Zugegeben war dieser Thread in seiner Überschrift vielleicht schon etwas zu weitfassend, deshalb geb ich nochmal meine Meinung in etwas differenzierter Form zum Besten. Leider kann man sich auch dabei nicht ganz kurz fassen...
Generell bin ich begeistert von der Vielzahl und Vielfältigkeit der Drumanbieter. Je größer das Angebot, um so besser für uns Drummer. Den Rest regelt der Markt von allein.
Meine persönliche Meinung zum Markt unterteile ich grob in drei Segmente:
1. Einsteigersegment
Hier gibt es leider viel zu viele Billigst-/Hausmarken- u. No-Name-Anbieter. Ein komplettes Set für um die 200 eur, welches zudem noch eine Weltreise von Asien nach Europa hinter sich hat, kann nichts taugen. Auch die Herstellungsbedingungen sind vermutlich aufgrund der Niedrigstlohnkosten ethisch von keinem Zentraleuropäer, der sich oder seinem Kind ein Drumset kaufen möchte, zu vertreten. Was man bekommt, ist zu 95% Schrott und die Freude bei einem jungen Menschen über den anfänglichen optischen Eindruck eines Schlagzeugs kann schnell in Frust umschlagen, wenn die ersten Schrauben abbrechen oder durchdrehen, denn sowas wird früher oder später unweigerlich passieren. Oder die Billigfelle, die den Herstellern ein enormes Sparpotential bieten, gehen kaputt. Wenn man dann mal einen neuen Satz gekauft hat, ist man schon fast wieder einen Hunderter mehr los und wer Fortschritte an einem solchen "Instrument" macht, will schnell was besseres.
Schon steht man wieder vor dem vielseits bekannten Problem, daß auf diese Art alles zweimal gekauft wird und der Erkenntnis, daß man sich das erste hätte sparen können. Bleibt zu hoffen, daß aus dem entstandenen Frust nich der Spaß am Trommeln ganz verloren geht. Den einzigen logischen Zweck erweisen diese Sets in dem Nirvana Video "Smells like Teenspirit", wo ein solches am Ende geschrottet wird. Das wiederum ist eine bedenkliche Art mit der Achtung gegenüber den armen Menschen umzugehen, die für die Herstellung dieser Produkte ausgebeutet werden. Es wäre also wünschenswert, wenn diese Produkte vom Markt verschwinden, was sie aber nicht tun werden, da es immer Leute geben wird, die der Versuchung nicht widerstehen können das billigste vom Billigen zu kaufen, weil sie keine Ahnung haben oder sich einfach nichts anderes leisten können.
Ein Einsteigerset unter 400 - 500 eur ist einfach nicht zu empfehlen. Und hier rate ich persönlich zu den etablierten Marken, die zwar auch mit einfachen Hardwareteilen ausgestattet sind, aber in der Entwicklung von der langjährigen Erfahrung und Produktion von hochpreisigen Schlagzeugen auch für das Niedrigpreissegment profitieren. (Sonor 505/507, Yamaha Gigmaker, Tama Imperialstar, Pearl Forum, Mapex)
2. Mittelklasse
Ich bin beeindruckt von dem, was die etablierten Firmen in dem Bereich von 1.000 - 2.000 eur heute an Preis-Leistung bieten. Auch hier profitiert der Kunde von abgespeckten Versionen hochpreisigerer Entwicklungen. (Wie wäre sonst z.B. das Yamaha Stage Custom Nouveau mit y.e.s.s. Tomaufhängung u. Hook Lug Böckchen möglich gewesen? Schade nur, daß es mit den Böckchen inzwischen nicht mehr angeboten wird.) Den neueren Marken kann ich in diesem Segment nicht so viel abgewinnen, weil sie meines Erachtens nach im Hardwarebereich den größeren qualitativ hinterherhinken oder eben nur auswechselbare Einheits-Zulieferteile verwenden (rims etc.). Erstaunlich ist, daß sich dennoch einige davon zu halten scheinen, obwohl kleine technische Forschritte (ich sage bewuß nicht Innovationen, denn die gibt es, wie wir jetzt ja alle wissen, bei akkustischen Schlagzeugen nicht mehr) bieten meistens nur größere (z.B. Tama Starcast-Aufhängung o. Pearl I.S.S.). Das macht dann vielleicht das Image einer neuen Marke aus, was dann eben die bekannte Geschmackskomponente anspricht und durch einen prominenten Endorser aufgebaut wird (die Liaison von Bertram Engel u.a. mit RMV ist glaub ich auch schon wieder vorbei, wobei das auch mit dem deutschen Vertrieb zusammenzuhängen scheint, der die Marke inzwischen nicht mehr im Programm hat - Kurzlebigkeit eben).
