Böckchen / Lugs: Klangunterschied Einzel vs. Doppel?

  • Liebe Kollegen,


    wenn folgendes Thema irgendwie schon diskutiert wurde, möge man mich ächten, aber ich fand einfach um's Verrecken nichts dazu:


    Macht es einen merklichen Unterschied, ob eine Trommel einzelne Stimmböckchen besitzt oder eben lange, durchgehende? Natürlich ist das eher ein Gedankenspiel, weil man nur selten die Option hat, ansonsten identische Trommeln miteinander zu vergleichen. Mir fallen nur die BLX-Trommeln aus der Übergangszeit ein, meines Wissens sind die Kessel identisch geblieben, nachdem die Spannböckchen damals miteinander verbunden wurden:



    vorher



    nachher


    Würden diese Trommeln bei gleicher Größe, Befellung und Stimmung im selben Raum unterschiedlich klingen?
    "Sperren" die durchgehenden Böckchen einen Kessel vielleicht "ein", hindern ihn am Schwingen? Schließlich gibt es ja heutzutage öfter immer kleiner werdende Böckchen, die sogar nur mit einer Schraube am Kessel befestigt sind, damit dieser angeblich immer freier schwingen kann.
    Oder übertragen durchgehende Böckchen die Schwingungen des Schlagfells möglicherweise sogar besser auf das Resonanzfell, was Sustain und Resonanz verbessert?
    Vielleicht hat sich ja schonmal jemand ähnliches gefragt. Bin gespannt auf Eure Gedanken.


    Viele Grüße
    Christoph

    3 Mal editiert, zuletzt von CataBOOZEta ()

  • Ich würde mir viel, viel, viel mehr Gedanken machen über den Raum, in dem mein Set steht, welche Felle ich aufziehen soll und wie ich sie stimmen soll und natürlich nicht zuletzt über meine Spiel- und Anschlagtechnik (und über die Sticks). Habe ich gute Becken? Die lassen ein Set richtig gut klingen!
    Über die Böckchen denke ich zuallerletzt nach (es sei denn, sie sind mechanisch nicht OK).

  • Ich habe hier ja auch nicht vor, eine Entscheidung zu treffen, wie ich sagte: Gedankenspiel, eventuell technische/physikalische Aspekte, die da eine Rolle spielen und sich THEORETISCH auswirken.
    Könnte man als Schlagzeugbauer (was ich weder bin noch werde) entsprechende Aspekte in seine Überlegungen mit einbeziehen oder sind die derart unbedeutend, dass man sich nur aus mechanischen und optischen Gründen für eine Variante entscheidet. Bei einer Snare ist ganz klar, dass man vielleicht keinen 5mm Holzkessel zusammen mit kleinen Einzelböckchen verwendet, die nur mit einer Schraube befestigt werden, die Zugkräfte könnten bei hohen Stimmungen zu Stark werden auf Dauer. Bei TomToms etc ist diese Überlegung weniger Notwendig, weil die in der Regel nicht so hoch gestimmt werden.


    Aber klanglich?


    Also: Kein Anspruch auf Praxistauglichkeit der Erkenntnisse und Vermutungen, ich habe da einfach mal drüber nachgedacht und ob das interessant ist oder nicht, kann ja jeder für sich entscheiden.

  • Physikalisch kann ich mich nicht äussern, dazu fehlen mir Mittel und Wege, das zu testen. IMHO ein sehr sehr interessantes Tehema, aber auch eines wo ich glaube, wo man Flöhe husten hört. Interessant ist, dass ja die ganzen renommierten Trommelbauer irgendwie auf das gleiche Boot aufspringen. In den 70er/80er die Einzelböckchen, dann irgendwann Ende 80er/Anfang 90er auf einmal alle mit durchgehende Lugs (jeder auf seine Art), weil die anscheinend den Kessel entlasten und mehr vibrieren lassen. Und dann war die Mode wieder weg und seit dem haben sich alle wieder auf Einzelböckchen eingeschossen, weil die ja den Kessel nicht so dermassen einengen.


    Wenn dazu jemand einen Praxisbericht hat, bitte her damit.

  • Hallo,


    pauschal lässt sich das nicht sagen.


    Es kommt ja immer auf das Komplettsystem an.
    Wenn das Metall harmonisch mitschwingt, werden
    die Swing-Freunde begeistert sein, dämpft es,
    werden die Brut-Trinker grinsen, verstärkt es,
    werden die Extrovertierten strahlen.


    Die meisten Böckchen sind ja weitgehend hohl
    und dienen somit auch noch als Resonanzraum,
    das klingt schon anders, wenn man da etwas
    anderes dran schraubt.
    Das gilt auch für den Dekorstreifen zwischen
    den eigentlichen Böckchen.


