Percussion-Philosophie, oder: Was macht man da eigentlich?

  • Ich habe kürzlich von einer Reggae-Ska-Band (nicht ganz unerfolgreich) das Angebot bekommen, als Percussionist einzusteigen. Da ich für alles offen bin und als Schlagzeuger natürlich ;) auch das nötige Rhythmusgefühl mitbringe, habe ich selbstverständlich zugesagt.


    Bloß: Eigentlich habe ich keine wirkliche Vorstellung, was man als Percussionist genau macht, oder besser gesagt, was die Philosophie, die Existenzberechtigung dieser Musikergattung ist. Für mich war das irgendwie immer so der Assistent vom Schlagzeuger, der in den Pausen auf irgendwelchen Schellen und Bongos rumdengelt (überspitzt formuliert ;) ).
    Was ist der rote Faden für den Percussionisten? Wie kann er seinen vernünftigen Beitrag zur Musik leisten, ohne nur ein wenig "Lärm" dazu zu machen? Wann wirds zuviel, wann zuwenig?


    Würde mich freuen, wenn mir einige alteingesessene und überzeugte Percussionisten ein paar Grundsätze dieser Instrumentengattung und vor allem der dazugehörigen Mentalität etwas näherbringen könnten! :)

    Nicht nett, dass sie im Suppenpott
    den Teddy und die Puppen sott.

  • Falls diese Band von dir nicht erwartet, gleich ein "perfektes" Ergebnis abzuliefern, würde ich einfach zusagen und es machen.
    Wenn du ein bisschen Equipment am Start hast (versch. Shaker, Schellenkranz, Bongos, Congas, Glocken, Triangel etc.), kannst du ja einfach mal rumprobieren und "anbieten". Wenn die Band etwas versierter ist, haben die da evtl. auch schon konkrete Vorstellungen, was sie gerne wo hätten. Und wenn du zuviel oder zu wenig(eher selten der Fall, denke ich) spielst, wird die Bands das sicher auch zeigen.


    Zusätzlich kannst du natürlich auch ein paar Unterrichtsstunden nehmen, um ein paar Techniken vermittelt zu bekommen, etwa für Congas und Bongos. Basics reichen da aber eigentlich auch schon. Man sollte nämlich bedenken, dass man bei Percussion wirklich wahnsinnig frei ist, es gibt viel weniger "Spielregeln" als etwa bei Schlagzeug. Das gilt natürlich besonders für Ska- und Reggae-Bands. Bei Latinbands kann es schon sein, dass von dir ein breites Repertoire erwartet wird.



    edit: So, jetzt werd ich doch noch etwas konkret ;)
    Als Percussionist solltest du erstmal davon ausgehen, dass du Würze in die ganze Geschichte bringst. Sobald ein Schlagzeuger mit von der Partie ist, kann man davon ausgehen, dass er ein Groovefundament liefert. Da wäre es dann meist langweilig, wenn du das ganze Stück durch nen Tumbao auf der Conga durchklopfst.
    Natürlich kann man durchgehende Sachen spielen, etwa nen Shaker shaken oder ne Clave auf ner Clave klöppeln, man sollte aber hin und wieder "Farbkleckse" mit reinbringen und für Abwechslung sorgen.
    Beispiel: In einem Song spielste in den Strophen nen Shaker, wechselst in den Refrains zum Schellenkranz, den du schüttelst und dazu 2 und 4 (oder die 3, bei Reggae ;) ) betonst. Falls es sowas wie ne Bridge oder nen C-Teil gibt, lässte Shaker/Kranz weg und machst nur kleine Einwürfe auf den Bongos. Oder du lässt den Shaker laufen und machst die Einwürfe mit der anderen Hand.


    Noch ein kleiner Tipp für Bongos und Congas: mach keine Fills, wo sie der Schlagzeuger macht/machen würde, besonders, wenn er Toms dabei einsetzt.

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  • Percussion ist leider SEHR oft missverstanden!
    Es ist was sehr anderes als Drumset spielen!
    Ein Tamburin auf 8tel durch einen Song grooven zu lassen ist nicht so einfach wie es am Anfang aussehen mag!


