Allerdings muss man schon Musiker sein, um zu verstehen, dass krumme Metren hohe Kunst sind. Der durchschnittliche Musikhörer (der selbst kein Musiker ist) wird das womöglich als störend empfinden. Und eben weil viele Hörer sich an sowas stören würden, bleibt der Erfolg "krummer Musik" eben im Vergleich zu gerader oft aus.
Dem möchte ich erneut widersprechen. Als störend wird in unseren Breiten empfunden, dass man nicht eben mitstampfen oder mitnicken kann. Das empfindet der mit Vierviertelmusik "vergiftete" Hörer (es gibt massenhaft tolle Musik im 4/4tel-Takt, keine Frage!) schnell mal als intellektuellen Angriff auf seine gewohnten Hörschemata, könnte ich mir vorstellen. Und wer möchte sich schon ernsthaft mit Musik auseinandersetzen, wenn man die doch als Geräuschkulisse unter den Alltag legt.
Man sollte meiner Meinung nach bei der Diskussion zwischen dem bewussten Konsum von Musik als regelrechtes Kulturgut und dem beiläufigen Konsum von Musik als Geräuschkulisse unterscheiden. Ersteres erfordert die volle Aufmerksamkeit, wie das Lesen eines Buches. Letzteres ist die einfache, von der Mehrheit der Leute bevorzugte, weil weniger kognitive Ressourcen und weniger Zeit benötigende Variante. Das geht mit Musik, oder auch mit Video/TV. Sich mal hinzusetzen, die Stereoanlage anzumachen/Kopfhörer aufzusetzen und seine Lieblingsmusik bewusst zu hören, ist eine lohnenswerte Erfahrung, bei der man als Musiker nur lernen kann, denke ich. Das kann unter Umständen so "anstrengend" aber, auch so schön sein, wie ein Buch zu lesen. Und so, wie es eine Vielzahl literarischer Stilmittel gibt, die manchmal verstörend sind, hat Musik die ihr eigenen Möglichkeiten, Wirkung hervorzurufen. Dazu gehören auch Krummtakte. Nur einlassen muss man sich darauf unter Umständen. Für den Musikhörenden, der im Vorbeigehen konsumieren möchte, ist das freilich nichts.
Ich will hier kein Plädoyer für mehr bewussten Musikkonsum abhalten, denke aber, dass es zu einfach ist, die Argumentation derart zu verkürzen. Jedes Medium erfordert seine Aufmerksamkeit. Da es immer mehr mediale Angebote gibt, die man nutzen soll, kommt schlimmstenfalls keinem Medium mehr eine wirklich ungeteilte Aufmerksamkeit zu. Was ja auch verständlich ist, neben Arbeit, Ausbildung, Familie und den anderen Faktoren des Lebens. Aber für Kultur sollte man sich unter Umständen Zeit nehmen. Und damit auch für Oddmeter.