Forenbetreiber haften bei Beleidigungen

  • Zitat

    es fielen Begriffe wie "Abschaum", "Schweine" und "Bastard". Auch Aufrufe zur Gewalt gegen


    Zitat

    nicht schnell genug entfernt


    Hallo,


    der Spiegel on the line ...


    Zitat

    about six weeks after their publication, the offensive comments were removed by the applicant company.


    Wer recherchieren kann, ist schlauer.


    Im Klartext: wer sechs Wochen zum Ausmisten braucht, dessen Stall stinkt so gewaltig, dass man das nicht gutheißt.
    Für mich ist das weniger als überraschend.
    Bezeichnend ist, dass die wesentlichen Informationen im Artikel nicht genannt und irrführend verklausuliert wurden ("nicht schnell genug" - das kann ja alles sein).


    Grüße
    Jürgen


    PS
    Quelle: http://hudoc.echr.coe.int/site…search.aspx#_Toc422230309

    Einmal editiert, zuletzt von Jürgen K ()

  • Zur Erklärung:


    Die deutsche Rechtsprechung sagt, ein Forenbetreiber muss rechtswidrige Inhalte "sofort nach Kenntniserlangung" entfernen, um der sog. Störerhaftung zu entgehen.
    Er haftet also nicht für die Rechtsverletzung des Äußernden (Täter beleidigt), sondern für die Unterlassung der Entfernung der Äußerung (Störer hält Beleidigung veröffentlicht).
    "Kenntniserlangung" ist z.B. der Zugang einer Beschwerde (die auch eine "Abmahnung" sein kann).
    "Sofort" heißt bei den Juristen immer "ohne schuldhaftes Zögern". Im Zusammenhang mit rechtswidrigen Äußerungen in Internet-Foren ist eine Handlungspflicht innerhalb von 24 Stunden überwiegend anerkannt.


    Zur Qualität des SPON-Artikels werde ich nichts sagen. Bei einer Schmähkritik durch einen Moderator dürfte der Forum-Betreiber Gefahr laufen, dass seine Kenntnis auch ohne Beschwerdehinweis, also unmittelbar ab Veröffentlichung, fingiert wird.
    Bei uns läuft das Ganze ganz gut, unsere Mitglieder benehmen sich meist, Ausrutscher werden meist verlässlich gemeldet, und das Herausnehmen potenzieller Rechtswidrigkeiten von der Veröffentlichung geschieht ohne schuldhaftes Zögern ;)
    Auch mit den dann regelmäßig folgenden Zensur-Vorwürfen kann man leben.

  • Hallo,


    1. wo steht das bei heise.de und
    2. hat heise.de Ahnung von der Materie?


    3. Haftet die Heise Medien GmbH & Co. KG
    für falsche juristische Aussagen?


    Grüße
    Jürgen


    Disclaimer: jedes meiner Worte ist wahr und falls es mal
    nicht so sein sollte, war es wahr gemeint, so dass automatisch
    Haftungsfreiheit besteht, dies gilt insbesondere für Beleidigungen,
    Bedrohungen, Morddrohungen, das Anbieten von Zärtlichkeiten
    aller Art.

  • Hallo,


    Hier (Randnummer 116) hat der EGMR in der Tat betont, dass es sich bei dem Urteil um die Klärung eines Einzelfalles handelt, der eine professionelle Plattform betrifft.

    Zitat

    Accordingly, the case does not concern other fora on the Internet where third-party comments can be disseminated, for example an Internet discussion forum or a bulletin board where users can freely set out their ideas on any topics without the discussion being channelled by any input from the forum’s manager; or a social media platform where the platform provider does not offer any content and where the content provider may be a private person running the website or a blog as a hobby.


    Man kann aus der Formulierung durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass somit für ein Forum wie hier die Entscheidung keine Relevanz hat.


    Man darf dabei aber auf keinen Fall die ohnehin hierzulande geltende Rechtslage vergessen, die - wie pbu ja zutreffend berichtet - durchaus qualifizierte Anforderungen an Forenbetreiber stellt.


