Warum der Live-Drummer nie aussterben wird - Report

  • Hi drumdidi,

    Den meisten ist das auch überhaupt nicht wichtig und wenn das schon bei Leuten so ist, die sogar selbst trommeln, ist das bei Leuten, die Musik nur konsumieren noch viel mehr so.

    ja, das mag hinkommen, dass die Lage aktuell so ist. Ich glaube aber fest an Moden und deren Wellenbewegungen. Ich bin absolut sicher, dass es irgendwann ein Revival der handgemachten Musik geben wird. Allerdings dann auch nicht mehr von der Dauer mehrerer Jahrzehnte. Letztlich finde ich immer wieder zu Jojos Satz zurück, der aktuell in meiner Signature steht und übersetzt soviel heißt wie: Wenn wir das hergeben und nicht verteidigen, das uns von Maschinen unterscheidet (nämlich Musikalität in Form von Variabiliät, Erfindungsreichtum, Intuition und Kreation ganz allgemein), dann werden wir eben - und das mit Recht - durch Maschinen ersetzt.


    Ich kann beispielsweise einem der DF-Kollegen mit den anerkannt schnellsten Double-Bass-Beinen sportlich größten Respekt zollen. Sein alljährlicher Auftritt mit neuen BPM-Zahlen jedoch ist derart perfekt gespielt, dass ich ihn als Produzent bestens durch den Maschinenkollegen ersetzen kann und auch ersetzen würde. Ich kann mit meinen Ohren absolut keinen Unterschied zwischen Mensch und Maschine hören ... und ebendrum wird die menschliche Leistung hier ersetzbar.


    Da aber eine Menge Musiker nicht Sport treiben, sondern sich geistig ausdrücken wollen und da es auch weiterhin Menschen geben wird, die Eintritt dafür zahlen (oder musikalischen Konserven kaufen), um an solchen Ideenn Teil zu haben, wird der Live-Drummer nie ersetzt werden.


    Aber Du hast natürlich Recht: Seine Nischen werden (noch) kleiner. Und überall da, wo es um Fast-Food-Musikkonsum geht, wird kein lebendiger Trommler mehr gefragt sein. Ist aber nix neues, es gab schon in den 80ern Leute, die einen Orgelspieler auch und gerade deswegen toll fanden, weil der "da sogar ein Schlagzeug drin hat" und man dabei so schön schunkeln kann. Ist ja auch nicht verwerflich, sondern nur ein sehr geringer Anspruch an Musik.


    Grüße
    Hajo K

  • Da aber eine Menge Musiker nicht Sport treiben ......


    Vorsicht lieber Kollege. Gerade intensives Schlagzeug spielen kann sehr wohl eine sportliche Betätigung darstellen. Und noch schwitzen und stinken die Drumcomputer nicht wirklich auf einer Bühne. (Oder sind benebelt von bewußtseinserweiternder Substanzen) Emotionen und Menschlichkeit in einer gewissen schweißtreibenden Art und Weise anzubieten wäre aber das was IMHO die Leute noch in Live Konzerte treiben wird. "The Show Must Go On" heißt es doch immer so schön. Und das kann bisweilen auch körperlich sehr anstrengend werden. Und deswegen sind Wir Homo Sapiens bis dahin ja noch die spannendere Variante als etwa Maschinen. Man möchte Uns ja schließlich entsprechend leiden sehen. Und das bitteschön auch leibhaftig! ;)


    Gruß


    Trommeltotti

  • Hallo lieber Kollege! :)

    Und das bitteschön auch leibhaftig!

    sehr, sehr gerne! Und keine Frage: Drumming gerät manchmal zur sportlichen Betätigung - ja wunderbar! Ich hab nix gegen Schweiß auf meiner Stirn (solang's kein Angstschweiß ist!). Aaaber: Ich meine damit die rein aus sportlichen Motiven in Gang gesetzte Körpermechanik. Andere dürfen's gern anders sehen, aber ich kann bei solchen Darbietungen nur maschinelle Ausführung von Schlägen auf Membrane über einem Holz- oder Metallkorpus hören - Musik höre ich dann keine mehr.


