Manfred von Bohr, Poet des Ungefähren / Der Klangkreis

  • Alle drei oder vier Jahre kaufe ich mir eine Ausgabe des Zentralorgans des deutschsprachigen Schlagzeugwesens, des drums & percussion (d&p). Die Interviews überblättere ich dann immer, da sie nur selten, eigentlich nie, den interviewten Menschen oder Musiker näherbringen, aber das ist ja Standard in deutschen Musik- und Instrumentmagazinen und stört offenbar niemanden außer mich. Für diese Schülerzeitungsinterviews entschädigen aber andererseits die Testberichte.


    Das Schöne an den Testberichten ist, dass sie seit 15 Jahren gleich klingen und überwiegend von denselben Menschen verfasst werden. Mein Lieblingstester ist d&p-Chefredakteur Manfred von Bohr. Dass etwa das Wort "knackig" noch im Duden gelistet wird, ist vermutlich allein von Bohrs unermüdlicher Verwendung desselben geschuldet. Keine Snaredrum, die er in den vergangenen 4000 Jahren getestet hat, die nicht in dieser oder jener Hinsicht "knackig" geklungen hätte, etwa die des in der aktuellen Ausgabe getesteten Tama Starclassic Bubinga-Sets. "Knackig" aber, das entnehmen wir ebenfalls der aktuellen d&p, klingen auch die Rimshots auf den Toms des Pearl Reference Pure-Shellset. Außerdem klingen diese Toms "offen", so wie die des Tama Starclassic Bubinga und des Premier Classic Studio, auch für die aktuelle Ausgabe getestet. Alle Toms klingen bei Manni von Bohr "offen", so wie alle Snaredrums "knackig" und seit neuestem "kernig" und in hohen Stimmungen "funky" klingen. Sie sprechen auch "sensibel an". Alle, tief wie flach, Holz wie Metall, groß wie klein. Manfred von Bohr, ein Poet des Ungefähren.


    Will man nun wissen, worin sich die getesteten Sets klanglich unterscheiden, erfährt man beim Tama Starclassic Bubinga dies: "Die Toms klingen mit den aufgezogenen doppellagigen Schlagfellen sehr schön voluminös, warm und rund..." - ganz untypisch für Toms mit doppellagigen Fellen. Aber: "Mit einschichtigen, klaren Fellen" wird der Klang dieser Toms "offener, etwas wärmer und dynamischer". Damit Toms mit unterschiedlich dicken Fellen unterschiedlich klingen, müssen sie wohl aus der Starclassic-Serie von Tama sein. Ähnlich präzise die Beschreibung des Bassdrum-Klanges: "Die Bassdrum liefert einen druckvollen und dank der vorgedämpften Felle einen definierten Bassdrumsound mit deutlichem Kick und sattem Tieftonfundament." Und: "Wer es" beim Bassdrum-Klang "noch kontrollierter mag, dem sei das bewährte Luftloch im Resonanzfell empfohlen". Allgemeingültiger kann man nicht beschreiben, als dies trifft auf jede Trommel der Welt zu.


    Kurz noch etwas zum Klang des Pearl Reference Pure: "Das Set reagiert sensibel, spricht sofort an und kann gleichzeitig druckvoll sein." Und: Wie es der Zufall will, hat die Bassdrum wie die des Tama Starclassic Bubinga "ein enormes Fundament". Da wird schnell klar, warum für ein 22-10-12-16-Pure-Reference-Shellkit 3807 Euro fällig werden.


    Mal ehrlich: Solche Tests kann jeder schreiben, dazu muss er die Trommeln nicht einmal gesehen geschweige denn gespielt haben. Selbst die Klangbeschreibungen auf den Homepages der jeweiligen Hersteller sind in der Regel präziser als die Manfred von Bohrs. Das gilt im übrigen auch für seine Beckentests: Die in der aktuellen Ausgabe getesteten Zildjian-Chinas (Z3, Avedis Swish Knocker) enthalten exakt dieselben beschreibenden Vokabeln, die sich auf der Zildjian-Homepage finden.


    Es ist schade, dass dem Leser so verborgen bleibt, welche Spezifika eines getesteten Sets/Trommel/Beckens sich wie auf den Klang auswirken. Woher genau das verwendete Holz kommt, und ob die Tama Starclassic-Bubinga-Kessel anders klingen als andere Bubinga-Kessel - und warum. Man erfährt nichts über die Herstellungsmethode und deren Einfluss auf den Klang, man erfährt nur, was man in jedem Prospekt auch erfährt: Welche Lugs verwendet werden, welche Werksfelle, den UVP. Dass auch kleine Toms druckvoll klingen können, wenn man sie entsprechend spielt, und dass die Rimshots auf der Snaredrum "knackig" klingen.


