BGH ermöglicht Netzsperren zugunsten der Musikindustrie

  • Hallo Forum,


    Ich habe leider keine Ahnung von der Sprache "Gesetzisch" daher mal auf gut bürgerlich: Allem Anschein nach hat der BGH nun erlaubt, dass man Provider in die Pflicht nimmt, Seiten und Netzwerke zu sperren, die Urheberrechtsverletung betreiben.
    Die Musikindustrie scheint sich zu freuen. Angestrengt wurden die Klagen durch u.a. die GEMA. Ich bin gespannt, wie lange Youtube hierzulande noch erlaubt ist ;)


    http://www.heise.de/newsticker…4098.html?xing_share=news

    Aber ich möchte fliegen.
    Ganz weit oben, überm Meer.
    Und dann seh' ich all die Scheiße,
    all die Scheiße hier unten gar nicht mehr.

  • Hallo,


    ich finde die Journalistensprache immer ein wenig irreführend,
    denn sie tut so, als würde ein Gericht etwas erlauben oder verbieten,
    in Wahrheit ist es das Gesetz selbst, das vom Bundestag gemacht wird,
    also den vom Volk gewählten Abgeordneten.


    Youtube selbst betreibt ja keine Urheberrechtsverletzung, das machen
    diejenigen, die illegale Inhalte dort hochladen und die werden dann auch
    gelöscht (nicht zu verwechseln mit lustigen Sorry-Bildchen, die lediglich
    Marketing/Stimmungsmache darstellen).


    Gut bürgerlich heißt das: wer gutbürgerlich isst, wird es auch weiter tun
    können, lediglich die Shisha-Bar an der Ecke, wo der Kakerlak vom Wachhund
    gefressen wird, könnte vielleicht dicht gemacht werden.


    Grüße
    Jürgen

  • Um über die im Heise/c't-Artikel genannten BGH-Entscheidungen diskutieren zu können, ist es unerlässlich, diese zu lesen und zu verstehen.
    Verwertungsgesellschaft ./. Access-Provider
    Tonträgerhersteller ./. Access-Provider


    Ich versuch's auch nochmal in bürgerlisch:


    Es geht um vermittelnde Websites, die u.a. durch Verweise auf Uploads auf Filesharing-Seiten quasi Kataloge (Linksammlungen) für eindeutig rechtswidrige Inhalte bieten (sowelche wie 3dl.am, Goldesel, Kinox, GetInfectedHere, etc. - definitiv nicht um Youtube).


    Der grundlegendste Unterschied ist der folgende, der auch aus den Urteilsbegründungen ersichtlich ist:
    Die Betreiber dieser Dienste sind (im Gegensatz zu Youtube) nicht einfach zu ermitteln, sie verwischen wohlweißlich ihre Spuren. Daher haben die Kläger Schwierigkeiten, gegen sie selbst vorzugehen.
    Daher wandten sie sich an einen Zugangsprovider mit ihrer Bitte ihrem Ansinnen, dass diese Websites von diesem für seine Kunden gesperrt werden mögen.


    Der BGH hat darauf hingewiesen, dass, bevor sie das gegen den Zugangsprovider durchsetzen können, die Kläger erst alles Zumutbare tun müssen, um gegen die Betreiber selbst vorzugehen. Dies getan zu haben, hatten die Kläger jeweils nicht mitgeteilt.
    Nach weiteren Verfahren könnte es also zu Netzsperren (DNS- IP- oder URL-Sperren) kommen, nachdem die Kläger zeigen, vergeblich alles erdenkliche versucht zu haben, um die Betreiber, deren Seiten betroffen sind, zu ermitteln (z.B. durch Detektive, Strafverfolgungsbehörden etc.).


    Aus vielen anderen Streitigkeiten ist bekannt, dass die Youtube-Betreiber sehr einfach zu ermitteln sind: https://www.youtube.com/t/contact_us
    Somit können die Kläger sich im Falle von Youtube an den Betreiber selbst wenden, woraus sich vereinfacht ergibt, dass über Zugangsprovider durchgesetzte Netzsperren gegen Youtube nicht erforderlich sind.


