"Das ZDF, das ist so froh,
mit Gottschalk und mit HARIBO"
DIE SEHGURKE
Das Grauen
"50 Jahre Rock", vom Samstag, ZDF, 20.15 Uhr.
VON STEFAN BEHR
Vergangenen Samstag vor 50 Jahren - also exakt am 17. April 1954 - erfanden
Knut
Kiesewetter und Bodo Eichhorn in Büsum den Rock. Es war eine eher zufällige
Erfindung: Eigentlich wollten die beiden Marzipan herstellen, um damit die
gegen
die Stadtmauern stürmenden Dänen abzuwehren. Marzipan kennt heute kein
Mensch
mehr, Rock ist in aller Munde. Seinen Erfindern erging es schlecht:
Kiesewetter
starb 1974 verarmt und in geistiger Umnachtung; Eichhorn wählte 1992 den Freitod, weil er sich zeitlebens eine Mitschuld an den Scorpions gab.
Das mag ziemlich irre klingen. Ist es wohl auch. In einer Welt aber, in der
der
Multifunktions-Moderator Thomas Gottschalk (Wetten dass...?, Gottschalk
America,
Haribo) eine ganze Kunstgattung zur wöchenendlichen Prime-Time ungestraft in
den
Kot ziehen darf, hat der Irrsinn ja offenkundig Konjunktur.
50 Jahre Rock also. Wenn Herr Gottschalk das so beschlossen und Herr Jauch
nicht
widersprochen hat, dann wird's schon stimmen, und dann ist das allemal ein
Grund
zum Feiern. Schließlich hat der Rock zwar viel Leid über die Menschheit
gebracht
(Scorpions), aber auch der Freude schöner Götterfunke wurde so manches mal gezündet. Was die angereisten "Stargäste" mit Rock zu tun hatten, blieb der Fantasie des Zuschauers anheim gestellt, wahrscheinlich ist, dass es bei
ihnen
für die Comeback-Show auf Pro 7 einfach nicht mehr gereicht hat. Die
zusätzlich
angebotenen fünfsekündigen Musikvideo-Häppchen machten zwar niemanden satt, wurden aber immerhin nicht von Achtel-Prominenten aus Gute Zeiten, Schlechte Zeiten oder aus 7 Tage - 7 Köpfe vorgekaut, wofür man heutzutage schon
dankbar
sein muss.
Wer aber das Grauen sah und hörte, das Grauen, als am Ende eine hydraköpfige "All-Star-Band" mit Wiedergängern wie dem schandbaren Kolkraben Klaus Meine
(SPD) das an und für sich hochvernünftige und rechtschaffen rebellische "Imagine" von John Lennon auf das Widerlichste schändete, der musste sich fragen, ob nach 50 Jahren Rock nicht der ideale Zeitpunkt für ein bisschen aktive Sterbehilfe gekommen ist.
In diesem Sinne gebührt Thomas Gottschalk Dank.
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Dokument erstellt am 18.04.2004 um 17:12:21 Uhr Erscheinungsdatum 19.04.2004