Alles anzeigenHier auf die jeweils andere Partei rumzukloppen bringt nix, das hatten wir schon.
Ich persönlich stecke noch tief im Meinungsbildungsprozess und danke allen hier, die sich mit viel Energie in diese Sache reinhängen.
Von mir wieder nur ein Link:Vorstellung der Urheberrechtsposition der Piratenpartei und Aufklärung von Mythen
lG
Wer den Link als Urheberrechts-Kundiger durchliest, merkt schnell, dass die Piraten von ihrem aufsehenerregendsten und wählerträchtigsten Thema selbst entweder überhaupt keine Ahnung haben, oder ihre breite potenzielle Kundschaft wider besseren Wissens fehlinformieren.
ZitatIn Deutschland, anders als beispielsweise in den USA, wird zwischen dem Urheberpersönlichkeitsrecht und den Verwertungsrechten unterschieden. Erstere umfassen die persönlichen Rechte des Urhebers an seinem Werk, sie sind unveräußerlich. Die Verwertungsrechte sind hingegen handelbar.
[...]
Die Piraten erkennen die Urheberpersönlichkeitsrechte vollumfänglich an. Diese umfassen die korrekte Angabe des Urhebers, das Recht auf Erstveröffentlichung und den Schutz vor Entstellung. Die korrekte Angabe des Urhebers ist die Grundlage für Respekt und finanzielle Wertschätzung. Sich mit fremden Federn zu schmücken ist glatter Betrug, den wir scharf verurteilen.
Piratenpartei (CC-BY-SA)
Das hat mich herzlich zum Lachen gebracht. Erstens sind Urheberpersönlichkeitsrechte und Verwertungsrechte nicht voneinander zu trennen. Das deutsche Urheberrecht ist nicht das US-Recht (Vermögensinteressen) plus Urheberpersönlichkeitsrechte (ideelle Interessen), sondern ein vollkommen eigenständiges System. Das Urheberpersönlichkeitsrecht betrifft das „geistige Band” zwischen dem Urheber und seinem Werk, welches sich nicht auf die gnädigerweise anerkannten Nichtigkeiten der §§ 12-14 UrhG beschränkt, sondern explizit die eigenen Abwehransprüche des Urhebers bedingt. Ein Blick auf den ersten Satz zum Thema bei der freien und imho zu Recht hochgelobten Enzyklopädie Wikipedia erhellt bereits:
Zitat
Zweitens versäumen die Piraten, mitzuteilen, was sie sich denn für den Fall von inkorrekten Urheberangaben so ausgedacht haben. Abmahnungen? Betrugsanzeigen? Hihi, lustige Mythenaufklärung: Bei "Diebstahl" wird sich ins Hemd gemacht, ersatzweise werden falsche ID3-Tags als "Betrug" gewertet. Jetzt mal bloß nicht spitzfindig werden.
Drittens, vor dem Hintergrund wachsenden Gegenwinds Kulturbefasster, stellt man sich weiterhin als Anwalt der Urheber dar, wie es zynischer kaum geht:
ZitatDie derzeitigen Regelungen führen trotz eines stetig wachsenden Kulturgütermarktes bisher noch selten dazu, dass die Urheber angemessen an den daraus entstehenden Einnahmen beteiligt werden. Daher setzen wir uns für eine Stärkung der Urheber gegenüber Rechteverwertern in Form eines Urhebervertragsrechtes ein.
Piratenpartei (CC-BY-SA)
Das macht neugierig. Die armen Urheber sollen von den bösen Vertragspartnern geschützt werden. Schließlich sind die Urheber heute ja quasi fernab jeglicher Vertragsfreiheit alternativlos gezwungen, sich von bösen Verwertern übers Ohr hauen zu lassen. Daher wohl die revolutionäre Forderung:
ZitatJeder darf selbst entscheiden, ob und wie er seine Arbeit vermarktet, er kann dabei aber nicht verlangen, dass das Gesetz nur nach seinem Geschäftsmodell ausgerichtet wird.
Piratenpartei (CC-BY-SA)
Wie wir alle wissen, ist das Veröffentlichen eines Werkes in eigener Sache (z.B. bei Youtube) oder das Verwerten im eigenen Vertrieb bekanntlich völlig unmöglich
Statt dieser Entscheidungsfreiheit, wie er sein Werk verwertet, soll der Urheber gezwungen werden, sein Geschäftsmodell an der Sammelgier der Umsonst-Downloader auszurichten.
Viertens beschränkt man sich bei diesen Alternativmodellen mal wieder auf Schlagworte:
ZitatNiemand verlangt, dass alle Urheber kostenlos Werke schaffen. Die Nutzer sind in der deutlichen Mehrheit bereit, Geld für Kulturgüter auszugeben. Aus diesem Grund funktionieren die meisten derzeitigen Geschäftsmodelle immer noch sehr gut. Weiterhin gibt es viele neue Geschäftsmodelle, wie Crowdfunding, Social Payment, Werbefinanzierung und den Verkauf nicht digital kopierbarer Dinge, wie Sammlerstücke, handsignierte Exemplare, Merchandiseartikel, Auftritte usw. Alle Geschäftsmodelle, welche die nichtkommerzielle Vervielfältigung unbeschränkt lassen möchten, werden von den Piraten als unterstützenswert betrachtet.
Piratenpartei (CC-BY-SA)
Das ist mal wirklich durchdacht. Die Urheberpersönlichkeiten sollen halt etwas herstellen, was man nicht kopieren kann, dann gibt es auch das Problem mit dem Kopieren nicht mehr. Besonders werden sich die Studiomusiker freuen, zuzüglich über die immensen Einnahmen aus Crowdfunding, Social Payment und Werbefinanzierung (warum nicht Ad-Financing?). Das überzeugt doch sofort!
Crowdfunding bedeutet wohl, den Web-Pro-Nerds viel Geld zu bezahlen, damit sie ein Projekt bekannt und somit crowdfundisierbar machen. Social Payment wurde wohl in englisch gewählt, um den Ausdruck "um Spenden betteln" zu vermeiden. Werbefinanzierung - die Urheber sollen dem Konsumenten Werbung aufzwingen ... Es scheint unendlich viel Werbe-Potenzial zu geben, und davon haben die Konsumenten ja auch alles andere als die Schnauze bereits lange voll, wie die mangelnde Popularität von AdBlock-Software dokumentiert.
Diese Ideen sind völlig ohne Rechtsreformen ohne weiteres heute realisierbar, jedoch dermaßen ungeeignet, dem Nichtprominenten ein Auskommen zu sichern, dass sich der Kulturschaffende bereits jetzt auf die Anrechnung zur Sozialhilfe, demnächst dann anrechnungsbefreit aufs "Grundeinkommen" freuen kann, geht es nach der Piratenpartei.
Es bleibt dabei: Bei den Piraten herrscht im Gegensatz zum status quo und im Gegensatz zu gegnerischen Extrembemühungen weiterhin völlige Konzeptlosigkeit, abgesehen von dem Konzept, sich eine naive Wählerschaft zu sichern. Oder habe ich wieder alles falsch verstanden?