    Nun darf man darauf gespannt sein, was von den Klägern unternommen wird, um die sich versteckenden "Katalog"-Seitenbetreiber zu finden (wann diesbezüglich die Grenze des Zumutbaren überschritten ist) und wie daraufhin Netzsperren umgesetzt werden; kurzfristig auch darauf, wie ignorant Piraterieanhänger auf die Kunde von laut BGH theoretisch möglichen Netzsperren reagieren.

    -
    Gesendet von meinen Babyphone mit Papatalk

  • Also ich weiß jetzt nicht, was ich mich zuerst fragen soll: ob Ironie Smilies nicht mehr erkannt werden? Ob ihr mich veralbern wollt indem ihr suggeriert ihr würdet meine Textstelle bezüglich Youtube ernst nehmen? Oder ob ihr sie tatsächlich ernst nehmt?


    Natürlich ist mir klar, dass die GEMA solche Klagen nicht anstrengt um Youtube in Deutschland zu sperren.


    Ich danke dennoch für eure Ausführungen und die "Übersetzung";-)

    Aber ich möchte fliegen.
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    Und dann seh' ich all die Scheiße,
    all die Scheiße hier unten gar nicht mehr.

    Einmal editiert, zuletzt von OnkelPlayse ()

  • Gut, dass du antwortest, Onkel; ich hatte schon befürchtet, dass die Erklärung zu belehrend wirkt.


    Dass ich darin auf die Youtube-Befürchtung eingegangen bin, zielte weniger auf deine Äußerung, als auf die zahllosen ernstgemeinten Kommentare, die unter jeder Schlagzeilen-Meldung zum Thema Netzsperren stehen, siehe z.B. hier: http://www.spiegel.de/forum/ne…rren-thread-386387-1.html
    Dort muss man erwartungsgemäß nicht lange lesen, bis man auf allgemeines GEMA-Bashing (wegen derer Bemühungen, bei YouTube für Fairness zu sorgen) stößt.


    Es ist jedesmal so, wenn sich ein Gericht zu GEMA/MI-Anträgen äußert: "Besorgte Onlinemedienleser", die bei Erwähnung des Begriffs "Urheberrecht" sowieso rot sehen, kommentieren unter dem Beitrag durcheinanderwerfend drauf los und machen Stimmung, ohne den eigentlichen Inhalt der Entscheidung erfasst zu haben.
    Die hatte ich (insbesondere auch bei meinem letzten Satz) nach der Lektüre im Hinterkopf, nicht dich. Entschuldige, wenn es so aussah, ich hoffe, das ist geklärt.


    Mir ist der Problemkreis "Netzzensur" allerdings im Grundsatz ein viel zu ernstes Anliegen, als dass ich es auf die leichte Schulter nehmen könnte. Je mehr unbeholfene Anarchie-Gedanken anonymer Opportunisten öffentlich die Runde machen, desto mehr wird von übergreifender Problematik und konstruktiven Lösungsansätzen abgelenkt. Öffentlich auferlegte Netzsperren (ob umgehbar oder nicht) müssen, und darauf weist das Gericht ja auch hin, ultima ratio, letztes Mittel, bleiben, damit eine Entwicklung verhindert wird, die einer Beschneidung von Meinungs- und Informationsfreiheit auch nur theoretisch den Weg ebnet.
    Irgendwann geht es nämlich nicht mehr "nur" um Urheberrechtsverstöße oder illegale Pornografie, sondern um Meinungssteuerung, die sich der Auferlegende zunutze machen wollen könnte.


    Wenn man sich vergegenwärtigt, wie naive "Umsonst-Runterlade-Freiheits"-Bedürfnisse und volksverhetzende "Meinungsfreiheits"-Bedürfnisse am selben netz-politischen Strang ziehen, wird die Gratwanderung deutlich, auf die man sich beim Thema "Netzsperren" begibt. Es ist so super-spannend, weil es vom Grundsatz her nicht nur adipöse, gelegentlich in ihren Villenanwesen Fußfesseln tragende Werkgewinnabgreifer betrifft, sondern auch weit weniger harmlose Gestalten.

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    Gesendet von meinen Babyphone mit Papatalk

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