Weitere Beispiele für Musiker-Interaktionen?

  • Hallo zusammen,


    stieß gerade wieder auf dieses Video Chad Smith's Bombastic Meatbats . Interessant finde ich, wie die Musiker sich untereinander während des Spielens verständigen. Insbesondere schaut der Drummer ständig in die Runde .... schließlich sieht er sich nach eigenen Worten als Quarterback in der Band.


    In diesm Sinne: Welches weitere Anschauungsmaterial habt Ihr zur Musikerinteraktion beim zusammen-spielen?


    Danke + Grüße, Michael


    P.S.: Interessant finde ich etwa die "Ansage" der letzten 4 Beats am Ende des Videos :D

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

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  • Wunderbar. Alles ist erlaubt und man kann durchaus mal etwas deutlich anzeigen, wie in deinem Video. Auch lautes Zählen ist erlaubt.


    Wir haben in unserer Band einen Song mit einem bzgl. der Dauer freien Intro. Ich zähl dann einfach immer laut, wenn's weitergeht. Man kann das hier bei Sekunde 20 sehen (im Mix hört man es jedoch fast nicht). Das selbe mach ich bevor's am Schluss nochmal laut wird, jedoch ist da die Kamera nicht auf mir und man bekommt's dann im Video nicht mit.
    [video]http://www.youtube.com/watch?v=gOGHf0BCpqE[/video]

  • Hallo,


    ab einem gewissen Niveau ist das üblich.


    Als Anfänger (und etwas Fortgeschrittener) ist man naturgemäß allein damit beschäftigt, sein Gerät einigermaßen festzuhalten,
    wenn man dann mal etwas kann, kann man auch mal gucken, was drumherum läuft und dann fängt
    Musik an, noch viel mehr Spaß zu machen.
    Oft sieht man dann aber (in der Kreisliga) Leute, die ihr Griffbrett anstarren, als liefe da ein spannender
    Kriminalfilm ab.
    Deshalb lege ich mir immer sicherheitshalber ein spannendes Buch auf das Notenpult, dann kann ich noch nebenher was
    Sinnvolles machen, wenn keiner auf mich hört (wahrscheinlich denken die immer, es wäre ein Witz, wenn ich einzähle).
    Neulich fragte mal jemand in der Probe, was die Bezeichnung "on cue" in den Noten bedeuten würde.


    Grüße
    Jürgen
    theoretisch phantastisch - praktisch suboptimal

  • Zusammenspiel von mehreren Musikanten ist ja grundsätzlich immer Interaktion. Diese geschieht in den meisten Stilistiken ganz überwiegend vorhersehbar, da zuvor eingeübt und verabredet.Gewisse Freiräume können gestattet sein, solange man sich an die Songstruktur hält und das dem Stil zuzuordnende " übliche Vokabular" benutzt. Die diesbezüglichen Grenzen entwickelt man (im besten Fall einvernehmlich) in den Proben zuvor. Hier lernt man die jeweiligen Spieler dann hinsichtlich ihrer Nutzung dieser Freiräume kennen und entwickelt automatisch auch einen funktionierenden Umgang damit. Insofern wird eine gewisse "Frische" erhalten - im Gegensatz zu den Bands, die möglichst originalgetreu die Songs ihrer CD wiedergeben wollen.
    Im Smith-Video wird über eine feste Songstruktur gespielt und ich würde sagen, dass die den Song auch mit verbundenen Augen spielen könnten. Beim Intro und der Fermate am Schluss ist Blickkontakt natürlich hilfreich, wäre zur Not aber wahrscheinlich auch verzichtbar. In beiden Situationen gibt der Schlagzeuger das entscheidende Signal : "Jetzt gehts los....und jetzt ist Schluss." Dass da kein Mitspieler überfordert wird, liegt am vorhandenen Verständnis für diese Musik.


    Hier mal ein schönes Beispiel, wo Interaktion im Sinne von Improvisation doch deutlich freier gestaltet wird und man Zeuge der Überlegungen in Echtzeit wird.
    https://www.youtube.com/watch?v=wQe3wO-vMQs

  • Hallo zusammen,


    erst einmal ein Dankeschön an st_b und drumrumköln für die beiden tollen Videos :P


    Dann schaue ich einmal, was wir dem Ganzen bisher zur Interaktion unter Musikern entnehmen können. "Stimme" meint dabei Gesang, Schlagzeug, Gitarre etc.