    Aber tatsächlich ist der Faktor oftmals so gering,
    dass der geneigte, nach drei Bier leicht intoxierte
    Hobbymusikant das zwischen Mar-Schall und Hart-ke
    an seinem gemäß Anleitung aus dem Internet absichtlich
    verstimmten Set kaum wahrnehmen dürfte.


    Die Dame aus dem Publikum hat ohnehin nur Augen für
    die Brust-Tätowierung, die lautet: Theoretiker.


    Grüße
    Jürgen

  • Man kann imho zwanglos davon ausgehen, dass das natürlich Einfluss auf den Klang hat (erst mal ganz unabhängig davon, in welcher Art und wie das Ergebnis jeder für sich bewertet). Eine Trommel ist ja in dem Sinn ein Gesamtklangwerk, alles hat Einfluss auf den Klang / die erzeugten Schwingungen.


    Ich denke aber auch, dass es eher modische (also vor allem vermarktungstechnische) Gründe hat, welche Böckchen aufgezogen werden.


    Bei Yamahas 9000ern wurde mal, als die Freischwinger "in" wurden, der "Trick" rumgereicht, die durchgehenden Böckchen mit irgendwelchen Abstandshaltern zu unterlegen, um den Kessel freier klingen zu lassen. Ich meine mich aber auch zu erinnern, dass der Chefingenieur mal sagte, er habe die Kessel bewusst mit den langen Böckchen konzipiert, sie seien integraler Bestandteil des Klangkonzepts. Naja.


    Eine klangliche Wertung ist glaube ich schwierig bzw. unnütz. Hängt ja auch vom Rest der Komponenten und wesentlich vom Drummer ab. Ein alter Bekannter hat z. B. einen richtig schönen Dampfhammer. Bei dem klingen dickwandige, bepinstripete Trommeln, die bei mir (noch) nicht so richtig aufgehen, richtig pfundig. Dafür klingen bei mir Trommeln, die er ruckzuck einfach "übersteuert", gut.

  • Ah, ein Thread zum BLX! Was für ein schöner Grund, mal aus der Passivität aufzutauchen…
    Ich selbst habe ein BLX seit 1989, bin aber (das vorweg) zu doof für richtig gutes Stimmen.
    So kann ich die eigentliche Ausgangsfrage leider nicht kompetent beantworten, dafür aber
    ein paar andere Aspekte beisteuern:



    - Mein BLX wurde mit Pinstripes geliefert. Überflüssig zu sagen, dass ein Fellwechsel
    auf jeden Fall eine größere Auswirkung auf den Klang als die Lugs hat.



    - Gleiches gilt für die Aufnahme des Tom-Arms: Sicher eine mechanisch bessere und
    (für mich) auch oftmals optisch gelungenere Lösung als die heutigen Freischwinger;
    aber zwischen Stimmen und anschließendem Aufhängen des Toms liegen Welten.
    Kuriosität am Rande, die aber sicher mehr an mir als am Instrument liegt:
    Es gelang mir wirklich nie, das 13er Tom signifikant anders als eine Waschmitteltrommel
    klingen zu lassen. Der Frust ging sogar so weit, dass ich schließlich nur noch mit einem
    Hängetom, dem 12“, gespielt habe.



    – Die Lugs wurden damals als „Hi Tension Lugs“ vermarktet, was wohl schon auf ihren
    eigentlichen Zweck hindeutet – nämlich, die auftretende Spannung, auch wenn sie hoch ist,
    gleichmäßig auf den Kessel zu übertragen. Das klang für mich schlüssig, aber „Hi Tension“
    galt leider nicht für das Material der Böckchen an sich: in riesiger Zahl brachen die
    Gewindehülsen aus. Daraus lässt sich schließen:



    - Ja, die Hi Tension Lugs klingen anders – weil in den meisten Fällen nach jedem Schlag
    noch eine oder mehrere lose Schrauben auf dem Resofell tanzen.



    - Zu den Export-Sets der folgenden Jahre: Diese haben (zumindest zeitweise)
    tatsächlich zwei getrennte Böcken, zwischen die ein Metallsteg geklemmt wurde,
    um eine Hi Tension Lugs-Optik zu erreichen. Das Ergebnis:
    Auch diese klingen deutlich anders, aber nur, weil der Steg scheppert.

    Ich bin mir sicher (ohne es belegen zu können), dass mein BLX nicht wahrnehmbar
    anders klingt als wenn es separate Böckchen hätte. Was die Stabilität und
    „Schonung“ des Materials betrifft, bin ich persönlich der Meinung, dass die
    Hi Tension Lugs in Verbindung mit einem gebohrten Tomhalter der richtige Schritt
    wären. Und schön ist mein BLX auch noch.