    Ich würde mir mal ein paar CDs zulegen: Burning Spear, The Gladiators, Culture, Linton Kewesi Johnson, Künstler mit den Roots Radics als Backingband, ...


    Andy Horace - Livin' it up auf youtube da gibt es die Altmeister Sticky&Scully bei der Arbeit.

    "Man muss das Grundgesetz vor seinen Vätern schützen und die Verfassung vor ihren Schützern."
    "Der Faschismus ist eine Spielart der freien Marktwirtschaft."
    Wolfgang Neuss

  • Das habe ich leider auch erfahren müssen. shaker,... Konsorten sind gar nicht leicht zu bedienen.
    Probier mal zwei Shaker gleichzeitig zum Grooven zu bringen. Verschiedene Sounds und Rythmen.

    Alles wird gut

  • idealerweise hast du einen banddienlichen Minimalisten am Drumset, dann kannst du im Prinzip alles ergänzend spielen, was der Drummer nicht spielt, du kannst mit dem Drummer gemeinsam spielen (stellenweise) um Akzente zu setzen, den Groove "fetter" zu machen, genauso idelalerweise instrumentierst du so, daß man dich als eigene Stimme wahrnimmt.


    Basics an diversen Perc.-Instrumenten sind sehr hilfreich, aber im Endeffekt ist viel wichtiger, daß du mit dem Drummer (und dem Bassisten!) auf den Punkt spielen kannst, sprich man hört euch beide GEMEINSAM und es gefällt - nichts schrecklichers, wenn da zwei Egomanen aufeinandertreffen, die beides alles spielen und sich ständig gegenseitig auflaufen lassen.
    Genauso scheiße, wenn Drummer und Percussionst gänzlich verschieden phrasieren/grooven.
    Wichtig ist einfach Fantasie und mit der Zeit die Gabe, zu ahnen/wissen/..., was der Drummer spielen wird um mit ihm zusammen was interessantes abzuliefern, dazu ist halt etwas Technik nötig um mithalten zu können.


    Wenn ich so ein Anbebot bekommen hätte, würde ich den Drummer bitten, mit ihm zusammen einfach mal etwas zu jammen, dabei könnt ihr beide feststellen, ob ihr überhaupt "miteinander könnt", wenn das geklappt hat, einen zweiten Durchgang zusammen mit dem Bassisten - wenn das funktioniert, geht in der Regel auch die komplette Band.



    ... bei "echter" Latin-Musik sieht das aber ganz anders aus, da haben die Percussionisten meistens sehr festgelegte Stimmen und auf sehr festgelegten Instrumenten - da sind tiefgreifende Vorkenntnisse unersätzlich...

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

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  • Da ich für alles offen bin und als Schlagzeuger natürlich ;) auch das nötige Rhythmusgefühl mitbringe, habe ich selbstverständlich zugesagt.


    Das hört sich so an, als ob du meinst, "ein Percussionist benötigt nur Rhythmusgefühl, das kann also jeder Schlagzeuger (ohne zu wissen, was der P. eigentlich macht)".
    Falls du dich eines Besseren belehren lassen musst, sei nicht enttäuscht. Einen Job als Percussionist anzunehmen, und gleichzeitig zu wissen, was man tut, ist ratsam. Aber vielleicht ist die "nicht ganz unerfolgreiche" Band ja auch noch auf dem Weg. Mach das Beste draus (von vorne).


    Grüße - Peter

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  • es gibt auch für percussionisten "basisgrooves" wie zb tumbao auf den congas, die sehr gut drumset grooves ergänzen. http://de.youtube.com/watch?v=dvAqDWlTzpc


    hör dir mal platten von the busters an, die haben auch einen percussionisten. der spielt sehr oft auch einfach nur offbeats auf dem rim der timbales und setzt fills dort wo der drummer nicht spielt oder nimmt kix auf den splashes mit.


    timbales sind auch ein teil der percussion, der oft total unterschätzt wird. dort gibt es viele patterns aus cuba und brasilien, die sehr schwer zum grooven zu bringen sind, aber bei guter umsetzung super geil klingen. beispiele dafür sind son oder cascara.


    wie schon geschrieben ist aber das wichtigste, dass der drummer platz genug lässt.


    hoffe das hilft evtl ein bisschen


    besten gruß


    schmanne

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  • Vielen Dank schonmal an alle! Da waren super Antworten dabei, die einige offene Fragen geklärt haben!

