John Cage - 4'33! - Eine Musik für sich -

  • Hallo!


    Es geht mir um folgendes: vor einiger Zeit besprachen wir im Musikunterricht das Stück "4'33" von John Cage. Für die, die das nicht kennen, habe ich es hochgeladen und zum Download bereit gestellt.



    http://www.zshare.net/audio/7324445757c782/



    Da werden viele sagen: "Halt, hast' was falsch gemacht! Ich hör gar nichts?!" Richtig, da hört man nichts. 4'33 ist ein Musikstück, dass aus 4 Minuten und 33 Sekunden Stille besteht. Nichts wird gespielt oder gesungen.


    Hier der Youtube Link:


    http://www.youtube.com/watch?v=HypmW4Yd7SY


    Und hier - dem Publikum scheint es zu gefallen:


    http://www.youtube.com/watch?v=hUJagb7hL0E


    Zitat Cage: "Sie müssen es nicht "Musik" nennen, wenn sie dieser Ausdruck erschüttert."


    Die Partitur besteht aus 3 Teilen Tacet.


    Frage: Musik oder nicht Musik? Ich erwarte eine rege Diskussion ;)


    ktr

    5 Mal editiert, zuletzt von kotor.useR ()

  • Wow, sowas habe ich ja noch nie gesehen / gehört.


    Interessante Frage. Ich würde das Stück sicherlich als "Musik" bezeichnen.
    Ich denke Musik muss nicht immer was mit Geräuschen oder Hören zu tun haben.
    Mann sollte die Musik eher "fühlen". Vielleicht liegt auch der Sinn in diesem Lied dass sich jeder mal das musikalisch vorstellt was er gerade denkt / fühlt.


    Ich denke das wird eine richtig interessante Diskussion :] !

    bum tschak

  • Nachdem schon der berühmte Wiener Philharmoniker Schlagwerker Richard Hochrainer in seinen Schulen schrieb, daß auch Pausen Musik sind, ist 4:33 Musik.


    Musik bedeutet Tonkunst. Wieviel Töne man dabei spielen muss, ist nicht definiert.


    Ich definiere Musik für mich so: Musik ist alles, was mich dazu bringt mich auf meine Ohren zu konzentrieren.


    Wenn dir das gefällt, dann schau dir mal das an: ASLSP - John-Cage-Orgelprojekt Halberstadt.


    John Cage hat ein Orgelstück geschrieben namens Organ hoch 2 / ASLSP. Dir Zeitrafferaufnahme des Stückes passt auf eine 75Min CD.
    Im Originaltempo gespielt dauert vom 5.9.2001 bis 2640. Der erste Akkordwechsel war übrigens. am 5.2.2003. :D


    John Cage ist cool!


    LgTrommelmann

  • jetzt weiss ich endlich, was es mit diesem geblaste auf sich hat. dass sind john cage kompositionen für schlagwerk im zeiraffer gespielt. orignaltemo ist 1 bpd (beat per decade) ;)

    now, this little number is in thirteen. it's subdivided 5 8 and 4 4, if you wanna clap your hands: one two one two three one two three four .... pretty good! FZ (1940 - 1993)
    Mein Spielzeug im Einsatz Hueni for Sale

  • Zitat

    Original von trommelmann
    Ich definiere Musik für mich so: Musik ist alles, was mich dazu bringt mich auf meine Ohren zu konzentrieren.


    Das klingt irgendwie sehr sinnig! Könnte ich fast so unterstreichen! Aber einen Unterschied von "Geräusch" und "Ton" würde ich doch machen... aber selbst die Greze ist ja nicht genau festzulegen. Was für uns Musiker ein Ton ist, ist für die Physiker schon ein Geräusch :-)!
    Zu John Cage muss ich sagen, dass durch seine "provokante" Art Musik zu schreiben die Diskussion im Gange hält. Und das ist auch nicht verkehrt. Mir gefällts. Seine Ideen sind sicher nicht von ungefähr - und vielleicht manchmal auch als Kritik an der Mode der Musik... oder so...
    Ach, zu "4:33" soll er mal gesagt haben, dass die Musk daraus bestünde, dass die Zuhöher im Saal durch räuspern, scharren, klappern usw. die Musik machen würden - und so das Stück niemals gleich sei! Gute Idee - Aber ob das für mich Musik ist? Nein! Also, Leute: *huströchelschneuz* :)

  • man sollte noch hinzufügen, dass das Orgelstück die Vorschrift "as slow as possible" hat, also kann das Stück auch sogar noch länger dauern. Es müssen halt dann die Zeitpunkte für Ton- und Akkordwechsel neu berechnet werden.


