Die Zukunft der Musikindustrie:
2002:
Als beste Künstler werden Madonna, Herbert Grönemeyer, Tom Jones, Cher,
und Santana ausgezeichnet. Zu den Top-Hits gehören Westlife mit "Uptown
Girl", die No Angels mit "All Cried Out", Kelly Osbourne mit "Papa Don't
Preach", Madonna mit "American Pie". Die Musikindustrie erfährt zum
ersten Mal nach einer langen Boomzeit einen Umsatzrückgang. Als
Hauptursachen macht sie das in Mode gekommene Kopieren von CDs und das
Tauschen von Musikdateien im Internet verantwortlich. Um den Kids klar zu
machen, dass das Kopieren von Musik letztendlich die Künstler schädigt,
startet die Industrie die Kampagne "Copying Music is Killing Music".
2003:
Die Musikindustrie zeichnet Herbert Grönemeyer, Nena, Kim Wilde, Ozzy
Osbourne und Metallica als beste Künstler aus. Das Album Nr. 1 ist Nena
mit Remixen ihrer größten Hits. In den Hitparaden finden sich neben
Alexander, Juliette und Daniel K. auch Jeanette Biedermann mit "Rock my
Life", das stark nach Roxette klingt. Weiterhin gehören Lichtenfels mit
"Sounds like a Melody", Outlandish mit "Aicha", Kraftwerk mit "Tour de
France 2003", KCPK mit "We will Rock You" und Murphy Brown mit "Axel F
2003" und Culture Beat mit "Mr. Vain Recall" zu den Tophits. Die meisten
CDs haben Kopierschutz. Seit August ist das Kopieren kopiergeschützter
CDs verboten, ebenso das Herunterladen von Musik aus dem Internet. Der
Umsatz der Musikindustrie geht um weitere 15% zurück, besonders betroffen
Hit- Kompilationen mit 47%.
2004:
Die Musikindustrie zeichnet Herbert Grönemeyer, Marius
Müller-Westernhagen, DJ Bobo, Marianne Faithfull und Pur aus. In den
Charts stehen das Hollywood Dance Project mit "Relax Reloaded",
Kajagoogoo mit "Too Shy 2004", Nena mit "Haus der 2004 Sonnen" und Nico W
aus "GZSZ" mit "Ich vermiss Dich wie die Hölle" lange Zeit ganz oben. Mit
Hilfe einer automatisierten Sauger-Suche kann die Musikindustrie alle
Nutzer von Tauschbörsen ausfindig machen. Fünf Millionen Haushalte in
Deutschland erhalten daraufhin Post des Münchner Anwalts G., der
ultimativ die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung einfordert und
die Erstattung von Auslagen über 583,74 Euro. Die Tauschbörsen brechen
zusammen. Die Hälfte aller T-DSL-Anschlüsse wird gekündigt. Der Umsatz
der Musikindustrie geht um weitere 10% zurück.
2005:
Es werden Herbert Grönemeyer, Tom Jones, die Supremes, Suzi Quatro und
Elvis Presley als Künstler des Jahres ausgezeichnet, dazu Status Quo mit
dem Innovationspreis des Musiker-Managements. Die Charts führen an Peter
Maffay mit "So bist Du 2005", Roberto Blanco mit "Ein bisschen Spaß muss
wieder mal sein" und Zarah Leander mit "Ich weiß, auch 2005 wird ein
Wunder gescheh'n." Der Umsatz der Musikindustrie schrumpft erneut um 50%.
Die Trend-Scouts entdecken, dass unter den Jugendlichen 60er- 70er- 80er
und 90er- Revivals in sind. Sie treffen sich zu FlowerPower-, Disco-, New
Wave- und Rave-Parties und hören die CDs ihrer Eltern. Original-CDs und
LPs der vergangenen vier Jahrzehnte werden verstärkt bei Ebay gehandelt.
Es wird vermutet, dass die Kids die CD erwerben, kopieren und dann
weiterverkaufen. Das ist legal, da die alten CDs keinen Kopierschutz
haben und nur Originale angeboten werden.
2006:
Die Musikindustrie bringt ein neues Tonträgerformat heraus: Die "Smart
CD". Sie benötigt spezielle Abspielgeräte mit Internet-Anschluss. Die
Smart-CDs lassen sich nur abspielen, nachdem vorher eine Lizenz über das
Internet gekauft wurde. Lizenzen gibt es nur noch temporär, es ist nicht
mehr möglich, ein Musikstück "für immer " zu erwerben. Dafür werden die
"Smart-CD"- Spieler im Bundle mit einem Musik-Abo für einen Euro
angeboten. Als erfolgreichste Künstler werden Herbert Grönemeyer, die
Scorpions, Mark Oh, Oli P. und Peter Kraus ausgezeichnet. Die Charts
werden beherrscht durch Songs wie "Flugzeuge im Bauch Ultimate Edition"
mit Herbert Grönemeyer, Oli P. und Xavier Naidoo, "You Keep Me Hanging
On" mit den Supremes, Kim Wilde und Sinema sowie "Anyplace, anywhere,
whatever" von Nena, Kim Wilde und Jan Delay. Aus Anlass der Fußball-WM
wird mit großem Marketing-Aufwand eine neue Latino- Salsa-Welle
propagiert, mit Carlos Santana und Richie Valens ("La Bamba World Cup
2006 Mousse T. Remix") als Galionsfiguren. Obwohl Brasilien zum sechsten
mal Weltmeister wird, hat die Welle nur mäßigen Erfolg. Der Absatz der
Musikindustrie sinkt weiter.