    Die Tests von Manfred von Bohr sind so schlecht und nichtssagend, dass er mir fast ein bisschen leidtut. Andererseits ist der Gleichklang seiner Tests eine Konstante im Leben jedes Lesers, und Konstanten sind in einer Zeit, die mehr Veränderungen bringt als die meisten Menschen verkraften können, besonders wichtig.


    Um nicht un- bzw. dekonstruktiv zu sein, möchte ich kurz auf den sogenannten Aromakreis hinweisen. Der Aromakreis ist von der University of California-Davis in Analogie zum Farbtobkreis von Eugène Chevreul erstellt worden, um Geruch und Geschmack von Weinen so präzise wie möglich unterscheiden und dann beschreiben zu können:



    http://www.der-sommelier.com/aromakreis.htm (Vielleicht kann einer der Mods das Bild einfügen, ich habe keinen Plan, wie das mit dem vorhendenen Instrumentarium funktioniert.)




    Wäre es nicht möglich und sinnvoll, in Analogie zu diesem Aromakreis eine Art Klangkreis zu erstellen, damit der arme Manfred von Bohr etwas an die Hand bekommt, um seinem Beruf mit einem Mindestmaß an Würde nachgehen zu können?

    Irgendeiner wartet immer.

  • Das gleiche Phänomen kennt man ja auch aus der drumheads und der sticks, hier sind die Herren Mikolajczik (o.ä. ?) besonders lobend zu erwähnen, insbesondere die Cymbal-Tests.
    Das Geld für solche Magazine kann man sich ebenso sparen wie für die nochmal so teuren "Rolling Stone" oder "ME". Da wird wie oft über 6 Seiten ein Müll abgesondert, daß es einer Sau graust.


    Aber zur Ehrenrettung: Ist es nicht auch so gut wie unmöglich mit geläufigen Attributen "Klänge" zu beschreiben, die ja außerdem noch der totalen Subjektivität unterliegen...?


    Ich würde es noch nicht einmal versuchen wollen, geschweige denn ein Magazin rausgeben... :whistling:

    An meine CDs lasse ich nur Haut und Wasser... !


    "E.F. stört wiederholt durch unqualifizierte Bemerkungen und widerspricht fortwährend!"
    (Klassenbucheintrag 1983)

  • Zitat

    Ich glaube den Teil ab "Mal ehrlich" hätte ich weggelassen und diese wunderbar satirische Zusammenfassung für sich stehen lassen


    das ist keine satire, das ist die realität.
    bitte nicht verwechseln.



    schön das du mal wieder hier her gefunden hast, frint!

    Satellite of Love

  • Das bisher Bemängelte würde ich nun nicht unbedingt nur an M.v.B. festmachen - alle anderen , in Musikzeitschriften tätigen, Tester sind imo leider ebenso oberflächlich und indifferent in ihren Testbeschreibungen, eben einfach nur erweiterte Produktbeschreibungen der Hersteller.


    Und dennoch können imo diese Tests für einen noch unerfahrenen, jungen Drummer schon mal die gröbste Spreu vom Weizen trennen, in der unheimlich großen Auswahl an Drumsets und Becken.


    Ich würde mir zwar oft genug eine ernsthaft wehtuende Bemerkung zu groben und unüberseh/hörbaren Fehlern bei Drums und Becken wünschen, aber davon werde ich wahrscheinlich weiterhin nur träumen können, weil die Tester nun mal eben alle von den großen Inserenten der Zeitschrift abhängig sind.
    Und die gesamte Qualität hat sich in den letzten 20/30 Jahren doch sehr gehoben und angeglichen (auch in den unteren Preisklassen!!), zumindestens von der Verarbeitung, Stabilität und der Haltbarkeit her gesehen - klangliche Unterschiede waren immer schon stark subjektiv und Zeitgeist/modeabhängig und lassen sich nicht wirklich testen/bewerten.
    Was des Einen sein Himmelreich ist da eben des Anderen Hölle, oder so ähnlich.

  • Bei Paiste hat sich mal ein schlauer Marketingmensch die Mühe gemacht, die Paiste Beckenserien aus den 90igern recht bildhaft zu beschreiben. Die Erläuterungen zu den verschiedenen Becken kann man m.M. nach auch auf Becken von anderen Herstellern übertragen.


    Der Mann hatte linguitisch Einiges drauf (" Der allgemeine Klangeindruck ist luftig, dunkel schimmernd mit einem Touch einer leicht heiseren, bedämpfften Stimme."), aber lest selbst:



    Aus diesen Fundus diverser Soundbeschreibungen hätte man für Zymbeln schon mal eine gute Grundlage für einen Klangkreis.