    Das ist halt typisch für Cage,... das ist durchaus intendiert, dass das Orgelstück also je nach dem wer es wie schnell interpretiert erklingt. Im Prinzip wäre es auch möglich das Stück ganz schnell zu spielen, wenn man argumentieren würde, dass "so langsam wie möglich" eben auch heißt, dass wenn ein Interpret zu wenig Zeit hat, er es eben in der für ihn möglichen Langsamkeit gespielt hat.


    Bezüglich 4:33


    Punkt 1: ich hab mal gehört, dass bei dem Stück, bei Aufführungen auch Nebengeräusche (Hüsteln, etc.) zur Komposition dazugehören, bzw. zum Klangeindruck. Zwar wird das Stück von Seiten der Musiker tacet gespielt. Aber die Zuhörersituation ist gleich. Der Unterschied, wenn es denn einer ist, ist, dass man praktisch als Mensch, der instinktiv (evolutionär) auf Laute achtet nun erst darauf achtet, was sich eigentlich während eines Konzertes abspielt. Der Mensch hört selektiv, hier wird seine Selektionsfähigkeit im Prinzip ausgetrickst, da seine Sinne durch Klänge von Instrumenten als Schallproduzenten sozusagen freigestellt sind.


    Punkt 2: ist es Musik?
    a) in der neuen Musik ist das Kunstverständnis sowieso ein anderes (ich meine da nicht Schönberg und Co). Ein Kunstwerk ist nicht zwangsläufig eine handwerklich ausgeführte kreative Idee, sonder die Idee allein zählt, als "kunstwertig". Der Aspekt des Fachmannes im Sinne des Komponisten als Handwerker, der seine Ideen mithilfe seiner handwerklichen Fähigkeiten ausdrückt tritt zurück.
    Es gibt sogar Musik-Zeichnungen. Da sind dann einfach Striche drauf. Idee dabei ist, dass der ausführende Musiker, also der Interpret Teil des Schaffensprozesses ist. Man hat sich damals viel davon versprochen, den Interpreten zu emanzipieren, aber hat dann festgestellt, dass die Musiker doch immer auf gewissen "patterns" zurückgreifen, die sie im Laufe ihres Lebens so angesammelt haben.
    b) das Stück ist 3-geteilt. Bereits zu Brahms Zeiten gab es einen heftigen Streit darüber, wie die Musik weiterzuentwickeln sei. Die einen (Alfred Brendel als Publizist und Musikwissenschaftler und Liszt, Wagner, Strauss) sahen dies z.B. in der Auflösung der Form (Form meint hier die 3 oder 4-Sätzigkeit der Sinfonie etwa) oder Anreicherung mit außermusikalischen Inhalten (Programmmusik) die anderen auf publizistischer Seite Eduard Hanslick und Hans von Bülow (letzterer weil Wagner ihm die geliebte vor der Nase weggeschnappt hat. Ja so einfach kann Musikwissenschaft sein) und als Komponist Brahms, der eher von den beiden vereinnahmt wurde. Berühmt ist der Satz Hanslicks "Musik ist tönend bewegte Form", dies heißt so viel wie, innerhalb der Form die Musik auf Ebene des Materials weiterentwickeln. (Man muss sich um das zu verstehen in die Art und Weise wie Brahms vs. die anderen komponiert haben, mal reindenken. Bezügl. der Behandlung des musikalischen Materials)
    Auf Cage übertragen heißt das: das Material, Stille, bleibt einerseits in der Form der strengen 3-Sätzigkeit. Andererseits könnte man sagen, dass er die Form sprengt, denn, durch die Pausen wird ja die 3-Sätzigkeit beim hören aufgelöst.


    Es ist auch noch zu bedenken, ob für die Aufführung nicht nötig ist, dass ein Dirigent den Takt durchdirigiert oder zumindest die Einsätze für die Pausen am Anfang jeden Satzes gibt und ein Orchester "einfach da sitzt". Naja, bei der Aufführung mit Klavier, was glaub ich auch das Instrument ist, für das 4:33 geschrieben wurde, müsste der Pianist konzentriert die Pausen mitlesen und nach jedem Satz, sofern sie nicht attacca (ohne Unterbrechnung) aufeinander folgen, kurz innehalten. Ich habe auch mal gehört, dass in der Partitur steht, dass man nach jedem Satz den Klavierdeckel zumachen soll. Wenn das stimmt, wäre das auch ein gliederndes Element. Ich würde gern mal die Partitur sehen :)



