Restauration eines 1978er Premier Elite Drumsets

  • Hab mir gedacht, ich mache dazu mal einen extra Thread und erst das Ergebnis kommt in meine Galerie. Ich hoffe, das hier fällt auch ausreichend unter die Kategorie DIY.


    Seit einer Woche bin ich dabei, ein altes Premier-Set auf Vordermann zu bringen. Baujahr laut Innenstempel (ähnlic wie bei Sonor) 1978, Serie dürfte Elite sein. Das Ding war ein weiteres liebenswertes, aufs Hässlichste neu "foliertes" Vintageset, unvorteilhaft fotografiert, das in ebay für eine lächerliche Summe wegzugehen drohte - da musste ich eingreifen. Dafür habe ich mein altes schwarzes Slingerland verkauft. Ein erster Klangtest ließ Gutes erhoffen; die Felle passten sehr gut auf die ausreichend unterdimensionierten Kessel, die Hardware war gut erhalten, die Bassdrum hat immerhin schon halbwegs vernünftige Beine.


    Hier zunächst mal ein Bild des 13er Toms im Versandzustand - Ist das nicht eine der furchtbarsten Folien, die man einer Trommel antun kann?


    DC-Fix! Ich habe schon Schlimmes erlebt damit, das kriegt man manchmal nur sehr schwer wieder runter. Das hier war von anderer Qualität oder vielleicht auch einfach noch nicht allzu lange drauf, jedenfalls ging es prima weg, fast ohne Rückstände. Diese gab es nur an jenen Stellen, an denen offensichtlich die Originalfolie befestigt war - auch Premier hat also damals seine Trommeln nicht gerade professionell beklebt, wie man aus diesem Bild schließen kann:


    Und auch die Verarbeitung der Außenfurniere lässt zu wünschen übrig, die Nahtstellen sind abenteuerlich, und das zu einer Zeit, wo auf dem Kontinent schon die ersten Phonics unterwegs waren - bei Premier immer noch eine Verarbeitung (und Kesselkonstruktion) auf dem Stand der 50er Jahre. Aber was soll's - auf den Sound kommt es hauptsächlich an, und unter dem neuen Finish würde man das hoffentlich nicht mehr so gut sehen können. Entschieden habe ich mich für ein matt-weißes, halbtransparentes Finish. Ich wollte schon lange mal wieder ein weißes Set haben, aber kein deckendes Weiß oder eine Folie wie WMP, sondern eher so was, wie es Yamaha vor Jahren mit dem Tour Custom auf dem Markt brachte, das war nach vielen Jahren das erste weiße Drumset, das ich in einem Laden stehen sah. Seither ist weiß wieder öfter aufgetaucht.


    Nach dem ersten Grobschliff konnte ich Entwarnung geben: Die schlimmsten Stellen bekam ich doch auch noch in den Griff, aber ein Exzenterschleifer mit 80er Körnung musster schon ran, und das bei den dünnsten Kesseln, die ich jemals gesehen habe...


    3lagige, sehr dünne Birkenkessel mit relativ massiven Buche-Verstärkungsringen, die bei dieser Konstruktion auch unverzichtbar sind:


    Beim Standtom war ein schwerer Schaden zu vermelden: Im Bereich eines Brackets für die Beine war der Kessel komplett durch, wahrscheinlich war die Trommel mal genau da drauf gefallen. Ich habe die Stelle tatsächlich vorsichtig mit dem Hammer und Unterlegholz wieder in Form hämmern können und montierte innen ein Verstärkungsrechteck. Hier nun zwei Fotos vom Schaden:


    Tut weh, gell? Egal, jetzt ist's behoben.


