Als ich das Line-Up zum ersten Mal gelesen habe, sind mir fast die Augen übergequollen. So spielten einige meiner Lieblingsbands an diesem Tage im hessischen Gießen, nämlich Necrophobic, Dark Funeral, Mayhem und Watain.
Zusätzlich gab es dann noch Mathyr, Hellsaw, Witchmaster, Necros Christos und Taake zu sehen. Alles in allem also eine runde Sache, die ihre 27 Euro Ticketpreis locker wert war.
Los ging es um 13.30 mit Mathyr, deren ersten Song wir nur von draußen mitbekommen haben. Die Thüringer stellten einen würdigen Opener dar und ihre Mischung aus schnellem Black Metal und langsameren Mosh-artigen Parts wusste zu gefallen. Nach 40 Minuten war Feierabend, dann ging's in die Umbauphase.
Zeit genug, sich dem kulinarischen Angebot zu widmen. Mehr Zeit als genug - denn das Angebot bestand aus einem einzigen überteuerten Asia-Imbisswagen vor dem Einlass. Was solls, der Hunger trieb es rein. Der Herr hinter der Theke machte an diesem Tag ganz sicher das Geschäft seines Lebens. Getränketechnisch habe ich mich am Auto selbst versorgt und habe das konfuse Wertmarken-Pfand-Monopoly nur von meinen Kollegen mitbekommen.
Zweite Band, die Ösis von Hellsaw, zeigen weitere 40 Minuten lang, wie stimmungsvoller Schwarzmetall aussehen und klingen muss. Besonders das ohrwurmige "I saw Hell" wusste zu gefallen. Die "Ooo-ooo-ooo"-Chöre waren ein bisschen Banane, aber haben nicht zu sehr gestört.
Wieder eine Umbauphase und der Versuch, den gegen das frittierte Gehühn rebellierenden Magen milde zu stimmen, indem man den nahegelegenen Discounter aufsuchte. Die Kollegen kauften fleißig ein, während mir der Appetit dann vollends verging. Dann habe ich eben noch ein Malzbier gegessen.
Bei der Aktion haben wir dann aber auch die uns völlig unbekannten Witchmaster verpasst. Was solls.
Necros Christos waren überhaupt nicht mein Ding, das muss ich offen zugeben. Ich schaute mal zum Merchandising rüber. Dort fielen vor allem die mehr als fragwürdigen CD-Angebote auf, wo sich Bands nach Vernichtungslagern benannten und zwei gleichartige Runen auf dem CD-Rücken zu sehen waren. Pfui, rüber zum anderen unbedenklichen Stand - und mal eine CD und ein Shirt von Watain mitgenommen.
Die "Toten Christen" haben dann unterdessen mit dem Abbau begonnen und die Bühne für Taake freigemacht. Nach der blöden Aktion in Essen vor ein paar Jahren stand ich der Band sehr skeptisch gegenüber und habe sie bislang einfach ignoriert. In Interviews konnte man herauslesen, dass der Sänger Hoest wohl öfter mal ohne zu denken handelt. So habe ich mir die Norweger dann doch mal angeschaut und wurde positiv überrascht. Keine dämliche Provokation, sondern eine Kick-Ass-Bühnenshow (im wahrsten Sinne des Wortes) gab es dort zu sehen und die zugehörige Tonkulisse wusste auch zu gefallen. Cool waren definitiv die ganzen "UUHs", die Hoest öfter mal auf die 1 rief, was dem Publikum so gut gefiel, dass es damit selber weitermachte. Als Hoestie dann am Ende des Gigs wie Superman in seinen besten Tagen in eine Norwegen-Flagge eingehüllt das Publikum um Ruhe bat, nur um dann ein weiteres einziges "UUUHHH!" ins Mikro zu schleudern und ohne Worte die Bühne zu verlassen, musste jeder Anwesende lachen. Nicht schlecht.
Auf Necrophobic habe ich mich mit am meisten gefreut und war danach umso enttäuschter. Zwar war der Sound mehr als ordentlich, die Show enthusiastisch und sauber gespielt, aber mir haben die für mich absoluten Meisterstücke wie "Mourning Soul" oder "Blood Anthem" gefehlt. Bis auf das famose "Revelation 666" vom kommenden Album und "Blinded By Light, Enlightened By Darkness" fand ich die Songs fast ausnahmslos durchschnittlich. Schade, da hätte ich mir mehr von erwartet. Erwähnenswert ist noch, das der Mischer gegen Ende nochmal ordentlich Mist gebaut hat und für ein paar Songs die Snare so unheimlich laut gedreht hatte, dass sie fast schon den Sänger unhörbar gemacht hat. Brrr...