Ein wirkliches Image kann ich aber auch nur bei wenigen neuen in diesm Preissegment erkennen (Mapex vielleicht, PDP hat es Dank der Mutter DW geschafft). Neulich hab ich Werbung für ein Set von Adams (dem Kesselpaukenhersteller) gesehen. Ich bin sicher, der Markt selber wird dafür sorgen, daß es nicht sonderlich häufig verkauft wird. Wahrscheinlich müssen sie es einfach im Programm haben und anbieten können oder es ist einfach so leicht, ein Set aus X-beliebigen Zulieferteilen zusammenzuschrauben und den Markennamen aufs Bassdrumfell drucken zu lassen. Das und das einpacken in Kartons machen die Chinesen mit Links. Aber sowas braucht kein Mensch. Daran ist zu sehen, daß es vermutlich mehr Marken als Hersteller gibt. Ich glaube auch ein noch so prominenter Endorser könnte dieser Marke zu keinem coolen Image verhelfen, so gut die Kesselpauken von Adams auch sein mögen.
Beeindruckend finde ich den Feldzug von Gretsch. Klar ist es nicht der Feldzug von Gretsch selber, sondern der eines der größten Musikinstrumentekonzerne, der die Rechte an dem traditionsbehafteten Markennamen besitzt. Klar kommen auch hier die meisten (oder sogar alles außer der Top of the Line Klasse) Teile aus Asien. Aber die Qualität stimmt, das Image wird gut gepflegt. War Gretsch Anfang der ´90er noch mit dem Ruf behaftet "Super Kessel aber littige Hardware", so hat man z.B. mit einem Renown Maple heutzutage ein super solides, geschmackvolles Set mit etwas Vintage Flair zum angemessenen Preis. Das macht vielleicht sogar mehr Freude, als ein original überteuertes Vintage Kit, welches vielleicht noch restauriert werden muß oder schon ist, weil es sonst (zumindest die Hardware) zu zerfallen droht. Manchmal passen auch die neuen Felle nicht auf die alten Kessel oder ähnliche Kompromisse, die man mit Vintagezeug machen muß (wäre vielleich mal Thema für nen extra Thread;).
Änlich wie mit Gretsch ist es zur Zeit ja mit Ludwig u. Premier. Sie waren in den ´90ern hierzulande fast wie verschwunden und Dank des Vintage-Booms und der heutigen Technoligie lassen sich zeitgemäße Qualität mit Markenimage verwirklichen. Mit Slingerland war der Versuch nicht so erfolgreich (es gab ihn schon in den ´90ern mit Gregg Bissonette als Schubrakete) und auf das Comeback von Rogers warte ich noch. Der Rechteinhaber von den kultigen North Drums könnte bestimmt auch noch was anfangen.
Seltsamerweise sind Remo Drums, die eine Zeit lang in den ´90ern recht verbreitet waren, trotz der Marktmacht, die man bei Remo vermuten mag, ziemlich verschwunden (obwohl es sie offiziell auf der Website noch gibt). Sie verwendeten damals ein alternatives Kesselmaterial zu Holz (Holz/Harzgemisch o.ä., sollte besonders feuchtigkeitsunempfindlich sein). Aber mit Terry Bozzio´s Weggang waren auch irgendwie die Drums verschwunden (oder umgekehrt?).
3.Oberklasse
Hier ist die Vielzahl der Anbieter vielleicht am interessantesten, denn es wird nicht unbedingt ein Preiskampf ausgefochten und das macht den Weg für Qualität und Entwicklung frei. Interessant dann eben auch nur für diejenigen, die es sich leisten können. Bei ausschließlich allen alteingesessenen, namhaften Firmen ist das Angebot im oberen Preissegment qualitativ jedem Zweifel erhaben. Wofür man sich hier entscheidet, ist reine Geschmackssache. Einige nicht so alteingesessenen Firmen tummeln sich allerding oberhalb der 3.000 Eurogrenze, bei denen ich mich frage mit welcher Berechtigung? Oftmals sind nur die Kessel (aus welchem Material auch immer) aus der eigenen Herstellung und eigens konstruierte Hardware, Tomaufhängungen etc. findet man nicht. Da muß dann das 0815 rims-System und einfache L-Halter ausrechen. Ich finde aber ab einer gewissen Preisklasse sind auch kompfortabel zu betätigende Schrauben, die sich wie Butter drehen lassen (Sonor mit den gummierten Rändelschrauben ist da sehr weit vorn) nicht zu verachten. Es reicht nicht einfach nur ein Exote zu sein.
