4/4 Songs als 2/2 alla breve zählen

  • Schön, dann trete ich jetzt dem Club der Kleinlichkeiten auch bei ^^


    Mathematisch gesehen ist auch das Gleichheitszeichen Unfug, aber es hat sich etabliert. Besser wäre natürlich "90 d/min" ("d" steht hier für ein Viertelnoten-Symbol), aber wenn nun mal jeder "d = 90" versteht und wir in der Musik und nicht in der Mathematik sind ...

    Auch das ist natürlich, sachlich gesehen, in Teilen Unfug. Sehen wir von Schulmathematik ab (Winkel, Flächen, Volumina), dann kennt die Mathematik so gut wie keine Einheiten. Sie sind nicht verboten, aber sie sind nicht nötig, und, für Mathematiker, schlimmer noch, nahe am Todesfrevel: Sie sind nahezu nie definiert in der Weise "dieses Symbol bedeute fortan in meiner Denkwelt Dieses oder Jenes" !


    Mathematiker sind so etwas wie Freigeister, die sich beliebige Gedankengebäude schaffen können, oft in der Form Annahmen und Axiome, sowie Regeln zwischen diesen. Beispiele sind Hyperräume, Ringe oder Topologien. Die einzige Randbedingung ist, dass alles in sich schlüssig bleiben muss. Denn sonst könnte man nicht widerspruchsfrei schlussfolgern, mithin Beweise nicht führen. Und selbstverständlich definiert ein Mathematiker Symbole, so, wie er sie braucht, etwa Gleichheitszeichen. (Hm, vielleicht sind Musiker nur andere Mathematiker? :rolleyes: )



    Wer allerdings nicht, um keinen Preis dieser Welt, auf die unzertrennliche Bindung zwischen einer Ziffer und ihrer Einheit nicht, nie, also nicht unter einem einzigen Umstand verzichten kann, dass sind Physiker: Sie messen, vergleichen und bringen zusammen, und die Messeinheit ist so etwas wie die Kurzrezeptur der Messung. Und davon abgeleitet Ingenieure: Sie praktizieren mit den Naturgesetzen, die Physiker fanden. Und davon abgeleitet Markeeters, und da verwässert es schon: Zahlen, Einheiten, l***k mich ..., ist denn das so wichtig? Ja, ich schreib's rein, diese dubiose Buchstabenkonglomeration.


    Und warum tut der Physiker das? Nun, letztendlich sind Einheiten auch so etwas wie Fehlerchecks: Sie müssen auch nach Umformungen die richtige Messeinheit der Zielgröße ergeben. Tut sie nicht? Oh, dann ist da ein Rechenfehler. Und ja, es gibt auch die Einheit "1", die dimensionslose Messgröße. Nur dort macht die nackte Ziffer Sinn, und auch das ist überprüfbar.



    Kommen wir zur Ausgangs-Kleinlichkeit zurück, den BPM. Beats-Per-Minute, also Schläge pro Minute. Der Physiker liest daraus wohlwollend das Verhältnis zweier Größen S/M, wobei S Schläge und M Minute bedeutet. Was natürlich Quatsch ist, aber seien wir einmal nicht so. Denn welche Einheit haben "Schläge"? Nun, man zählt sie, sie haben daher keine Einheit. Also die Einheit von S ist [ S ] = 1 (dimensionslos). Und Minuten? Na ja, das ist genaugenommen die Zeit t. Ihre Einheit ist hier [ t ] = 1 min, aber im MKS System ist natürlich auch das Unsinn, denn es ist [t] = 1 s.


    Setzen wir's zusammen. Allgemein BPM = S/M = S/t, und in Einheiten ist es [ BPM ] = [ S ] / [ t ] = 1 / (1 s) = 1 s^-1, oder, bis auf Umrechnungsfaktoren, wie Ingenieure es nennen: [ BPM ] = 1 Hz.



    Womit ich plädiere: Ein Her(t)z für Musiker :D


    (Was übrigens 60 BPM wären 8| )

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

    7 Mal editiert, zuletzt von MS-SPO ()

  • Jaja,


    jetzt wird's komisch.


    In der Physik (und auch in der angewandten Schulmathematik) sind die Einheiten praktisch das wichtigste. Es ist eben ein minimaler Unterschied, ob das Gewicht von "fünf" aus der Rechnung, in der die Dichte als g/cm und das Volumen in kg eingesetzt wird, in Kilogramm oder Gramm gemeint ist, oder? Aus der reinen Zahlenrechnung ist das so ohne weiteres nicht erkennbar, oder?



    Musik ist zwar mit Mathematik verwandt, aber die Vokabeln sind andere.
    d = 120 heißt in der Musik eben, es sind 120 Viertel in der Minute gemeint. ("d" ist das Zeichen für die Viertelnote.) Jeder Musiker weiß das.
    Jeder Musiker weiß auch, dass bei Tanzmusik 120 bpm eben die gefühlten Viertel 120 derer in der Minute ergeben sollen.



    Das im Youtube verlinkte Stück hat 4/4 Feeling, und beginnt mit Auftakt, ein Viertel vor der Eins.


    4/4-Bumm-Tschak-Pop-Rythmus geht im einfachsten Falle wohl so: Bumm-Tschak-bu-Bumm-Tschak, also 1 - 2 und 3 - 4 - Takt vorbei. Also Kick auf die 1, die 2+ und die 3.
    1 + 2 + 3 + 4
    B + S b B + S


    B=Bass-Drum, b=Bass-Drum, unbetont, S=Snare


    Erst nach zwei betonten Bass-Drum-Schlägen und den dazugehörigen Snare-Schlagen wiederholt sich alles wieder, und das ist damit die "natürliche" Takt-Einteilung nach Tanzmusiker-Feeling. (Und natürlich kann man auch 2-taktige Drum-Patterns spielen, usw.... )


    Als 2/2, also alle Viertel als Halbe notiert, wäre diese Schlagzeugfigur in derselben Geschwindigkeit dazu, zweitaktig: 1 (2) 3 4 | 1 (2) 3 (4) |
    Also so:
    |: 1 (2) 3 4 | 1 (2) 3 (4) | : |
    |: B (2) S b | B (2) S (4) | : |



    Damit das Schlagzeug jetzt, als 2/2 notiert, genauso schnell spielt wie in 4/4 notiert, muss die Tempoangabe als 2/2 doppelt so schnell sein.


    Und spätestens an der Stelle erscheint auch mir selber meine einfache Erklärung wieder zu kompliziert ...



    Egal, die Band hat ja wohl eine Lösung gefunden, wie sie es spielen und einzählen wollen, damit es funktioniert. Und das ist ja wohl das wichtigste.


    Gruss

    "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." - Walter Lübcke, 22. 8. 53 - 2.6.19, ermordet.

    2 Mal editiert, zuletzt von Burkie ()

  • Jeder Musiker weiß das.


    Hallo,


    ich muss da widersprechen.
    Was den Buchstaben "d" betrifft, sowie auch etwaige weitere Buchstaben, so muss ich sagen, dass ich
    diese in der Tempoangabe verschiedenster Literatur, die mir begegnet ist, niemals vorgefunden habe.
    Ganz nebenbei würde ich persönlich ein "d" auch mit einer halben Noten verwechseln.
    In der Praxis hatte ich das Problem noch nicht, da ich mit solchen Tempoangaben noch nicht konfrontiert
    worden bin.
    Welche Buchstaben sollen dann Halbe, punktierte Viertel, Achtel etc. darstellen?


    Grüße
    Jürgen

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