  • Manni ist ein ganz netter und es gibt wohl nur wenige hier im Forum und auch sonst in D, die sich so gut mit Equipment auskennen.


    Stimmt!! Ich habe ihn mal auf einer Drumclinic kennengelernt und das auch so empfunden, tausend kleine Tipps und Anekdötchen rund ums Drumset parat, unabhängig von dem damals beworbenen Drumequipment und das auch lange nach Beendigung der offiziellen Clinic und absolut nicht abgehoben.

  • Es sollte doch jedem klar sein, dass solche Zeitschriften ein reines Marketinginstrument der Hersteller sind


    ...oder hat jmd. schonmal auch nur einen einzigen negativen Bericht gelesen?


    Selbst der billigste Schund klingt dann knackig, voluminös, offen usw.


    Warum soll man 5 € und mehr zahlen um sich mit versteckter werbung gepaart mit offensichtlicher Werbung (mittlerweile jede 2te Seite und mehr...) berieseln zu lassen?

    Ist das Resofell gerissen,
    kling die Snare meist recht beschissen
    Ist das Teil dann wieder heil,
    klingt die Karre wieder geil :P

  • Ich weiß gar nicht, wie man sich erlauben kann derart herablassend über eine Größe wie M. v. B. zu reden. Nicht nur dass er ein genialer Drummer und Chefredakteur eines Magazins seiner Branche ist, er weiß wahrscheinlich mit am Besten ganz genau welche Kombination aus Holz, Fell und Hardware welchen Klang ergibt und welche Änderungen was bewirken.
    Er hat geballtes Wissen und Können vereint und ist zudem auch noch ein echt netter Kerl.


    Dass er nicht der sprachlich Kreativste ist, um seinem gewaltigen Wissen Ausdruck zu verleihen, tut der Sache keinen Bruch ab und gibt niemanden das Recht, ihn so zu verurteilen!

  • M.v.B ist der deutsche Schlagzeugerpapst. Schon seit dem Fachblatt. Legendär. Sympatisch, nett und kompetent.


    Das Problem ist, man kann das Rad nicht 25 mal neu erfinden. Es ist im Prinzip das Meiste schon mal da gewesen.
    Also muss man jede Kleinigkeit neu aufblasen und einen dicken Bericht, Workshop oder Test machen.


    Beispiel: der Benny Greb Workshop über Zeitmanagement. Wurde über 4 Ausgaben aufgeblasen und hätte eigentlich auf eine halbe Seite gepasst.
    Sowas ärgert mich, und wirklich Neues hat der Gute dabei auch nicht rausgefunden.


    Auch so was: Immer dieselben Gesichter auf den Workshop-Masterclass-Veranstaltungen (incl. Manni, der soll ja auch drüber schreiben)

  • Der Anfangspost ist nicht herablassend. Er bringt die Sache auf den Punkt ohne persönlich zu werden und ist ausserdem besser geschrieben, als jeder Artikel, der je aus Mannis Tastatur floss. (Auch schön geschrieben, nicht wahr? ;))



    Achso - da ist er, der Kreis:

  • Zitat

    Die Tests von Manfred von Bohr sind so schlecht und nichtssagend, dass er mir fast ein bisschen leidtut.

    Solche Aussagen sind m.E. sehr herablassend für jemanden, der an Kompetenz dem Bilde Bohrs - so vermute ich - wahrscheinlich nicht gleichkommt..



    Dass Manni seinem Job als Chefredakteur nachkommt und ab und zu für eine Firma einen Bericht schreiben muss, die voller Stolz mit ihrem neuen Set an ihn herantritt und ihn bittet es mit Testbericht zu puplizieren, kann man ihm wohl nicht verübeln. Dass er jene Sets - selbst bei offensichtlicher Suboptimalität - nicht in den Dreck ziehen wird, ist wohl auch klar.
    Es gibt eben keine großen neuen Erfindungen in dem Bereich und nicht jeder muss so links-Gehirn hemisphärendominant sein, um alten Wein mit kreativen Worten als innovativ zu verkaufen.

  • Solche Aussagen sind m.E. sehr herablassend für jemanden, der an Kompetenz dem Bilde Bohrs - so vermute ich - wahrscheinlich nicht gleichkommt..


    Das ist doch gar nicht der Punkt...MvBs Kompetenz ist nach so vielen Jahren in der Szene völlig unbestritten, wer einen seiner Workshops besucht hat wird das sicherlich genauso sehen. Er lässt diese Kompetenz aber zu oft in seinen Artikeln vermissen und arbeitet statt dessen mit den immergleichen Floskeln, dabei ist es faktisch egal um welches Produkt es sich handelt. Das hat m.E. nichts mit objektiver Berichterstattung oder "Fachpresse" zu tun sondern ist offensichtlich reine Werbung. Das sollte man bedenken wenn man für den nächsten Kauf einen solchen Artikel zu rate zieht.


