellen, um auch für die linke Seite (Snare und Tomständer) eine Carbonlösung bauen zu können.
    • Der Gesamtpreis des Racks muss also im Endeffekt für zwei Racks gesehen werden, für die ich insgesamt folgendes bezahlt habe:


    Zum Vergleich: würde man sich die beiden äquivalenten Stealth Racks von Gibraltar neu kaufen, käme man auf 374€




    Fazit & Limitierung




    Abschließend noch einmal zusammengefasst, warum, wie und wie es ist:

    • Ich wollte ausprobieren, ob man nicht mit überschaubaren finanziellen Mitteln einen eigenen Ansatz zu leichter Hardware finden kann -> das hat funktioniert, es ist vielleicht nicht direkt günstig, aber genau wie ich es mir vorgestellt habe
    • Ich wollte ein ganzheitliches Konzept zur Gewichtsreduzierung umsetzen, ohne auf die Stabilität von normalen Ständern/Racks verzichten zu müssen -> das hat funktioniert, indem neben der Auswahl der leichtesten Teile auch überflüssiges Gewicht der bestehenden Hardware minimiert wurde.
    • Die einzige Frage ist, wie sich die Justin Kunststoffteile langfristig halten werden.
    • Das Bastelprojekt an sich war eine der schönsten Seiten, inklusive Carbon sägen (uuuuunbedingt Handschuhe anziehen und direkt einen Staubsauger beim Sägen verwenden!!!
    • Ein schönder Nebeneffekt ist, dass die Hardware optisch quasi verschwindet. Gerade auf einer dunklen Bühne das Set also optisch nicht nur aus verchromten Ständern besteht.



    Die Gewichtsangaben für die Klammern und Aufnahmen sind geschätzt aber sehr wahrscheinlich


    • Beide Racks zusammen wiegen etwa 2,8kg
    • Diese bilden die Basis für vier Ständer (in meinem Fall 1x Snare, 2x Cymbal-Tom-Ständer und 1x Cymbal Ständer)

    Limitierung

    • Ich nutze die Querstreben des Racks nicht, um daran/darauf weiter Klammern und Becken zu befestigen, sondern nur, um die Beine mit den Rohraufnahmen zu stabilisieren

    -> ich kann also nicht sagen, wie v.a. die Kunststoffklammern (langfristig) mit einer derartigen Belastung umgehen würden

    • Ich spiele meine Toms und Becken recht tief, daher war es für mich kein Problem, auf die mittleren Tauchrohre zu verzichten. Allerdings ließe sich dieses Problem recht simpel lösen, indem man statt der Justin Klammern die von Gibraltar verwendet, die verschieden dicke Rohre aufnehmen können.


    So, das ist ja ein ziemlicher Text. Ich freue mich ehrlich über Feedback, bedanke mich bei denen, die alles durchgelesen haben und hoffe, dem einen oder anderen etwas Inspriration gegeben haben zu können!
    VG Manu

    2 Mal editiert, zuletzt von manu_drummer ()

  • Hi,

    Schönes Projekt!! Für mich aber eher unbezahlbar...


    das ist so eine Rechenfrage. Nimmt man z.B. drei Mal diesen Beckenarm und diesen Snareständer kommt man auf einen Gesamtpreis von ca 390€ + Tomhalterungen. Das muss man gegenrechnen zu drei Beckenständern und einem Snareständer in stabiler Ausführung.


    Zitat

    Was mich aber interessiert, wie ist jetzt die insgesamte gewichtsersparnis zu vorher/nachher?


    Hatte ich glatt vergessen, ist jetzt oben eingefügt.
    VG Manu

  • Hey!


    zuerstmal ein super cooles Projekt, die Idee ist wirklich interessant, und Carbon ist ein sehr spannendes Material. Ich arbeite durch Beruf und Studium viel mit Carbon und auch Carbonrohren, daher finde ich das Ganze natürlich gleich doppelt interessant.


    Der große Nachteil im Vergleich zu Stahlrohren ist natürlich, dass das Carbonrohr nur Zug/Druckbelastung kann und bei Biegemomenten sehr schnell versagt - ein typisches Rack oder Stativ aus Carbon würde also nicht unbedingt funktionieren. So wie du es gelöst hast, klappt das aber gut denke ich. Die beste Möglichkeit zum Fügen bei Carbonrohren ist auf jeden Fall das Verkleben, das kann man aber natürlich erst machen wenn man sich ganz sicher ist wie die Geometrie sein soll.


    Zum Basteln sagst du schon ganz richtig, Handschuhe und langärmlige Kleidung sind Pflicht, ein Staubsauger sinnvoll und die Sägeblätter kann man danach wegschmeißen. Bitte außerdem unbedingt eine Atemschutzmaske verwenden! Carbonstaub ist lungengängig und mit hoher Wahrscheinlichkeit krebserregend, da bitte vorsichtig sein!

  • Meine Hauptsorge ist bei der Nummer die Langlebigkeit der Carbonrohre. Im regelmäßigen Liveeinsatz wird es nicht ausbleiben, dass das Zeug Macken bekommt. Und Carbon hat vermackt die sehr unschöne Eigenschaft, dass man sich an beschädigten Kanten Splitter einziehen kann, die so brüchig sind, dass man sie nur mühsam wieder aus den Händen rausbekommt. Ist mir nur einmal selbst passiert, aber seitdem bin ich kuriert von Carbonelementen, die ich regelmäßig mit meinen Händen berühren muss.

  • Meine Hauptsorge ist bei der Nummer die Langlebigkeit der Carbonrohre. Im regelmäßigen Liveeinsatz wird es nicht ausbleiben, dass das Zeug Macken bekommt. Und Carbon hat vermackt die sehr unschöne Eigenschaft, dass man sich an beschädigten Kanten Splitter einziehen kann, die so brüchig sind, dass man sie nur mühsam wieder aus den Händen rausbekommt. Ist mir nur einmal selbst passiert, aber seitdem bin ich kuriert von Carbonelementen, die ich regelmäßig mit meinen Händen berühren muss.


    Hi,
    da kann man ja notfalls einfach etwas Gaffa aufkleben.
    VG

  • Naja, ich brauch für mein rack 16m rohr.... und da hängt ziemlich viel dran. Drum fahr ich Denk ich mit Va stahl ( die Gibraltar Rohre haben aufgegeben) denk ich für „MICH!!!!“ besser. Aber für das was du machst ist das denk ich wirklich eine Lücke die du nicht aus den Augen verlieren solltest...


    Gruss

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