    Ein paar Tage später sieht der Arbeitsfortschritt so aus:


    14er und 16er Floortom, 22er Bassdrum unterschiedlich oft weiß lasiert (Clou Lacklasur), das 14er auch schon mehrmals mit Klarlack versiegelt. Ich habe mich gegen Beize entschieden, weil nicht auszuschließen ist, dass es noch vereinzelt Kleberreste auf dem Holz gibt, die man nicht sehen kann; die würden dann die Beize schlecht aufnehmen. Eine Lacklasur deckt das Gröbste ab und lässt die Holzmaserung trotzdem noch ausreichend durch, ein guter Kompromiss, wenn man richtig arbeitet. Pinsel kann man vergessen, Rolle gibt oft Bläschen, daher habe ich aus einem Schwamm und altem Baumwollstoff einen Ballen geformt, mit dem ich 3-4 Schichten Lasur aufgetragen habe.


    Tja, und das 14er Tom ist wie gesagt schon klar lackiert, wie auf dem Bild zu sehen, und hat nun noch etwas mehr Seidenglanz, nachdem ich es leicht poliert habe. Ein Hochglanzfinish mit 10 Lackschichten war hier nie das Ziel, wohlgemerkt, eher so ein seidenmatt-halbtransparentes Finish, und das Ergebnis hier geht schon in die Richtung, wie ich's haben wollte:


    Wird nett aussehen, wenn's fertig ist - hoffe ich.

  • Dass du das Beizen gelassen hast, da sich evtl. noch Klebereste auf dem Holz befinden, ist eine weise Entscheidung.


    Auch die 80er Körnung ist natürlich ganz schon grob, da hat man schnell mal ne Lage Holz auf einer Stelle durchgescheuert, da zieht die Beize dann unterschiedlich tief ein.


    Ist mir beides schon passiert, nach dem Beizen sieht das extrem Schei... aus, wie als wenn man es mit Batik Technik auf den Kesseln versucht hat.


    Viel Spass mit dem englischen Patienten!

  • Die letzten Tage hatte ich wieder ein paar Minuten übrig, so dass jetzt Bassdrum- und Standtomkessel fertig lackiert sind. 13er Tom ist immerhin fertig geweißelt. Den Standtomkessel habe ich heute sogar ein bisschen poliert (mit so einem Polituraufsatz für den Exzenterschleifer) und anschließend zusammengebaut. In punkto Chromqualität kommt das alte Premierzeug bekanntlich direkt nach den zeitgenössischen Produkten aus dem Hause Sonor, das sieht man und nach einem Spülgang in der Spülmaschine :B/ sahen sie fast aus wie neu, ein bisschen mit Stahlwolle drüber tat das Übrige. Ich liebe das Design dieser Standtomböckchen! Schade, dass sie nicht alle Trommeln so ausgestattet haben:



    Natürlich ist hier eine der Schwächen dieser Kessel zu sehen: Der Mensch, der die Originalfolie abgelöst hat, war offensichtlich zu ungeduldig und hat das äußere Birkenfurnier ein bisschen leiden lassen. Da gibt's noch schlimmere Stellen. Naja, die sehe fast nur ich, vom Publikum aus oder von einem Meter Entfernung wird das Set sehr ordentlich aussehen und die Holzmaserung kommt wie erhofft super durch.


    Die ganze Trommel präsentiert sich im Blitzlicht dann so:



    Tja, und hier nun die von mir ausgebeulte und verstärkte Schadstelle (ach ja, Fotos vom Schaden füge ich im Startpost noch ein, Achtung, pictures may be disturbing to some viewers! Bin mit der Reparatur sehr zufrieden, ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, das so gut hinzukriegen:


  • Wow!
    Erstmal saubere Arbeit und zweitens wirklich geile Böckchen am Standtom, mit die schönsten die ich bisher gesehen hab!
    Könntest du für den geneigten DIYler vielleicht noch deine Reparaturschritte erläutern, das Ergebnis sieht sauber aus.
    mfgroove, nico

    "Klangskulpturen ja, therapeutisch nein. Das Hang ist meiner Ansicht nach kein Therapiemittel. Im Gegenteil sollte man damit sehr vorsichtig sein, denn durch den faszinierenden Klang steht der Therapeut sehr in der Gefahr, manipulativ zu wirken und den Klienten abhängig zu machen. Auch kann er ihm ja kein eigenes Hang vermitteln und entlässt ihn so mit einer zwangsläufigen Frustration." - Ixkeys

  • Hey Moigus, also danke für die warmen Worte, aber der Chefbastler hier im Forum bist eindeutig du! Das, was ich hier mache, sind ja mehr oder weniger nur lebenserhaltende und kosmetische Maßnahmen. Du aber schaffst neues Trommelleben!