    INTERAKTION VOR ODER NACH DEM SPIELEN:
    * absprechen (JK)
    * sein Instrument, seine Stimme beherrschen (JK)
    * sich gegenseitig kennen(gelernt haben) (DRK)
    * gemeinsames kniffliger Stellen meistern (MS)
    * das Stück oder den Stil kennen (!) (MS, DRK)
    * (gemeinsam) lernen (MS)


    INTERAKTION BEIM SPIELEN:
    * ansagen/schreien (FH) / zählen
    * Mimik beachten (falls es zu laut ist) (FH)
    * anzeigen, gestikulieren (CS)
    * einander zuhören (DDB )
    * zusehen / über die Schulter schauen (DDB )
    * mittanzen (DDB )
    * Phrase in eigener Stimme aufnehmen (DDB )
    * Musik spüren (DDB )
    * Körpersprache zeigen (DDB, CS)
    * Blicke austauschen (CS, DDB, FH)
    * Signalphrasen beachten (CS, DDB, DRK)
    * stilübliches (musikalisches) Vokabular beherrschen (DRK)
    * Können + Selbstvertrauen (JK) (herumgucken können)
    * Spaß haben (können) (JK)


    INTERAKTION DURCHS PUBLIKUM:
    * Eingefrorene oder Mitzuckende ? (MS)


    QUELLEN-KÜRZEL:
    (CS) Chad Smith Video
    (DDB ) drumrumköln's Video von Dee Dee Bridgewater & Benny Green
    (DRK) drumumköln's Beitrag
    (FH) FAUNSHEAD Video
    (JK) Jürgen K's Beitrag
    (MS) eigene Banderfahrung


    Wow, erst einmal vielen Dank an Euch. All diese Dinge, und sicher noch viel mehr, laufen da ab, spielen eine Rolle und beeinflussen sich gegenseitig. Ist eben doch kein Zufall, wenn Musik zu glänzen beginnt ... :rolleyes:


    Gerne weitere Beiträge.
    Grüße, Michael

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

    3 Mal editiert, zuletzt von MS-SPO ()

  • hier wird auch immer wieder Blickkontakt untereinander zelebriert, ist in vielen ihrer Videos zu beobachten.


    https://www.bing.com/videos/se…726B1FA6AC4D9&FORM=VRDGAR



    ....und weil ich die einfach echt stark finde, fahr ich gerade voll drauf ab .



    Als vergleich evtl. mal eine Studioaufnahme mit "Mickymäusen" weitaus weniger Kontakt mit Mitmusikern und dann gleicher Song, live und irgendwie freier.


    https://www.bing.com/videos/se…37AC0F5C5D00&&FORM=VDRVRV


    vergleich hier ab ca. 20:30


    https://www.bing.com/videos/se…70C3D9E2FE91&&FORM=VDRVRV

    ich höre immer du musst, du brauchst.....ist "modern", "out", "in", "trendy" und so....
    ich mach`s wie`s mir passt, schei.. auf die Säue, die laufend sinnbefreit durch
    die Dörfer getrieben werden.



    Einmal editiert, zuletzt von orinocco ()


  • INTERAKTION VOR ODER NACH DEM SPIELEN:


    * sich gegenseitig kennen(gelernt haben) (DRK)

    ......ist nicht zwingend erforderlich. Wenn sich unbekannte Leute auf einer Jazz -Sesssion treffen und erstmalig zusammen spielen, kann das auch schon sehr homogen klingen. Die Ohren sind entscheidend. Man muss das Liedgut kennen und mit verantwortungsbewusster Sensibilität auf das zu Hörende reagieren. Zumindest empfiehlt sich das zunächst, um erstmal ein funktionierendes Miteinander zu etablieren. Dann kann sich im weiteren Verlauf jeder Spieler natürlich auch mal an spontanen Ideen in Form von Spielwitz probieren - in der Hoffnung, dass die Mitspieler gedanklich und entsprechend klanglich folgen. Auch das funktioniert aber vornehmlich über die Ohren und nicht über Gestik und Mimik, wobei diese Elemente natürlich schon unterstützend eingesetzt werden können.