Als ich Mitte der ´80er den Drummer von Frank Zappa (Chad Wackerman) auf einem für mich damals etwas merkwürdig aussehenden Set mit dem unscheinbaren Namen Drum Workshop spielen sah, dachte ich, das hat er sich wohl extra bauen lassen. Und so ähnlich war es auch. Vielleicht gab DW irgendwann den Startschuß für Custom Drums. Was nun genau Custom ist, darüber kann man ja streiten, jedenfalls baut DW nur auf Bestellung bzw. nur Unikate (vom neuen Bambusset mal abgesehen). Ich fand die ersten Kisten gar nicht so toll, und die vielgelobte Hardware von damals hat ganz schön schnell mal angefangen zu rosten. Aber mit der Platzierung ihrer Marke in fast jedem zweiten Musikvideo aus den ´90ern haben sie sich ein grandioses Image aufgebaut und der Hype war da. Ich glaube davon leben sie in erster Linie, wenn die Qualität und die Entwicklungen inzwischen neben dem Stück Indivitualität bestimmt bemerkenswert sind und ihren Reiz
haben. Viele Nachahmer haben sich ähnliches vorgenommen, aber keiner hat es so weit gebracht.
Eine Marke, der ich etwas mehr zugetraut hätte, ist Ayotte. Sie kamen Ende der ´80er mit edlen dünnen Kesseln mit Verstärkungsringen a la Vintage Drums und den neuartigen Ankerböckchen. Später haben sie die Woodhoops etabliert, viele Customwünsche erfüllt und sich ein cooles Image aufgebaut - kanadisches Maple etc.. Alles zu seinem Preis versteht sich. Bei der Hardware muß man allerdings bis heute auf Fremdanbieter zurückgreifen. Aber das Konzept, schon sehr früh einen Internetconfigurator und weltweites Bestellsytem übers Netz, für das sie als besonders innovative und fortschrittliche Website damals (vor ca. 10 Jahren) einen Internetaward erhielten, einzuführen, ging anscheinend nicht auf und ist längst wieder eingestellt. Das merkwürdige derzeitige Vertriebssystem scheint auch nicht sonderlich förderlich. Trotz eines riesigen und prominenten Artist Rosters sind sie in den Geschäften kaum präsent. Immerhin steht auf der Seite unter News eine Meldung aus dem Januar 2009, die vermeldet, daß sie mit dem Bau von Drums weitermachen.
Sie kamen ebenfalls nicht daran vorbei, mit der Velvet Serie eine etwas günstigere Schiene zu fahren. Beschreibung auf der Internetseite: "Velvet drums feature a more efficient construction technique that lowers the cost without sacrificing sound and performance." Will vermutlich heißen: Bestimmte Teile werden in Billiglohnländern produziert. Mitbegründer und Namensgeber der Firma Ray Ayotte ist ja offensichtlich längst ausgestiegen und war zumindest zwischenzeitlich mit einer anderen Marke (Taye), die den Mid- u. Lowpreisektor bedient, am Satrt.
Ich glaube, daß eine Firma ab einer gewissen Größe nicht nur von den Oberklasseprodukten existieren kann, weil die Qualität, die der Kunde zu Recht erwartet, zunehmend unbezahlbar wird. Das ist bei DW mit PDP nicht anders. Geschickterweise hat DW mit PDP eine günstigere eigene Marke geschaffen, die am Image von DW selbst nicht kratzen kann. Gespannt sein kann man auch, wie sich z.B. Orange County Drum & Percussion in dieser Richtung entwickeln wird (wird da z.B. auch mal ein günstiges Einsteigerset kommen?). Firmen, die mit günstigen aber guten Produkten genügend Umsatz machen, können auch in Entwicklung teurer Instrumente investieren, was der gesamten Produkpalette wiederum zugutekommt. Die unterschiedlichen Segmente, brauchen sich also gegenseitig. Nur so kann auf Dauer ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis entstehen. Die großen alteingesessenen sind da natürlich klar im Vorteil.
Die echten Individualisten wie Handschuh, Highwood usw. haben es sicher schwer, bleiben aber hoffentlich trotz der Vielzahl der Mitbewerber dem Markt erhalten. Sie bauen echte Unikate, nichts von der Stange. Das kann man mit nichts vergleichen und birgt echte Handwerkskunst in sich. Für den Alltag und rotzige Clubs ist so ein edles Instrument schon fast zu schade. Eher was für die Exklusive Highend-Studioausstattung. Da es meist recht kleine Betriebe sind, hängt das Schicksal dieser Firmen oft an wenigen oder einzelnen Fachkräften.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!