Bin mir immer noch nicht sicher, ob dies unter "(Sch)lachzeug" nicht besser aufgehoben wäre.
Wollte euch aber diesen brillanten Erguss journalistischen Schaffens nicht vorenthalten.
Enjoy!
P.S. am besten gefällt mir die "Flächenwirkung auf dem Drumset"...
Nach einer Stunde weicht der Zauber
»Jazzcafé«: »Sonar Ensemble« mit tollen Klangskulpturen und Tonwirrwarr
Nach Christoph Stiefels »Inner Language Trio« gastierte am Sonntag ein weiteres Trio aus der Schweiz im Kulturzentrum »Rind«. Trotzdem könnten die Unterschiede kaum größer sein. War die Musik des »Inner Language Trio« geprägt von durchkonstruierten rhythmischen Schichtungen und klaren Abgrenzungen zwischen Begleitung und Solo, verlegte sich das »Sonar Ensemble« auf kollektive Improvisation und Klangfarbenmalerei.
Ausgehend von kompositorischen Skizzen des Schlagzeugers Alex Huber verwischten sich schnell die üblichen hierarchischen Schranken und setzten Dave Gisler (Gitarre), Raffaele Bossard (Bass) und Alex Huber in osmotische Beziehung zueinander. Gemeinsam betrat man Grenzland des musikalisch Vertretbaren. Vielleicht wäre ein Ballonflug der angemessenere Vergleich, denn mit zunehmender Lockerung tonaler und schematischer Fesselungen stieg das eidgenössische Triumvirat bei seinen Freejazz-Exkursionen in immer höhere, dünnere Luftschichten auf, bis man sich - nahezu losgelöst - hörbar wohlfühlte.
Alex Huber vermag mit deutlich eigener Klangsprache erstaunliche Flächenwirkungen auf dem Drumset zu erzeugen. In sinnlichen dynamischen Wellen fegt er Wirbel über Snare und Toms, streichelt die Becken und vollführt atemberaubende kombinatorische Sequenzen auf Snare und Hi-Hat. Raffaele Bossard changiert traumhaft zwischen Flageolett, Bogenspiel und Walking Bass.
Im Brennpunkt eines Halbkreises aus Effektgeräten wirkt Dave Gisler an kaleidoskopartig leuchtenden Klangwolken. Alles zusammen ergibt nicht mehr und nicht weniger als einen Flug geradewegs in die nächste ionisierte Gewitterfront, ein Herumwerkeln im Klanglabor eines Alchimisten, der möglicherweise nicht Alle beieinander hat.
Dieser Trapezakt ohne Netz und doppelten Boden über einem Bermudadreieck tonaler Plattitüden rettete sich immer wieder in gemeinsamen Intensitäten, abrupten Breaks und kollektivem Ausatmen. Das »Sprechen mit einer Stimme«, die das Programmheft der »Jazzfabrik« konstatiert, funktioniert mit atemberaubender Intuition - solange es funktioniert.
Denn nach einer Stunde schienen sich die drei jungen Musiker nichts mehr zu sagen zu haben. Unmerklich wich der Zauber des gemeinsamen Fluges von der Musik und die haardünne Grenze zum Tonwirrwarr schien überschritten: Das Ganze war nur noch die Summe dreier Teile, die nebeneinander herspielten. Wagnisse dieser Art des Improvisierens bergen ein erhebliches Risiko, und das »Sonar Ensemble« zeigte sich bei seinem Auftritt im »Jazzcafé« dem Risiko nur zeitweise gewachsen. In seinen besten Momenten bot es Klangskulpturen, in denen sich der Hörer in Zeitlosigkeit verlieren konnte, in den schlechteren neigte es zu seelenloser Virtuosität.
[Quelle: online-Auftritt des "Darmstädter Echos" http://www.echo-online.de/sued…er-Zauber;art1232,1345515]