    Insgesamt kommen wir aber so oder so zu dem Ergebnis, dass sich für das Drummerforum jedenfalls nichts Neues ergibt und hier ohnehin gemäß unserer Rechtsordnung anständig geputzt wird.


    Viel Lärm um nichts.


    Grüße
    Jürgen

  • Hier noch mal das PDF zur Entscheidung: http://hudoc.echr.coe.int/webs…001-155105?TID=rgrugqsgal
    Vor dem Durchlesen muss gewarnt werden, 85 Seiten Rechtsenglisch können verstörend wirken, ich habe schlaflose Nächte aber auch schon mit sinnloseren Beschäftigungen verbracht.


    Das Urteil hat übrigens unmittelbar nichts mit irgend einer legislativen EU-Tätigkeit oder ähnlichem zu tun. Entscheidungen des EGMR sind für die 47 Mitglieder des Europarats unterschiedlich bindend.


    In dem konkreten Fall ging es um eines der größten estnischen Online-Nachrichtenportale, das für die wilden Kommentare seiner Leser unter den News-Publikationen geradezu berüchtigt war. Unter dem Artikel, um den es beim EGMR ging, standen unstreitig grob beleidigende, rassistische, antisemitische, menschenverachtende, konkret zu Gewalt und Tötung aufrufende Kommentare in Richtung eines Individuums, das sich unbeliebt gemacht hatte.


    Es wurde entschieden, dass es keinen Menschenrechtsverstoß im Sinne der Konvention darstellt, dass das Presseunternehmen in Estland letztinstanzlich zur Leistung von 320 EUR Schadensersatz verurteilt wurde, weil es die Kommentare 6 Wochen lang stehen lassen hatte - obwohl eine positive Kenntnis über die Existenz der Kommentare vor der anwaltlichen Aufforderung zur Löschung offenbar nicht nachgewiesen werden konnte.


    Bedeutsam für die Entscheidungsfindung der 17 Richter, die 15:2 entschieden haben, war:
    Die Kommentarfunktion funktionierte ohne Anmeldung. Die Beiträge wurden so gut wie nicht moderiert.
    Die krasse Rechtswidrigkeit der konkret streitgegenständlichen Kommentare drängte sich geradezu auf.
    Die Kommentatoren selbst hatten gar keine technische Handhabe, Kommentare zu editieren oder zu löschen.
    Der Betreiber hatte gesteigertes (Werbeeinnahmen-)Interesse an besonders aufsehenerregenden Kommentaren.
    Sich um die Moderation Dritte schädigender Kommentare zu kümmern, war ihm in allen Belangen zumutbar.

    Ausdrücklich ausgenommen von den Grundsätzen der Entscheidung sind Internetforen und Social Media Plattformen, bei denen die Betreiber nicht durch eigene Beiträge die Diskussion kanalisieren und etwa hobbymäßig betriebene Blogs.


    Ich finde die Entscheidung nicht besonders schlimm, wenn auch nicht besonders gelungen, weil die Abgrenzung zwischen professionellen und hobbymäßigen Bloggern im Einzelfall schwerfällt und zur Unterscheidung dem Urteilsleser ebenso wenig ausdrückliche Anhaltspunkte mitgegeben wurden, wie dazu, wann genau eine Kommentarlöschung rechtzeitig gewesen wäre.
    Für Foren wie unseres spielt das alles aber definitiv keine Rolle, weil hier nicht der Betreiber zu kommentierende Beiträge schreibt.


    Zur medialen Verunsicherung sämtlicher Forenbetreiber besteht sicherlich kein Grund.
    Heise hat zumindest eine Überschrift gewählt, die nicht die halbe Welt erzittern lässt. Ein differenziertes Bild über den Gehalt von Kommentaren unter Newsbeiträgen kann sich ja jeder auch bei den verlinkten Artikeln selbst machen ;)

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