2007:
Mit Hinweis auf die vielen bedrohten Arbeitsplätze setzt die Musik-Lobby
ein Gesetz durch, nachdem der Rückruf einmal erteilter Lizenzen möglich
ist. Prompt widerruft die Industrie alle bisher erteilten Lizenzen auf
nicht kopiergeschützte Tonträger. Damit werden alle älteren CDs und alle
LPs illegal, ebenso Plattenspieler und CD- Spieler, die nicht dem "Smart
CD" Standard entsprechen. Im Austausch für ihre Original-CDs bietet die
Industrie CD-Besitzern eine Einjahreslizenz für die auf der CD vorhandene
Musik an. Nach einer erneuten Abmahnwelle der Kanzlei G. aus M. bricht
der Tonträgerhandel über eBay zusammen. Auf die Veröffentlichung von
Charts und die Auszeichnung von Künstlern wird verzichtet. Zunächst
einmal müssen die Lagerbestände an CDs abverkauft werden.
2008:
Musik wird in Deutschland nur noch im Radio oder bei Konzerten gehört.
Das Radio verliert aber an Popularität, seit die Industrie die Sender
zwingt, nur noch neueste Produktionen zu spielen und über diese
drüberzusprechen, damit das Aufnehmen mit Tapedecks verhindert wird.
Konzerte sind fast unbezahlbar geworden, da das gesamte Management von
den Eintrittspreisen mitbezahlt werden muss. Dagegen häufen sich die so
genannten "Open Jams", spontane Zusammenschlüsse von Hobby-Musikern, die
auf öffentlichen Plätzen mit Gitarre, kleinem Schlagzeug, Keyboard,
Saxophon etc. Musik spielen und von begeisterten Zuhörern gefeiert
werden.
2009:
Die Musiklobby setzt beim Gesetzgeber das Verbot öffentlicher und
privater Performance urheberrechtlich geschützten Materials durch.
Musikinstrumente werden mit einer Urheber-Abgabe belegt, da man ja eine
Gitarre etwa zum Raub-Abspielen von Stones-Songs missbrauchen kann.
"Making music is killing music" lautet die begleitende Kampagne, die den
Leuten Unrechtsbewusstsein beibringen soll.
2010:
Um Arbeitsplätze bei Musikern zu schützen, wird Musikunterricht
rationiert: Es dürfen nur noch so viele Nachwuchsmusiker ausgebildet
werden, wie der Markt braucht. Da dieser schneller schrumpft als die
Musiker wegsterben, bedeutet das faktisch ein Verbot des
Musikunterrichts. Hunderte Musikschulen werden geschlossen.
2011:
Sarah Connor versucht mit "Terminate Me" einen neuen, nicht gecoverten
Song herauszubringen, wird aber dafür von den Anwälten der
Musikrechteinhaber verklagt, die es nicht erlauben, dass neue Urheber am
kleiner werdenden Kuchen mitverdienen wollen. "Composing Music is killing
Music" heißt das Schlagwort der Inhaber alter Rechte. Sarah Connor
gewinnt den Rechtsstreit, wird aber kurz darauf unter mysteriösen
Umständen ermordet aufgefunden. Von nun an traut sich niemand mehr, neue
Songs zu schreiben.
2012:
Die Eltern des 6jährigen Wolfgang Amadeus Moherb, des "Jugend-musiziert"-
Siegers, werden zu 150.000 Euro Schadenersatz an die Musikindustrie
verurteilt, weil sich herausgestellt hat, dass ihr Kind erst seit
eineinhalb Jahren musiziert, also nach dem Inkrafttreten der
Unterrichts-Rationierung. Seine Lehrerin, die Violinistin Anne-Sophie
Mutter, entzieht sich einer Gefängnisstrafe durch Flucht in den Irak, dem
einzigen Land, das nicht unter Kontrolle der westlichen Wertegemeinschaft
und damit der Musikindustrie ist.
2020:
Nahezu jede tonliche Äußerung, darunter Motorgeräusche, Trittschall,
Türschließgeräusche und gesprochenes Wort, sind unter urheberrechtlichen
Schutz gefallen. Eine Tür zumachen darf quasi nur noch, wer nachweisen
kann, dass der dabei erzeugte Schall nicht dem von Porsche patentierten
ähnelt. Die einzigen lizenzfreien Worte sind "der", "die", "das", "und"
und "hallo". Die Gespräche von Menschen, die sich das "Deutsche Sprache
Abo" nicht leisten können, sind daher fast unverständlich geworden.
Überhaupt ist es sehr still geworden, da fast jede Schallerzeugung das
Risiko einer Abmahnung durch den Münchner Justizkonzern G. und Söhne in
sich birgt. Die Anwälte der Ton und Schall Industrie-Gemeinschaft machen
Jagd auf Park- und Waldbesitzer, die in ihren Anwesen das illegale Singen
von Vögeln dulden.
2050:
Europa und die USA sind in einem Handstreich vom Irak eingenommen worden.
Die Iraker brauchten nur einen einzigen Muezzin, um die halbe Streitmacht
der Westmächte auszuschalten, die sich, an Schall nicht mehr gewöhnt, mit
zugehaltenen Ohren am Boden wälzte. Die andere Hälfte und die zivile
Bevölkerung wurden dadurch gewonnen, dass man ihnen Kinderlieder vorsang.
Die Menschen fingen an zu weinen und den Invasoren auf Knien zu danken,
für diese neue und wunderbare Gabe, die sie so lange vermisst hatten.
Seither ist der Islam die größte Weltreligion und das Reich Allahs unter
der weisen Herrschaft des Kalifen von Washington schwingt sich auf zu
neuer Blüte.