Für alle Trommler, die die ganze Sache hobbymässig machen und es auch hobbymässig bleiben soll, empfehle ich das System Spaß. Meine Unterrichts- und Lehrerfahrung ist die, dass solche ambitionierten Übungspläne (X Stunden dies, Y Stunden das) leider oft keinen Bestand haben, bzw. zu Frust führen. Und zwar aus gutem Grund: sofern das Üben nicht wirklich als angenehm empfunden wird bzw. merkliche Auswirkungen auf den musikalischen Ausdruck hat, wird sich nach relativ kurzer Zeit das Gefühl von Orientierungslosigkeit einstellen. Wer zudem den Bereich Kreativität und Improvisation eher als Zugabe sieht, der wird irgendwann mit den ganzen Übungen dastehen und wenig mit ihnen anfangen können, bzw. nicht mal wissen, ob sich überhaupt etwas verbessert hat.
Es geht am Ende immer um Musik und das befriedigende Gefühl, dass etwas aus sich selbst heraus passiert, was vorher nicht ging. Diejenigen meiner Schüler und Studenten, die die größten Fortschritte machen, sind jene, die mit Inspiration an die Sache herangehen: ein toller Groove aus einem Song, ein spezielles Tomfill für den neuen Song der Band, ein Auftritt in der Schule usw.
Übungspläne sind für Leute, die relativ genau wissen, wo sie hin wollen. Ich hatte selbst ein paar Tage Unterricht bei Steve Smith, das ist ein Musiker, der zu den Übungen auch sofort eine musikalische Anwendung im Kopf hat. Und diese auch praktisch ständig umsetzt. Da bekommt langes Rudiment-Üben eine komplett andere Dimension.
Wer also nicht mehr ganz jung ist und eine ambitionierte (Profi-) Karriere als Tommler anstrebt, dem empfehle ich, sich Inspirationen zu suchen. Wer lange üben möchte, aber keine Knallergrooves und tolle Musik nennen kann, die er spielen können möchte, wird vermutlich irgendwann frustriert aufgeben.
Meine Übungsplanidee für ambitionierte Amateure:
- kurzes Warmup, 5-15 Min (besonders wenn es draussen kalt ist, ist das sehr sinnvoll, weil das Spielen danach viel angenehmer ist). Höchstens vier Rudiments (Singles, Doubles, Paradidles, Flams), bei allen auf konstante Bewegungen und sehr präzises Timing achten, am besten Metronom verwenden. Fortgeschrittenen empfehle ich generell Dynamikübungen, zB die Moving Accents. Auch dabei gilt: die Dynamik so stark spreizen wie möglich und sehr genau spielen. Dazu am besten einen guten Lehrer fragen, denn da kann viel falsch gemacht werden. In diesem Teil NICHT nach Noten spielen, denn die Augen sollten auf den Händen liegen und nicht auf Noten gucken!
Wer schon diese Routine richtig spielt und jeden Tag anwendet, wird die Hände als gute Werkzeuge empfinden. Auf keinen Fall machen: Jojo Mayer DVD kaufen und alle Stickhaltungen lernen! Auch No Go: alle 26 Rudiments als Ziel hernehmen und dann schlechtes Gewissen haben, weil man nur drei geschafft hat! Das ist beides totale Zeitverschwendung.
- im nächsten Teil sollte es um Anwendungen gehen. ZB einen Groove, den man super, aber zu schwer findet. Mithilfe des Lehrers herausfinden, was die Umsetzung hemmt und daran arbeiten. Aus Erfahrung würde ich sagen, dass es den meisten an korrekter Dynamik und Präzision mangelt. Gleichzeitig ist beides das, was praktisch alle Trommler geil finden: Ausdruck durch Dynamik. das Ziel wäre also , durch Ghostnotes rhythmische Melodien zu formen. Nach ein paar Wochen oder Monaten kann man den angepeilten Groove dann richtig spielen und hat etwas sehr Konkretes, was das eigene Arsenal nicht wieder verlässt.
- der letzte Teil könnte aus einem Improteil bestehen, in dem man bereits funktionierende Sachen ganz zwanglos anwendet. Verspieler werden ausdrücklich erwünscht! Denn wenn man gleichzeitig genau zuhört, ergeben sich aus den Verspielern neue Ideen, die sich reproduzieren lassen...dafür im letzten Teil oft das Handy oder einen Recorder mitlaufen lassen.
Alternative dazu natürlich Playalongs oder andere Sachen, die musikalisch sind.
lg
max