    Also: Schweiß schützt vor Musik nicht, sondern passt da durchaus gut hin. ;)


    Gruß
    Hajo K

  • Man kann es auch anders ausdrücken,
    einfach mal versuchen, einen der typischen Grooves eines Steve Gadd, Jim Keltner, Bernhard Purdie, Steve Jordan oder Jeff Porcaro nachzuspielen, so dass es genauso klingt wie bei diesen Session Masters...
    Da kommt man nur mit Technik und Speed nicht sehr weit.
    Und bei aller Weiterentwicklung des Drumsetspiels, bei allem faszinierenden, was heute an Komplexität, Techniken und Gimmicks da draussen los ist, am Ende sind es die Grooves von Leuten einer solchen Qualität, die am Ende in den Drumgeschichtsbüchern stehen.
    Insofern kann ich auch die unlängst von einem recht bekannten Trommler auf einer seiner Clinics Meinung nicht teilen, dass es langweilig sei, dass Herr Gadd heute noch die gleichen Grooves wie vor 40 Jahren spielt und keine Weiterentwicklung stattgefunden habe..
    Ich dachte mir in diesem Moment für meinen Teil nur, ich wäre überglücklich, wenn ich so ein Dutzend Grooves so in der Tasche hätte wie ein Herr Gadd.
    Aber nun denn, es kommt halt drauf an,mwas einem an Musik am meisten interessiert. Mich interessiert, je älter ich werde, immer weniger das Komplexe, das Hochtechnische, das wahnsinnig Schnelle. Mich interessiert immer mehr die Einfachheit, der Groove an sich, der Sound, die Atmosphäre.
    Permutationen in Quintolen finde ich dann zwar noch interessant aber packen mich nicht mehr wirklich, selbst wenn es noch so abgefahren klingt...
    Ein Groove von Jeff Porcaro oder Steve Jordan haut mich dann aber unter Umständen völlig aus den Latschen, auch wenn es am Ende nur simple 16tel oder triolische Grooves sind, aber unfassbar geradezu mystisch gespielt...
    Oder wie ich im Unterricht gerne sage: es ist eigentlich recht leicht, 16tel so lange zu üben, bis man sie in Tempo 230 spielen kann. Aber 16tel so zu spielen, dass sie wirklich grooven, das ist richtig schwer...

    2 Mal editiert, zuletzt von drumdidi ()

  • Oder wie ich im Unterricht gerne sage: es ist eigentlich recht leicht, 16tel so lange zu üben, bis man sie in Tempo 230 spielen kann. Aber 16tel so zu spielen, dass sie wirklich grooven, das ist richtig schwer...


    Ich spiele seit etwa 40 Jahren Schlagzeug. Dank moderner (VSTi) E-Drum Technologien praktiziere ich seit gut 10-12 Jahren annähernd täglich Playalong Übungen zu oben besagten Groove Göttern unter Studio ähnlichen Bedingungen. Ich betrachte es als eine ausgesprochene Herausforderung eine nahezu fehlerfreie und präzise Maschine leibhaftig zu ersetzen und mit dem gewissen "Human Touch Groove" zu beleben ohne dabei die entsprechende Präzision zu verlieren. Das kann man sein ganzes Leben lang üben weil man das wohl niemals zu 100% perfekt performen wird. Das heutige Publikum mit entsprechenden Hörgewohnheiten wird es Einem aber Danken wenn man ansatzweise in der Lage sein sollte diese schwierigen Vorgaben als leibhaftiger Mensch im Livebetrieb auf einer Bühne zu bewältigen. Für mich stellen Drum-Maschines eine klare Herausforderung dar, welche ich hoffentlich angenommen habe.


    Gruß


    Trommeltotti

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