Wie klingt eigentlich Leim?

  • Könnten wir uns eine Trommel ausschliesslich aus Leim bauen? Na, ich weiss nicht.


    Nun, das REMO "Acousticon R"- Material bestand doch schon fast nur aus Leim und feinsten Holz "Abfall"-Fasern :D - aber ok, hat sich auch nicht wirklich durchgesetzt in der Drum-Szene :rolleyes: .


    Ich denke aber auch, dass der Leim eher uninteressant ist für die Klangqualität einer Trommel - stabile Konstruktion (also nicht mit Luftlöchern zwischen den Holzlagen, hohe Steifigkeit auch bei dünnen Kesseln und die Qualität/Aufbau der verwendeten Felle machen imo letztendlich den Sound aus - je dicker der Kessel, desto präsenter, lauter, attackreicher - je dünner, desto leiser, dafür aber voller, bassiger, wärmer - so zumindestens meine bisherige Erfahrung.


    Aber vllt ist es auch wichtig, dass das verwendete Material BIO-Holz von freiwachsenden Bäumen ist und nicht so einen "Schund" aus industrieähnlichen Plantagen, wer weiß, was sich die Werbefritzen da noch als nächstes Verkaufsargument einfallen lassen :D :D

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  • @jalokin_b: Dass Leim härter sein kann als Holz, gut möglich. Dass Leim allerdings eine höhere Steifigkeit als Holz besitzt, wage ich zu bezweifeln. Kennst du ein Beispiel? Wenn ja, immer her damit. Wenn ich von einem relativ weichen (im Sinne von nicht steif) Holz wie Fichte ausgehe, habe ich ein E-Modul in Faserrichtung von 10 GPa. Da die Schichten i.d.R. kreuzverleimt werden bleibt effektiv ein Modul von 5 GPa. Da sind wir im Bereich von Epoxidharz. Steifere Hölzer haben einen Modul von ~13GPa. Die Dichte von Leim ist immer höher als von Holz. (Gegenbeispiele nehme ich gerne an)
    Warum ich das schreibe: unter der Annahme (Achtung: wissenschaftliche Erbsenzählerei!!) dass Leim eine Steifigkeit <= der Steifigkeit des Holzes besitzt, und dass das allgemeine Entwicklungsziel eines Kessels (darüber darf gestritten werden) möglichst hohe Steifigkeit ist, so kommt man zu dem Ergebnis, dass der Leimanteil möglichst gering sein sollte.
    Auch wenn man sich dem Problem von einer anderen Seite nähert, nämlich dass der Leim dazu da ist, die einzelnen Schichten zu verkleben und lediglich Schubspannungen überträgt, kommt man zum selben Ergebnis. Je dünner die Leimschicht, desto geringer ist die Verschiebung bei gleichem Schubwinkel (ergo bei gleicher Schubspannung) und somit sinkt der Einfluss der Steifigkeit der Klebschicht. Interessant ist auch, dass die Tragfähigkeit einer Verklebung mit sinkender Schichtstärke steigt.


    Hab ich schon erzählt, dass mir solche Themen gefallen? :rolleyes:


    Grüße Moigus

  • Diverse Drumhersteller sind der Meinung, dass zuviel Leim der Holztrommel nicht gut tut. Es also das Ziel sein sollte eher wenig zu verwenden unmd auch mit der Zusammensetzung des Klebstoffs zu experimentieren. Diese Thematik besteht schon seit vielen Jahren/ womöglich Dekaden. Ist also weder absurd, noch neu.


    Mir fällt ganz spontan ein hier ungenannter 3.Klasse Fernost-OEM-Hersteller ein, der die Holzlagen mit Leim "abgefüllt" hat wie eine Mastgans - noch dazu mit einem lösungsmittelhaltigen Pattex-Kopie-Derivat der einen beim Aufziehen neuer Felle nach Luft ringen ließ.


    Es mag Zufall sein: fast alle seine Kessel hatten einen ultra-kurzen Sustainverlauf... klangen wie ge-mutet und hatten einen Tonal aufallend ngeschränkten Stimmbereich. Man könmnte auch vereinfacht sagen: "die Dlnger klangen nicht".