    OK, Reparaturablaufplan. Ist in diesem Fall aber nur für diejenigen tauglich, die wie ich wenig Geduld und v.a. wenig Zeit haben. Das alles kann man nämlich definitiv schöner und aufwendiger machen. Von allen "restaurierten" Trommeln aber, die ich bisher gesehen habe, war allerdings dann doch wieder keine so aufwendig überarbeitet wie diese alten englischen Ladies hier. Größter Fehler: Kosmetisch zweifelhafte Maßnahmen wie diese Folie aus dem Startpost, auch noch völlig lieblos verklebt und am besten noch klanglich Relevantes aus dem Auge verloren, nämlich die Gratungen. Das ist das Wichtigste, diese sauber nachzuarbeiten, sonst kann man sich die ganze Schönheitsoptimierung nämlich sparen.


    Also, in diesem Fall war's so:


    0. Kesselhardware lösen und, keine Angst, ruhig ab in die Spülmaschine damit (lose Teile wie Gewindehülsen vorher entfernen!!!), oder auch nur mit Stahlwolle bearbeiten oder einem Baumwolltuch.
    1. Alte Folie (hier: zum Glück DC-Fix für Arme) ablösen, evtl. mithilfe eines Heißluftgerätes. Sich anschließend über Kleberrückstände (hier: wenig) ärgern.
    2. Rückstände abschleifen, mit Ziehklinge runterschaben oder die Chemie ranlassen (hier: Ersteres - mit 80er Papier. Dabei: Aufpassen!)
    3. Trommel bis zum erwünschten Feinheitsgrad abschleifen (hier: 240 ist genug...).
    4. Trommel bewässern, trocknen lassen, aufgestellte Fasern wiederum abschleifen.
    5. Schadhafte Stellen bei Bedarf ausbessern (hier: Holzspachtel); überflüssige Löcher mit Holzdübeln o.ä. verschließen; wieder abschleifen.
    6. Gratungen überprüfen und erstmal grob in Form bringen. Eventuell neu graten (lassen). Ich persönlich arbeite hier von Hand mit verschieden grobem Schleifpapier. Bei minderwertigen Kesseln (Pappel...) kriegt man so sogar die Gratung leicht verändert, sprich stumpfer oder auch spitzer. Da muss man auch entsprechend vorsichtig sein.
    7. Kessel beizen (wenn er jungfräulich ist) oder, wie hier, lasieren. Dazu hab ich hier einen Baumwollballen verwendet, der am wenigsten Bearbeitungsspuren und Bläschen hinterlässt. Nach Geschmack 2 bis xmal drüber. Dazwischen ausreichend trocknen lassen, evtl etwas zwischenschleifen.
    8. Mit sehr feinem Schleifpapier oder Stahlwolle oder auch nur einem Vlies nachschleifen.
    9. Klarlack nach Geschmack, also 4 bis 20mal. Für Hochglanzfinish muss der Kessel glatt genug sein und du brauchst schon sehr viele Schichten guten Klarlacks. In meinem Fall sollten mir 4 oder 5 Schichten genügen, da mir das weiß-matte Finish wie auf dem Foto vorschebte. Zwischen den Klarlack-Schichten ausreichend trocknen lassen und evtl. trocken oder nass zwischenschleifen oder wiederum Vlies einsetzen.
    10. Polieren je nach Geschmack, Zeit und Ausdauern. Viel hilft viel! Wenig reicht auch!!
    11. Zusammenbauen, logisch.