    Das gilt selbstverständlich nicht nur für D&P oder MvB im speziellen

    Ist das Resofell gerissen,
    kling die Snare meist recht beschissen
    Ist das Teil dann wieder heil,
    klingt die Karre wieder geil :P

  • ... für eine Firma einen Bericht schreiben muss, [..] bei offensichtlicher Suboptimalität - nicht in den Dreck ziehen wird, ist wohl auch klar.


    Das ist überhaupt nicht klar. Es geht meilenweit am Sinn eines solchen Magazins vorbei. Natürlich befindet sich die Redaktion in einer Abhängigkeit zu den werbenden Firmen.
    Wenn man sich davon jdeoch beeinflussen lässt, kann mans gleich lassen.
    Das der Herr von Bohr ein super Schlagzeuger und Mensch ist, glaub ich ungesehen. Hat hiermit aber nichts zu tun.
    Da braucht man sich auch nicht künstlich drüber aufzuregen, wie man es denn wagen könne ein schlechtes Wort über seine Arbeit zu verlieren.


    Wenn Bahnfahrten nicht so langweilig wären, würd' ichs wahrscheinlich gar nicht mehr lesen.


    P.S.: son' Thread gabs hier doch schonmal, oder?

  • Dass Manni seinem Job als Chefredakteur nachkommt und ab und zu für eine Firma einen Bericht schreiben muss, die voller Stolz mit ihrem neuen Set an ihn herantritt und ihn bittet es mit Testbericht zu puplizieren, kann man ihm wohl nicht verübeln. Dass er jene Sets - selbst bei offensichtlicher Suboptimalität - nicht in den Dreck ziehen wird, ist wohl auch klar.


    Ich frage mich ernsthaft, ob Du wirklich so naiv bist, oder einfach nur zynisch.

  • Ganz unabhängig von Manni (der nebenbei erwähnt ein super-netter und wahnsinnig beeindruckender! Mensch und Drummer ist... und diese Zeile garnicht nötig hat):


    Wer regelmäßiger in die Fachzeitschriften schaut, egal ob Drums & Percussion, Sticks oder Drumheads!! dem wird nicht entgehen, dass manche Reviews mancher Reviewer in den letzten Monaten (marginal - aber spürbar) kritischer geworden sind.


    Ich führe das nicht zuletzt auf unser Forum zurück und dem in weiten Teilen der Drumcommunity hörbar postulierten Wunsch, auch über verbesserungswürdiges oder gar (sofern diese Vorliegen) offensichtliche Schwachstellen bei Produkten in Kenntnis gesetzt zu werden.


    Es ist noch ein beträchtliches Stück Weg zu gehen...
    ... aber ich meine wirklich seit Monaten erste Anzeichen zu entdecken die über eine zufällige Häufung hinaus gehen.


    Natürlich muß die Drumcommunity diesen Wunsch auch als "Kampfruf" weiterhin deutlich hörbar machen. Dieser betrifft aber nicht nur die Fachmagazine. Das wäre unfair es auf dieses Medium zu verkürzen. Auch in Musikshops oder beim direkten Gespräch mit Vertrieben, Messen, Firmenvertretern gegenüber müßte viel deutlicher proklamiert werden, dass die Zeit der "Haushaltsreiniger-Werbebotschaften" vielleicht noch im Müttergenesungswerk zündet - aber nicht mehr unter erwachsenen drummern von Heute! Was sich manche Drummer in manchen Musikgeschäften für einen Unfug anhören ohne einfach mal mannhaft zu sagen "gibt es bei Ihnen eigentlich auch eine Stop-Taste?" oder "konkreter: "das glauben sie wohl selbst nicht, was sie mir da gerade erzählen" oder "können sie das belegen was sie da gerade behaupten?" etc. etc.. Also Kritik setzt eben auch im Alltag voraus, dass man mal Stellung bezieht. Und zwar Face to Face. Eher dann! wird sich branchenumfassend etwas ändern. Wenn die Kommunikation offener geführt wird und auch die andere Seite unmißverständlich und deutlich ihren Wunsch oder ihre Gegenthese artikuliert.


    Apropos kritisch: mir fällt da auf Anhieb ein Buch ein... bei dem ich inständig hoffe, das mal jemand der 3 Fachzeitschriften den Mut aufbringt da in einem Review Stellung zu beziehen.

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