    Ich hatte in einem Showroom des Herstellers 3-4 komplette Sets (verschiedener Preisklassen) zu stimmen versucht. Somit 3-4 Kicks und 9 -12 Toms - später auch mit schnell aus Peking herbeigeschaften Remo-USA--Fellen - da ich zunächst klanglich auf die miesen eigenen Werksfelle des Herstellers schloß und eindringlich bat "bringt mal andere Felle, hier stimmt was nicht". Nach Aufziehen der Remos wurde es etwas besser... aber nicht wirklich soo wesenlich. Die Dinger klangen gemutet - als hätte jemand den Threshold eines Gates zu radikal eingestellt. Teilweise hatte man das Gefühl (es gab gewisse kleine Klangtoleranzen zwischen Trommeln) als höre man "nur den Fellsound". Das "Stimmfenster" - die Range des Tunings in dem ein irgendwie azeptabler Sound erreichbar war, war klein wie ein Stecknadelkopf.


    Ich mag irren... aber ich habe seit vielen Jahren im Zweifel bei "toten Kesseln" neben schlechter Holzqualität oder Unrrundheit, miese Gratung ... etc. den falschen Leim (womöglich auch noch viel zuviel davon!) im schwerem Verdacht. Insbesondere bei "gewissen Herstellern". Und es gibt tatsächlich Kessel da bewirken auch Markenfelle in meinem Ohr keine soo dramatische Verbesserung dass diese die Investiton wert wären. Vielen Drums tun Markenfelle gut. Das bestreitet keiner. Ich bestreite nur :D , dass es ohne Ausnahme eine sinnvolle Investiton ist. Also immer sinnvoll ist. Dafür habe ich persönlich zuviele Gegenbeweise kennenlernen müssen (nicht nur in obigem Beispiel) ;(

  • Meine Behauptungen bezogen sich auf hochwertigen Knochenleim, sowie unter Hitze aushärtenden "Pressenleim", das sind die Varianten, die ich selbst in der Hand hatte und von denen ich unerwünschte ausgehärtete Reste schon oft "manuell-mechanisch" entfernen durfte.


    Eine möglichst dünne Leimfuge ergibt die höchste Stabilität.
    - Jop, so hab ich das auch gelernt. Deshalb werden die Flächen ja auch mit hohem Druck (Zwinge oder Presse) verleimt. Interessant ist jetzt vielleicht noch die Frage, in wieweit, der Leim dabei in die Holzstruktur eindringt, und neben der eigentlichen Leimfuge für Festigkeit innerhalb des Furniers sorgt. Darüber kann ich echt nur mutmaßen, allerdings weiß ich, dass durchtränkte Weichholzverbindungen, die über Nacht "ausversehen" im Leimeimer lagen, nach Reinigung und längerem Aushärten eine erstaunliche Festigkeit haben... ;)


    Wie auch immer. Ich sagte ja, dass eine gute Verarbeitung wichtiger ist, als einfach nur gutes Holz oder meinetwegen auch guter Leim. Dabei sehe ich eben einen hochwertig verarbeiteten, geraden Kessel ohne Kürschner mit ausreichender Stabilität und exakter Gratung als das Ideal an. Erst dann kann man sich den Luxus leisten, über sekundäre Faktoren wie Holzsorte, Lack und Leim zu diskutieren, da bei nem Mülleimer-Kessel diese Faktoren relativ egal sein dürften, und auch der superharte Kambala-Ebenholz-Sandwich-Kessel trotzdem klingen würde wie FPY.


    Übrigens haben wir bisher noch nicht über Fassbau-Kessel aus Holzdolmen nachgedacht. Da dürften die Massiveren Holzteile mit senkrecht stehenden Fasern aber einen höheren Ausschlag geben als der Leim... oder?

  • Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Thema "Leim" im Kessel auf jeden Fall Sound beeinflussend ist.


    Bei meinem orangenen Rogers lösten sich seiner Zeit die Verstärkungsringe im Kessel. Die Kessel klangen super, offen und resonant.