    Klingt jetzt nach viel, aber viele Schritte gehen eigentlich schnell, dann muss alles wieder trocknen, man kann sich also Zeit lassen. Überhaupt bei all diesen Arbeiten die wichtigste Regel: Zeit lassen, nichts überstürzen, morgen ist auch noch ein Tag.

  • Naja, neues Leben zu erschaffen ist ja manchmal leichter als altes zu erhalten :) Von daher bleib ich dabei.

    Überhaupt bei all diesen Arbeiten die wichtigste Regel: Zeit lassen, nichts überstürzen, morgen ist auch noch ein Tag.


    Ich plädiere dafür dass dieser Spruch als Sticky im DIY-Bereich angepinnt wird. Ist das wichtigste!


    Grüße Moigus

  • bin ja eh derselbe, also darf ich ja auch nicht schimpen ;(


    Jaein, bin seit 2 Wochen beim Folien bestellen. Die Entscheidung der Farbe fällt mir nicht leicht und ändert sich fast täglich.
    Also auch da kann man sich Zeit lassen ;)

    Alles wird gut

  • So, ich hab mal auf euch gehört und mir RICHTIG VIEL Zeit gelassen. Aber jetzt ist das Baby fertig. Es ist vollbracht und erstrahlt in frischem, schönem Weiß, so wie ich's wollte, und die Holzmaserung kommt doch auch noch ausreichend durch. Eigentlich war ich vor drei Monaten schon fertig und musste nur noch die Bassdrum-Spannreifen weiß lackieren und die Badges fixieren. Also. Erst mal nur zwei Bilder, weil das DF dauernd sagt, mein Speicherplatz sei voll:



    Hier abgebildet die sanierten Trommeln in 22x14, 13x9, 16x16. Die Toms brauchen absolut keine Dämpfung, da sie wegen der runden Gratungen und der V-Ringe ohnehin sehr wenig Obertöne entwickeln - vielleicht liegt das auch an den komischen brasilianischen Fellen, deren Klang mir aber sehr gut gefällt. Die Standtom entwickelt ganz wunderbare Tiefen und hat einen ordentlichen Wumms, während die 13er noch etwas mehr Ton vertragen könnte, da muss ich noch etwas mehr Stimmarbeit investieren.


    Sorgenkind: Bassdrum. Sie klingt jetzt nicht wirklich schlecht, nur für heutige Gewohnheiten - und selbst für mich - doch etwas matt, unkonkret, wenig bassig, wenig Fleisch. Das liegt zum Großteil sicher an den sehr "runden", unspitzen Gratungen, die ich zwar sehr gut abgeschliffen und wieder hingekriegt habe, aber es fehlt halt die klar definierte AuflageKANTE. Wir haben dieses seltsame "pöckige" Klangphänomen bei alten 22x14 Bassdrums ja schon öfter diskuktiert, v.a. wenn es um Phonics ging. Klar wäre ein EMAD oder SuperKick eine Lösung. Ich tendiere aber eher dazu, die Trommel in ihren Eigenschaften zu unterstützen, anstatt sie zwanghaft entschärfen zu wollen. Die Holzspannreifen haben schon viel geholfen und das Evans-Fell tönt auch wesentlich schöner als das alte Pinstripe, aber ich bin gespannt, wie sich ein einfaches Ambassador mit Filzstreifendämpfung macht. Schließlich ist hier so gut wie alles echt vintage außer der (übrigens sehr genialen) Fußmaschine.


    Ach ja, Becken sind mein Leise-Setup: Sabian III 14" Hi Hats und 16" Crash, Paiste Formula 602 Medium Ride (seit bald 20 Jahren in meinem Besitz und für leisere Sachen finde ich nach wie vor nichts, was mir besser gefallen würde).

  • Solche Threads machen mir Freude. Sehr schön, Josef!


    Alten Trommeln neues Leben eingehaucht und auch noch wie neu verschönert. Klasse! Respekt vor soviel Arbeit, Geduld und Durchhaltevermögen!


    Hoffe, du kriegst die Lady auch noch klanglich in den Griff!
    Andre

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