    Das Stück im Smith-Video funktioniert anders. Hier ist vorab bereits einiges mehr festgelegt. Die einzelnen "Bausteine" sind bekannt und wurden zuvor sicher häufiger zusammen erprobt. Hier zum Abgleich eine andere Version der Nummer. Trotz hohem Wiedererkennungswert stimmen die Arrangements den Ablauf betreffend nicht überein. Ich vermute aber, dass dies so abgesprochen war und nicht spontan improvisiert wurde.
    https://youtu.be/5usfLircW0Q?t=12m32s


    Das Ausgestaltungskonzept ist aber trotzdem recht offen. Z.B. sind die interagierenden Groove-Variationen und Fill-Elemente von Herrn Smith den Mitspielern sicher nicht bis ins Kleinste vorab bekannt. Die anderen Spieler variieren ebenfalls merklich.
    Ob z.B. die Stelle um 1.49 tatsächlich so geplant war, bleibt deren Geheimnis.
    https://www.youtube.com/watch?v=6hDm2y5T4Nk


    Man könnte das darauf folgende "im Kreis Gegucke" natürlich als leichte Irritation deuten, da Herr Smith hier eine dieser in dem part eigentlich üblichen 8-Takt Phrasen mal eben um 2 Takte gekürzt hat.


    Im klassischen Bereich funktioniert Interaktion in der traditionellen Spielweise dann nochmals komplett anders, da hier jede Note jedes Spielers bekannt ist und bis möglichst nah an perfekt eingeübt wird.


    Der Klassiker übt also die Quintolen in Takt 278 nochmal, weil die gestern im Kontext irgendwie nicht gut kamen. Chad Smith überlegt sich:"Ich werde den groove in dem 32-Takte part nach dem Intro heute doch etwas anders gestalten. Der Jazzer überlegt sich "Mal hören, was heute so passiert", und wird dann entsprechend begleiten und ggf. sein Solo entsprechend gestalten.


    Insofern stellt sich für mich die Frage, inwiefern der Versuch der Erstellung eines allgemeingültigen System-Regelwerks die "INteraktion zwischen Musikern" betreffend Sinn macht. Bei den Jazzern dieser Welt ist es jedenfalls recht häufig zu beobachten, dass sie über weite Strecken leicht autistisch wirkend und mit verschlossenen Augen auschließlich ihren Ohren vertrauen und somit in Spiel und Klang versinken.


    Letztlich lassen sich auch nur "sehr grobe Spieleinflüsse" per Mimik und Gestik oder Tanz und Theater vermitteln. Bassist oder Gitarrist können z.B. vielleicht vorm Trommler rumtanzen, bis der endlich mal die 1 und die 2+ trifft, aber wenns in die kleineren Einheiten geht ist diese Art Verständigung eher schwierig. Diese ganzen Überlegungen betreffen bisher übrigens ausschließlich Rhythmik und Formales.


    Bei Interaktion hinsichtlich Tonmaterial und voicings lässt sich außer :" Eyyyy, ich spiele hier d Moll 7...und Du einfach nur f(#)ies laut" gar nix mehr ohne "ausschließlich konzentriert hören" regeln. Der Benny Green im DDW-Video z.B. entwicklet während dem Spiel eine Idee, wie er das Tonmaterial betreffend begleitet und Freiräume nutzt. Er verlässt sich natürlich darauf, dass DDB ihm auch folgen kann und sie nicht irgendwann den Faden verliert. Zur Not sind die Beiden aber auch fit genug, in dem Fall die Situation zu retten.


    Musizieren ist Kommunikation. (Fiktives Beispiel): Wenn ich mit der Metzgersfrau mein Grill-Wochenende bespreche und entsprechend einkaufe, klingt das anders, als der anschließende Erklärungsversuch meiner Frau gegenüber diesbezüglich. Mit meinem Kumpel rede ich über das hieraus resultierte Theater wieder anders. Ein Thema - 3 Variationen.