    Ich habe damals die Kessel mit der originanlen 45 % Gratung nachgraten lassen, danach die Verstärkungsringe mit viel Holzleim und mit Hilfe einer Spritze neu einklebt.


    Der Klang hat sich deutlich hörbar verändert/verschlechtert. Der Sound ist langweilig, weniger resonant als vorher.


    Mit meinem bäuerlichen Verstand schlussfolgere ich deshalb, dass (viel) Leim im Kessel nicht gut ist. :D

  • Mir fällt ganz spontan ein hier ungenannter 3.Klasse Fernost-OEM-Hersteller ein, der die Holzlagen mit Leim "abgefüllt" hat wie eine Mastgans - noch dazu mit einem lösungsmittelhaltigen Pattex-Kopie-Derivat der einen beim Aufziehen neuer Felle nach Luft ringen ließ.


    Hier hätte ich die Zusammensetzung des "Pattex-Kopie-Leims" in Verdacht
    und nicht die Verarbeitung, also das "abfüllen".
    Pattex ist ein
    Neoprenkleber, der nix mit Leim zu tun hat. Er bleibt relativ weich bis
    er irgendwann seine Haltbarkeit verliert und wäre für ne
    Kesselkonstruktion absolut ungeeignet. Folienfinishes werden mit einem solchen Kleber verarbeitet. Nach dreißig Jahren muss man schon von
    Glück reden, wenn die Folien noch komplett festsitzen. Ein Holzleim, der
    den typischen Lösemittelgeruch von Pattex hat (und damit alle
    randexistenziellen Bahnhofskinder dieser Welt glücklich machen würde ^^ ) würde mich also von sich aus schon stutzig machen.


    "Leim" ist übrigens als Klebstoff auf Wasserbasis definiert. ( http://de.wikipedia.org/wiki/Leim )

  • Me too!


    Auf meinen Hinweis, in diversen E-Mails als Fazit des Besuches dass dieses Klebstoff-Derivat die Trommeln wahrscheinlich so tot macht und eventuell auch ihre Mitarbeiter in der Kessel-Verarbeitung und Endkunden! die diesen Lösungsmittelhaltigem Klebstoff (oder diffundierenden Stoffen) ausgesetzt sind.... sagten sie sie würden es ändern. Ob das stimmt entzieht sich meiner Kenntnis. Es wird so viel dahergeredet.


    Edits: Ob es faktisch wirklich eine Pattex-Kopie war... kann ich nicht belegen. Ich bin da nicht als Laborant gewesen. Es roch so und sah farblich (wenn ich es recht erinnere) genaus so khaki-bräunlich aus wie ich es aus den Siebzigern vom Standard Pattex kenne - der auch immer übel Richtung Stirn "zog". Der EXTREME Lösungsmittelgeruch um die Kesselpressen sowie nach Abschrauben der Spannreifen und Neuaufziehen anderer Felle war allerdings erschreckend und auch von Begleitern zweifelsfrei zuortbar

  • @jalokin_b: Dass Leim härter als Holz sein kann, wage ich nicht zu bezweifeln. Vielleicht bin ich was die Definitionen angeht, zu sehr technisch verbohrt. Dass der verwendete Leim einen höheren E-oder G-Modul als Holz besitzt, ist mir bislang jedoch nicht bekannt. Wie ich aber bereits schrieb, ist dies zweitrangig, wenn die Leimfuge entsprechend dünn ist (was ja u.a der Sinn beim Kesselpressen ist)


    Grüße Moigus


    P.S.: Also der bisherige Tenor geht ja Richtung: weniger ist mehr. Und dem Rest ist das egal :D

  • Also ich kann zum thema nicht viel beitragen.
    Zu sinnvollen aussagen kommt man sicher nur, wenn man eine kesselpresse zuhause stehen hat, oder bei einem trommelbauer arbeitet und die möglichkeit hat zu experimentieren.
    Aus der Brille des hestellers ist die Leimfrage sicher etwas was man überdenken kann um eine gewisse klangcharakteristik zu erzeugen und sich so von anderen Herstellern abheben kann.
    Ob die wahl des leimes wirklich so viel ausmacht kann wie gesagt nur durch kauf einer kesselpresse beantwortet werden. 200 kessel später hat man gewissheit oder auch nicht.


    in diesem zusammenhang aber sicher intersessant (ist kürzlich erst auf yt geladen worden):


    [video]

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    Aber was soll man sagen. Letztendlich muss man den behauptungen glauben schenken oder es selbst ausprobieren....


