Workshop Bericht Terry Bozzio uns so

  • Ich habe Herrn Bozzio auch in Karlsruhe gesehen. Das erste Mal. Auch wenn ich das besser nicht öffentlich schreiben sollte, war er bisher nie so richtig mein Ding. Da man aber ja genau das nicht öffentlich schreiben solte, dachte ich mir, dass ich dem Mann mal eine Chance gebe und ihn mir live angucke. An der Euphorie um ihn könnte ja was dran sein :)


    Vielleicht zuerst der Disclaimer vorneweg: Meine Bewertung ist natürlich immer in Relation zu seinem Status als Welttrommler formuliert. Dass meine Fähigkeiten nicht ganz an seine rankommen, soll mich nicht daran hindern, hier scharf zu kritisieren und rufschädigend einzuwirken ;)
    Außerdem bin ich gerne hier im Drummerforum. Ich bitte das bei meiner Steinigung (vielleicht wenigstens bei der Wahl der Steine) zu berücksichtigen.



    Wie gesagt hatten mich die Videoschnippsel, die ich von ihm kannte, nie wirklich gepackt oder überzeugt. Dementsprechend hatte ich von dem Abend nicht viel erwartet. Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. :)
    Nachdem Herr Bozzio nett winkend und unter großem Beifall hinter sein Schlagzeug geklettert war, begann er sein erstes Stück mit dem Schütteln unterschiedlicher Percussioninstrumente. Darauf folgte das "Solieren" über einem Fußostinato auf den zahlreich vorhandenen Trommeln und Becken in sehr gemäßigter Lautstärke. Nach dem Lied bedankte sich das beigeisterte Publikum mit Stille. Es ging ja schließlich um Kunst, da war nicht klar, ob Applaus angebracht ist. Nach ein paar Stücken (mittlerweile wurde auch geklatscht), kletterte Terry aus seiner Burg, um ein paar Worte an das Publikum zu richten. Das war dann die Stelle, an der ich die Schublade für Poser aufmachen und ihn rausholen musste. Ich muss sagen, dass er mich im lockeren Gespräch wirklich beeindruckt hat. Er scheint ein unglaublich sympathischer Mensch zu sein, der sich tatsächlich über das Eine oder Andere Gedanken macht. Er hat mich sehr gut unterhalten. Schade, dass die dritte oder vierte Frage aus dem Publikum dann schon war, ob er nicht noch etwas spielen könne. Ich hätte seinen Geschichten gerne länger zugehört.
    Egal, interessanterweise hat mir sein Spiel nach diesem neuen Eindruck von ihm viel besser gefallen. Komisch :)


    Aber mal im Ernst:
    - besonders gefallen hat mir seine sehr symphatische Art
    - ich hatte das Gefühl, dass er sich mit der Materie, die er darbietet, beschäftigt und sich dazu Gedanken gemacht hat
    - natürlich scheint er ein guter Schlagzeuger zu sein :rolleyes:
    - Die offenen Bassdrums klangen je nach Kontext unglaublich gut und passend.


    Aber:
    - Die Umsetzung seiner Gedanken erschienen mir zu willkürlich, zu improvisiert.
    - Musikalisch und technisch kenne ich da (ich gebe zu, dass man natürlich etwas verwöhnt ist) eine ganz andere Liga. Da hilft auch der Verweis auf die besondere Kunst oder auf chromatische Trommeln nichts. Mich hat es einfach nur an wenigen Stellen richtig gepackt.
    - Die Fußostinati hatten eine überschaubare Komplexität (ich weiß, Musik vs Technik usw...)
    - Einige Doppelpedalpassagen klangen mir recht unsauber. Und das ohne nach Fehlern zu suchen und darauf zu warten / hoffen. Es klang stellenweise einfach matschig. Das lag aber natürlich auch an den extrem offenen Trommeln.
    - Auch die (ich würde sagen) Presswirbel auf den Trommeln kamen mir oft störend unsauber vor.
    Hätte ein unbekannter Wald- und Wiesentrommler eine ähnliche Leistung abgeliefert, wäre ich stellenweise beeindruckt gewesen, hätte mich an anderen Stellen aber auch ein wenig geschämt. Beim Terry gehe ich aber natürlich davon aus, dass alles beabsichtigt und künstlerisch wertvoll war. Eventuell reicht aber auch mein Intellekt einfach nicht aus, um die dargebotene Kunst in ihrer Gänze zu erfassen (Hurz).


    Klingt jetzt alles dramatisch oder wie das Geschwätz eines Wahnsinnigen, ist es aber nicht (zumindest Ersteres). Denn mein Fazit lautet:
    Ich wurde sehr gut unterhalten. Ich habe einen sehr sympathischen Schlagzeuger kennengelernt, dessen Erzählungen ich stundenlang lauschen könnte. Sein Schlagzeug ist wirklich beeindruckend, keine Frage. Das Gespiele an sich war stellenweise auch großartig, für mich aber nicht über jeden Zweifel erhaben, wirklich nicht. Ich kann die Glorifizierung also nur eingeschränkt nachvollziehen. Alles in Allem war es ein schöner Abend.



    Zum Abschluss noch ein schönes Zitat, das er zitiert hat:
    "I'm spending 99% of my time, tuning my instrument and 1% playing out of tune" :D

    "Just beat the devil out of it." - Bob Ross

    Einmal editiert, zuletzt von Korki ()

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