Hi,
ich nehme mal die Diskussion über Dirk Brands TD-25 Präsentation auf der MuMe als Aufhänger:
Sich über Werbe- oder Marketingsprüche zu echauffieren, ist gleichsam müßig wie sinnfrei (jeder Kleinwagenhersteller preist selbst die billigste 45-PS-Möhre als "sportlich", "dynamisch" oder "fahraktiv" an).
Ich hab mich in der Tat die letzten Tage gefragt, was mich am Auftritt eines anerkannten Drummers (und Lehrers) wie Dirk Brand zugunsten von Produkten, für die er im Rahmen eines Vertrags werbend eintritt, so sehr stört.
Sind es inhaltlich die Werbesprüche? (Hier: E-Drum spielt sich wie ein A-Drum) Nein. Wer sowas glaubt, ist entweder sehr jung und/oder sehr begeistert und/oder sehr ... hm, sagen wir, noch nicht ganz wach.
Ist es das Posing? Nein. Das mag ich generell nicht, aber andere eben schon.
Ist es gar das Spiel oder sind es womöglich die Sounds? Iwo! Ich wünschte, ich könnte 1/100 von dem, was Dirk dort zur Schau stellt und die Sound sind doch so, wie man sie seit Jahren kennt.
Endorsing entwickelt sich … nicht zum Guten
Was mich so massiv stört und wirklich innerlich in Rage bringt, ist - hier am Beispiel Brand/Roland - die wirklich extreme Verbindung von Musiker und Musikproduktwerbung. Für mich unterscheidet sich Brand in seiner Selbstpräsentation überhaupt nicht mehr von einem Verkäufer. Sollte er meiner Meinung nach aber.
Wir haben uns über die Jahre langsam an eine stetige Zunahme von aktiver Werbung der Endorser gewöhnt: Ich erinnere mich noch an dezente Hinweise auf LPs und im Booklet: Fritz Shultz proudly plays Bäm-Cymbals and HeyJoe Heads. Inzwischen muss ich mir einen - von mir sehr geschätzten - Peter Erskine anhören, der von seinen ganz neuen Trommeln schwärmt, als hätte er nie zuvor auf einem hochklassigen Set gespielt. Tommy Igoe - ebenfalls ein großartiger Drummer und Lehrer - taucht in seinem Lehrfilm in Vic-Firth-Kleidung auf und erläutert gerne noch, was man mit diversen Schlagutensilien aus dem Hause VF alles so machen kann. Wenn ich ihm diese Fan-Attitüde nur glauben könnte!
Dass Hersteller ihren (eigentlich im Drumming ja sterbenslangweiligen, weil immer nahezu gleichen) Produkten einen Image-Push, etwas vom Glanz des Künstlers verpassen wollen, kann ihnen niemand verübeln. That's just the way it is. Aber dass anerkannte Musiker dafür ihr (meist über Jahre erworbenes) Standing - teilweise eben bis zur Lächerlichkeit - hergeben, ist für mich ein unverständlicher Fehler.
Kommerzielle Kooperation - ja. Aber Geld gegen Würde?
Mich macht das traurig, denn je weiter von mir geschätzte Drummer sich in Richtung Staubsaubervertreter "weiterentwickeln", desto mehr verlieren sie für mich ihre Würde als Musiker. Sprich: Ihr Verhalten lenkt mich davon ab, ihre Arbeit, ja teilweise auch ihre Kunst, ernst zu nehmen.
Dirk Brand hat - hier bin ich anderer Meinung als pbu - sich das Verhalten der Tele-Verkäufer und Marktschreier offensichtlich sehr genau angeschaut, präsentiert er sich doch in Wortwahl, Tonfal und Mimik mitunter genau so. Das finde ich sehr schade, denn ich habe ihn mir in einigen seiner "musikbezogenen Videos" mal angesehen und finde ihn dort sehr beachtlich. Nur geht diese Musikerperson Brand unter in der heutigen Mischfigur als MusikerWerbeFuzziVerkäufer.
Was ich mich wirklich frage: Haben diese Männer und Frauen das wirklich nötig? Bringt dieses Art von Endorsing derart viel ein? Und bringt unglaubwürdiger Enthusiasmus ("Boy, these new DW Kit are just PHANTASTIC!") wirklich messbar Gewinn für den Hersteller?
Positive Beispiele
Es scheint ja auch anders zu gehen. Ich denke z.B. an Benny Greb. Ihn höre ich nie von Sonor schwärmen (ich bin sicher, jetzt findet die Crowd die passenden Filme, sei's drum: es machte die Situation nicht besser). Steve Gadd ist seit jeher bei Yamaha. Es gibt bestimmt ein paar Werbebilder, wo er mit Sets posiert, aber schwärmerisch wie Erskine? Für mich unvorstellbar. Es gibt Werbeaussagen, die ich ihm abkaufen würde und solche, die ihn lächerlich machten. Letztere habe ich von ihm bisher nicht entdeckt. Dennoch sind die Marken durch die Musiker positiv aufgewertet. Werbung mit Würde. Endorsing, das funktioniert.
Es geht aber auch "ne Nummer kleiner": Mein Lehrer hat einen Vertrag u. a. mit einem beliebten Schlagzeughersteller aus Fernost. Er verliert nie ein Wort darüber, aber in jeder Stunde nehme ich ganz praktisch mit, dass selbst Mittelklassesets außergewöhnlich gut klingen. Ergo: "Hm ... wenn ich nochmal ein Set brauche ... hm ... es könnte ein M-einemarke werden." Leise Werbung. Ohne Peinlichkeit. Endorsing, das funktioniert.
Mein Fazit: Ich würde mir wünschen, dass professionelle Drummer, gerade dann, wenn sie in ihrer Karriere einen Sprung nach vorne gemacht haben, sich nicht für jede Endorsing-Mark kaufen lassen. Dass sie nicht jede alberne Präsentation tatkräftig unterstützen. Dass sie das mögliche Plus auf dem Konto einem möglichen Minus im Ansehen oder feierlicher: ihrer Würde gegenüberstellen. Dass sie sich nicht vollends verkaufen, bis von der Musikerpersönlichkeit fast nichts mehr übrig bleibt. Außer einem Staubsaugervertreter oder einem Marktschreier.
Gruß
Hajo K