    LG

  • Die praktischen Parameter, die einen Kesselbauer interessieren, sind fertigungstechnischer Natur.
    Also: wie schnell, unter welcher Temperatur härtet der Leim aus. Beeinflusst er die Beize? Was kostet er, und welche Betriebsmittel brauche ich dafür.
    Wenn man alle Aspekte unter einen Hut bringen möchte, ist die Auswahl dann wahrscheinlich gar nicht mehr soo groß.

  • Guten Tag,
    ich besitze ein Wahan in Buche.
    Wahan's Willi sagte mir mal sinngemäß
    ..dickere Holzschichten um Leim zu sparen,(nicht betriebswirtschaftlich)
    um möglich viel Holzton zu erzeugen...


    Klar, der Sound (der Buche) ist Geschmackssache, aber
    das Resonanzverhalten und Stimmumfang sind der Hammer :!:

  • Noch eine Anmerkung zu jenen, denen das zu lächerlich ist oder die es im Bereich des Graswachsenhörens verorten: bei klassischen Instrumenten war und ist die Zusammensetzung DES LACKS (!) das höchste Geheimnis z. B. der Geigenbauer. Warum wohl? ;)


    Man versucht nun seit knapp 300 Jahren die Rezeptur des Stradivari-Lacks herauszufinden (ein interdisziplinäres Team aus Forschern und Geigenbauern hat da wohl inzwischen angeblich einen großen Fortschritt gemacht, aber auch das erst kürzlich!).


    Nicht unberechtigt ist natürlich der Einwand, dass die Akustik bei einer Geige doch noch was anderes ist, aber die Sache mit dem Leim ist doch durchaus sehr einleuchtend.

  • Noch ein kleiner Nachtrag, sozusagen als Salomonisches Urteil: Wenn man darüber diskutiert, "wie Leim" klingt und man bspw. zum Ergebnis kommt, weniger Leim ist "besser" oder was auch immer, dann gilt das ja nur unter den zu Grunde gelegten Annahmen. Die Optimierungsrichtung "besser" gibt es ja nicht. Man kann nur als Optimierungsziel meßbare oder bewertbare Parameter einsetzen, wie etwa "weniger innere Dämpfung", "höhere Steifigkeit", "längeres Sustain" etc.
    Damit umgeht man das Totschlagargument: "Meine Snare klingt auch total geil, obwohl sie dies und das nicht hat."


    Grüße Moigus

  • Klasse, dass dieses Thema angesprochen wird!


    Ich hatte mir neulich (bei der Lektüre des Becker-Buches) überlegt, dieses Thema mal anzusprechen, da ich mich an ein Gespräch erinnerte, welches ich Anfang der Neunziger mit einem Verkäufer einer Schlagzeugabteilung führte.
    Es ging darum, welches das härtere und damit bessere Holz (damals gängige Modemeinung oder Marketingeinfluss) sei, Birke oder Maple. Der Verkäufer erzählte, ihm hätte jemand erklärt, dass - entgegen (damals) landläufiger Meinung - nicht Maple härter sei, sondern Birke. Maple würde aber mehr Leim aufnehmen und dadurch den härteren Kessel ergeben.
    Ob das wirklich stimmt, sei mal dahingestellt. Das Thema "Leim" ist auf jeden Fall spannend.


    Wenn wir schon bei Streichinstrumenten sind:
    Die billigen Kontrabässe sind aus Sperrholz und klingen deutlich schlechter.
    (Was für solid-shells sprechen würde.)

    Le roi - c'est moi! :saint:

    Der Gesunde Meschenverstand liegt bei den Dinosauriern.

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