    Erwartungshaltung und entsprechende Erfüllung spielt also auch eine Rolle. Oscar Peterson erwartete sich eine andere Form der Interaktion von Ed Thigpen als das später bei Keith Jarrett und J. DeJohnette oder C.Corea mit Weckl der Fall war. Und das bezieht sich jetzt mal nur auf Bandleader und deren ausgewählten Trommler,,,


    Interaktion funktioniert eben letztlich doch sehr unterschiedlich und ist deshalb nicht allgemeingültig schematisch darstellbar. Zumindest interagiere ich das jetzt mal spontan-improvisatorisch in diesen thread :D

  • ......ist nicht zwingend erforderlich. Wenn sich unbekannte Leute auf einer Jazz -Sesssion treffen und erstmalig zusammen spielen, kann das auch schon sehr homogen klingen.

    Auf jeden Fall.


    Im klassischen Bereich funktioniert Interaktion in der traditionellen Spielweise dann nochmals komplett anders, da hier jede Note jedes Spielers bekannt ist und bis möglichst nah an perfekt eingeübt wird.

    Danke, das könnte ein weiterer Punkt für die Liste sein (gehe ich gleich noch darauf ein).


    Insofern stellt sich für mich die Frage, inwiefern der Versuch der Erstellung eines allgemeingültigen System-Regelwerks die "INteraktion zwischen Musikern" betreffend Sinn macht. Bei den Jazzern dieser Welt ist es jedenfalls recht häufig zu beobachten, dass sie über weite Strecken leicht autistisch wirkend und mit verschlossenen Augen auschließlich ihren Ohren vertrauen und somit in Spiel und Klang versinken.

    Guter Punkt. Also, mir ging es um eine beschreibende Sammlung darüber, was wir bisher zwischen Musikern beobachten konnten. Klar ist: Es müssen nicht alle Punkte in einer konkreten Session vorkommen. Aber es könnte helfen, den eigenen Blick zu schärfen, vielleicht auch einmal Alternativen bei einer Session auszuprobieren.


    Ich könnte mir beispielsweise gut vorstellen, so eine Liste einmal mit meiner Jazz-Band durchzugehen. Die sind für so etwas sehr offen, muss ich dazusagen. Wir könnten dann beispielsweise besprechen: "Wo stehen wir als Band, als kommunizierende Musiker? Stehen wir da gut? Wo sollten wir ggf. stehen? Welche Anregungen könnten wir für uns daraus ziehen?" Usw. Ein ähnliches Gespräch nach unserem ersten gemeinsamen Spielen brachte uns dazu, uns anders aufzustellen ("Wer hört auf wen und warum? Wer sollte auf wen hören können? - Wie stehen andere Jazz-Bands angeordnet?") - Danach verschwanden nach und nach einige musikalische Probleme. Bandmitglieder meinen sogar übereinstimmend, dass wir unerwartet schnell vorankommen, seitdem dieser Drummer da mitmacht ... :rolleyes:


    Musizieren ist Kommunikation. (Fiktives Beispiel): Wenn ich mit der Metzgersfrau mein Grill-Wochenende bespreche und entsprechend einkaufe, klingt das anders, als der anschließende Erklärungsversuch meiner Frau gegenüber diesbezüglich. Mit meinem Kumpel rede ich über das hieraus resultierte Theater wieder anders. Ein Thema - 3 Variationen.

    Perfekt beschrieben :thumbup:



    Interaktion funktioniert eben letztlich doch sehr unterschiedlich und ist deshalb nicht allgemeingültig schematisch darstellbar. Zumindest interagiere ich das jetzt mal spontan-improvisatorisch in diesen thread :D

    Genau :thumbup:


    Und zum Schluß: Mir geht es nicht um Dogmatik ("Es muss so und nicht anders sein!"), sondern um ein beobachten-Können und um ein daraus-lernen-Können. Und ich muss sagen, ich bin positiv überrascht: Ich konnte ja nicht wissen, was dabei herauskommt ... Aber dass im DF etwas dabei herauskommt, darauf hätte ich wetten können ^^


    Grüße, Michael

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

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