  • +1 :thumbup:


    Man kann imho zwanglos davon ausgehen, dass das natürlich Einfluss auf den Klang hat (erst mal ganz unabhängig davon, in welcher Art und wie das Ergebnis jeder für sich
    bewertet). Eine Trommel ist ja in dem Sinn ein Gesamtklangwerk, alles hat Einfluss auf den Klang / die erzeugten Schwingungen.


    Ich denke aber auch, dass es eher modische (also vor allem vermarktungstechnische) Gründe hat, welche Böckchen aufgezogen werden.


    Sehe ich ähnlich. Es gab sicher Zeiten, wo die durchgehenden Böckchen auch aus Stabilitätsgründen teils sinnig waren, aber das meiste ist da Optik, Optik, Optik. Das Superstar hat z.B. durchgehende Böckchen, deren Mittelsteg aber den Kessel nicht berührt. Großartig anders als ein Silverstar-Kessel ohne durchgehende Böckchen klingen die Birkenkessel beider Sets dadurch aber nicht, wie ich finde.

    "You don't have to show off" - Peter Erskine

  • Ah, ein Thread zum BLX! Was für ein schöner Grund, mal aus der Passivität aufzutauchen…
    Ich selbst habe ein BLX seit 1989, ...


    Auch wenn die Frage nicht direkt auf die BLX/MLX bezogen ist, sind diese ein gutes Untersuchungsobjekt, weil sie wahrscheinlich DIE Sets sind, deren Longlugs am meisten ersetzt wurden. Ich habe mein BLX seit 1988 und seit 2003 oder 4 ein MLX.
    .

    Zitat

    Kuriosität am Rande, die aber sicher mehr an mir als am Instrument liegt:
    Es gelang mir wirklich nie, das 13er Tom signifikant anders als eine Waschmitteltrommel
    klingen zu lassen. Der Frust ging sogar so weit, dass ich schließlich nur noch mit einem
    Hängetom, dem 12“, gespielt habe.


    OT, aber war bei mir exakt genau so! Das 13er war nicht in den Griff zu bekommen, mit RIMS dann etwas besser, aber immer noch Mist. Ich habe meins dann gegen ein 14er ersetzt und das 13er später zersägt und eine Snare draus gemacht...



    Spätestens hier lag ich am Boden vor Lachen, auch dies ist mir im Ü-Raum, auf der Bühne und im Studio passiert... als ich noch nicht die RIMS dran hatte, konnte man den Müll durch die Tomhaltelöcher rausbekommen, nach der Umrüstung musste ich immer ein Fell demontieren. Da habe ich dann meist auch gleich das Böckchen ersetzt...


    Hat Oliver Stein nicht mal die Böckchen an seinem Blx gewechselt? Vielleicht kann er ja was dazu sagen....


    Back to topic: ja, das stimmt, es war aber am MLX. Ich habe jedoch gleichzeitig auf Optimounts umgerüstet, was zweifellos sehr viel mehr (positiven) Einfluß auf den Klang hatte.
    Ich hatte neulich schon mal so eine Forschungsidee: aus meinen beiden Sets würde ich jeweils das 12er Tom nehmen und sie exakt gleich ausrüsten. Beide bekämen Optimounts und die gleichen Böckchen ( beide Varianten gehen: die originalen Longlugs oder die Masters Lugs). Dann könnte man bei identischer Befellung mit neuen Ambas erstmal den Unterschied zwischen Birke und Ahorn testen. Bei dieser Aktion könnte man dann auch testen, ob die Lugs eine klangliche Auswirkung haben. Allerdings muss man dazu immer beide Felle abnehmen und für absolute Vergleichbarkeit hinterher wieder identisch stimmen - das macht die Sache sehr sehr komplex und am Ende weiß man nie, ob man tatsächlich die Veränderung nur der Böckchen hört oder eben auch andere Einflüsse...
    So sehr mich mein Forschergeist anspornt, ist so eine Aktion immer mit viel Zeitaufwand und auch einigen Kosten verbunden, ob und wann ich mal dazu komme, steht also in den Sternen...


    Noch eine persönliche Meinung zum Ursprungsthema: die neuen Masters Lugs sind ohne Frage technisch den alten Longlugs überlegen, vom Material her als auch von der Funktion. Ich finde sie am MLX optisch sehr ansprechend (das Set ist in Liquid Amber lackiert). An meinem BLX in Piano Black finde ich die Longlugs sehr schön, deshalb verusche ich dieses Set nicht mehr soviel zu transportieren und werde so noch sehr lange mit meinen Ersatzteilen vom MLX auskommen. Ich nutze das BLX im Übungsraum und liebe es noch wie am ersten Tag, auf der Bühne kommt dann das MLX mit den modernen Lugs als Workhorse zum Einsatz.

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