    Da ich für alles offen bin und als Schlagzeuger natürlich ;) auch das nötige Rhythmusgefühl mitbringe, habe ich selbstverständlich zugesagt.


    Das hört sich so an, als ob du meinst, "ein Percussionist benötigt nur Rhythmusgefühl, das kann also jeder Schlagzeuger (ohne zu wissen, was der P. eigentlich macht)".

    Grade das meine ich eben nicht! Das ist halt das landläufige Gefühl, dass alle von Percussionisten haben. Aber eben deshalb hab ich ja diesen Thread eröffnet, um mir von euch erklären zu lassen, warum eben nicht jeder Schlagzeuger auch ohne weiteres Percussion spielen kann.


    Aber wie gesagt, danke für die Tipps! Ich fänds klasse, wenn noch ein paar mehr Beiträge kommen, weniger zur Spieltechnik (die kann man sowieso nicht in ein paar Sätzen erklären), sondern eben eher zur Philosophie, zur Existenzberechtigung, zur inneren Einstellung eines Percussionisten! Wie bereits erwähnt, ich habe zugesagt, weil ich immer neugierig und für alles offen bin, aber ich möchte wissen, was Menschen denken, die von sich sagen, "Percussionist" zu sein! Ganz einfach, weil ich mich vorher nie mit diesem Thema beschäftigt habe.

    Nicht nett, dass sie im Suppenpott
    den Teddy und die Puppen sott.

  • ... eher zur Philosophie, zur Existenzberechtigung, zur inneren Einstellung eines Percussionisten! Wie bereits erwähnt, ich habe zugesagt, weil ich immer neugierig und für alles offen bin, aber ich möchte wissen, was Menschen denken, die von sich sagen, "Percussionist" zu sein! ...


    Das kann ich nur von meiner Sicht aus benennen, aber ich sehe das zum Teil drastisch anders als die Percussionisten, die aus der typischen Latin-Scene kommen - dort scheint mir das Macho-Gehabe Teil der Ausbildung zu sein, was öfters zu Problemen führt mit Drummern. Da ist dann oft wichtiger, "wer ist der Chef" der Schlagwerker, keiner will nachgeben - Ergenis für die Band oft unbrauchbar.


    Wenn ich Percussions spiele (mit einem Drummer!), dann bin ich einfach ein gleichberechtiger MUSIKER, bin bestrebt die Gesamt-Musik dienlich zu unterstützen, brauche mich nicht profilieren, indem ich ständig dem Schlagzeuger ins Gehege komme. Ganz besonders gut funktioniert das immer dann, wenn der Drummer das kollegial auch so sieht. Das hindert uns nicht einmal am Abend auch eine Battle zu spielen, aber ansonsten sind wir einfach beide Musiker, die dem Song, der Band, der Musik dienen.
    Klar, mit manchen Drummern kann man besser, mit anderen nicht so gut - das ist oft in beider Spielansatz begründet.


    ...kleines OT am Rande, ich habe einen allerliebsten Freund, super Schlagwerker (studierter Berufsmusiker), er spielt extrem geil Big Band am Drumset, wir müssen uns beide nichts beweisen - aber ich kann mit ihm nicht Jazz spielen, er ist in seiner Kreativität dermassen "flächendeckend", er läßt mir keinen Raum. Nicht absichtlich, aber das ist seine Spielanlage. In anderen Situationen (z.B. in der Klassik) ist er mein idealer "Nebenmusiker".

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

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  • Ahh ... stud. phil., jetzt erst gesehen :)
    Ich kann mir vorstellen, dass es unter Percussionisten ebenso vielfältige Philosophie-Ansätze und innere Einstellungen gibt, wie bei allen anderen Menschen-Gruppierungen.


    Ich beobachte und höre übrigens immer wieder unheimlich gern Ray Cooper bei Clapton unplugged.


    Gruß - Peter


    Edith fand einen besseren Link.

    -
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