Dark Funeral hatten zu anfangs mit enormen Soundproblemen zu kämpfen, so dass man "King Antichrist" und die nachfolgenden beiden Granaten kaum als solche erkannt hat. Aber ab "Vobiscum Satanas" waren die Probleme behoben - der Sound blieb sehr extrem, aber mit Ohrstöpseln war das gut auszuhalten. So konnte man sich an den Hits "Hail Murder", "Open The Gates" und vor allem "Atrum Regina" erfreuen, wobei letzteres fast wie auf dem Album klang. Die Songauswahl war im Gegensatz zur vorangegangenen Band ein echter Knaller, da blieben kaum Wünsche offen. Einzig die gelangweilt wirkende monotone Stimme des Sängers in den Ansagen haben ein bisschen unfreiwillig komisch gewirkt.
Mayhem waren wohl die polarisierendste Band des Abends. Einerseits haben Songs wie "Freezing Moon", "My Death" oder "Deathcrush" ordentlich gerockt und Hellhammer bis auf einige wacklige DB-Parts den meisten Schlagzeugern das Fürchten gelehrt, andererseits wirkte die "Show" von Attila Csihar so unheimlich albern (er fuchtelte wie ein ertrinkender Disco-Fox-Tänzer mit den Armen herum, trug eine Kutte mit Kapuze und einen "Handschuh", der wie ein umfunktionierter roter Damenstiefel mit zig Schnallen aussah), dass man nicht wusste, ob das nun mystisch oder lustig sein sollte. Die Menge feierte die 25-Jahre-Jubilanten ab wie nix gutes, also ging das wohl letztendlich doch in Ordnung. Blöd war nur, das Mayhem eine halbe Ewigkeit gebraucht haben, eh sie endlich mal auf die Bühne kamen. Wer weiß, woran das nun wieder lag, vielleicht musste Attila erst seinen Damenschuh schnüren, aber sowas sollte eigentlich vermeidbar sein.
Aber die Krone der Verzögerung konnten sich definitiv die Headliner Watain aufsetzen. Laut Running Order sollten die Schweden um 23.25 Uhr beginnen, woraus dann aber 0.50 Uhr (!) wurde. Die Bühne wurde mit einer Lastwagenladung Requisiten und allerlei Teufelszeug ausstaffiert, was beim Zuschauen zwar atmosphäresteigernd wirkte, aber die Hälfte von dem Gerümpel und ein Beginn vor 0 Uhr wäre mir da schon lieber gewesen. Schließlich stand man sich seit 13 Uhr die Beine in den Bauch, und für jemanden, der normalerweise im Sitzen arbeitet, ist das irgendwann einfach nur noch unschön. An der Grenze der Begeisterungsfähigkeit bekam ich dann mit, das Watain den wohl besten Sound des Abends hatten und auch noch klasse Songs ins Auditorium ballerten, darunter "Devil's Blood", "Sworn To The Dark" und "The Serpent's Chalice". Aber dazu jetzt rumbangen - nee, sorry, Jungs, mein Rücken sagt da was anderes. Einzig das ausgespielte Meisterwerk "Stellarvore" zog mich von dem Flightcase des Mischers weg, auf dem ich mich einem Freund niedergelassen hatte. Ich wusste nicht, ob ich es gut oder schlecht finden sollte, das Watain dann auch noch länger als geplant spielten - aus 65 Minuten wurden 80 und so fiel der Schlussakkord erst kurz nach 2 Uhr. Uff. Ein Hammer Auftritt, den ich leider aus physischen Gründen nicht ordentlich würdigen konnte.
Gegen 5 Uhr konnte ich dann endlich ins Bett fallen und trotz einiger Enttäuschungen und der Jahrhunderte-Warterei vor Watain war die Bilanz doch positiv ausgefallen. Gießen, wir kommen gern wieder, wenn ihr wieder so ein hochkarätiges Billing zusammenstellt. Und wenn dann noch die Nazi-CD-Verkäufe untersagt werden und auch dem einzige Spinner mit Absurd-Shirt, den ich ausmachen konnte, der Eintritt verweigert wird, klagt auch die Gießener Allgemeinheit rum wie in den letzten Jahren.
Mahlzeit,
Unas