    Übrigens hat Hugo Egon Balder mal mit jemand anderem zusammen ein Stück für Schlagzeug mit Pausen bei der GEMA anmelden wollen (die hat es abgelehnt). Das "Stück" hatte Taktwechsel, und Anweisungen für Agogik und Phrasierung (es tauchten darin Vorschriften wie "affengeil" auf). Nun spiel mal jemand affengeil... :D



    Edit: Matthew war mit den Nebengeräuschen (Räuspern, Hüsteln...) schneller...
    Edit2: Strukturierung durch Fettmarkierung von Schlüsselstellen

    "Also hab ich angefangen Besen spielen zu lernen, dann hab ich ein Paar Sticks bekommen, dann ein Übungspad, dann ein Schlagzeug, dann zwei Schlagzeuge.... Jetzt verstehe ich Kids, die sich 17 Schlagzeuge auf einmal kaufen." (Bill Bruford)

    5 Mal editiert, zuletzt von Dough Clifford ()

  • Das hat meiner Ansicht nach was mit Erwartung und (nicht) Erfüllung dieser Erwartung zutun.... Jeder der dort sitzt geht von einem ordentlichen "Getöse" aus weil dort ein Orchester sitzt und wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird ist jeder "Zuhörer" in dieser Zeit gezwungen seine Erwartungshaltung zu reflektieren. Daher sage ich: Kunst - Ja! Musik - Nein



    Edith: In diesem Kontext könnte man auch Fred Frith erwähnen - dieser hat auch eine sehr eigene Auffassung davon, was Musik ist

    sieg natur.

    Einmal editiert, zuletzt von slo77y ()

  • Zitat

    Original von slo77y
    Das hat meiner Ansicht nach was mit Erwartung und (nicht) Erfüllung dieser Erwartung zutun.... Jeder der dort sitzt geht von einem ordentlichen "Getöse" aus weil dort ein Orchester sitzt und wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird ist jeder "Zuhörer" in dieser Zeit gezwungen seine Erwartungshaltung zu reflektieren. Daher sage ich: Kunst - Ja! Musik - Nein



    Edith: In diesem Kontext könnte man auch Fred Frith erwähnen - dieser hat auch eine sehr eigene Auffassung davon, was Musik ist


    Das gefällt mir. Kurz und knapp und alles drin.
    Wobei man das mit "Kunst - ja und Musik - nein" relativieren kann. Es bedient sich ja des geistigen Horizontes in dem Musik stattfindet.

    "Also hab ich angefangen Besen spielen zu lernen, dann hab ich ein Paar Sticks bekommen, dann ein Übungspad, dann ein Schlagzeug, dann zwei Schlagzeuge.... Jetzt verstehe ich Kids, die sich 17 Schlagzeuge auf einmal kaufen." (Bill Bruford)

  • Hallo,


    4' 33" ist jedenfalls bei der GEMA angemeldet.


    Als Gag und Anregung musiktheoretischer Diskussionen super. Um die dekadenten Zuhörer (na, ja, eher gelangweilte Abonnenten) ordentlich zu veräppeln, eine prima Sache.


    Vielleicht spiele ich das mal auf dem Schlagzeug. Aber da muss ich noch viel üben. Die ganze Pausenzählerei ist echt übel, nicht, dass die Nummer am Ende noch 4' 34" dauert oder gar nach 4' 32" schon fertig ist.


    Grüße,
    Jürgen

  • :D :D :D


    naja, da kann man bestimmt ein Auge zudrücken; das wäre dann der Aufregung geschuldet. Außerdem musst du ja bei Räumen mit viel Nachhallzeit, sowieso langsamer spielen, als es der Komponist vorgibt, damit die Rhythmischen Feinheiten bei den kleineren Pausenwerten nicht verwischen. ;)

    "Also hab ich angefangen Besen spielen zu lernen, dann hab ich ein Paar Sticks bekommen, dann ein Übungspad, dann ein Schlagzeug, dann zwei Schlagzeuge.... Jetzt verstehe ich Kids, die sich 17 Schlagzeuge auf einmal kaufen." (Bill Bruford)

  • Ein klassischer Berufsschlagzeuger hat mir noch erzählt, dass neben der Diskussion: Sind jetzt die Töne oder die Pausen die Musik? (Quasi: Macht die Melodie das Nichtgespielte oder das Gespielte aus?), auch gesagt wird, dass John Cage wollte, dass das Publikum dann halt Musik machen soll.


    Bei diesem Werk kann jedenfalls jeder sagen: Das kann ich auch spielen. Nicht etwa wie abstrakte Kunst, wo ich zwar immer noch überzeugt bin, dass ich so einiges auch könnte, ja egal, ich schweife ab und mache eine Notiz an mich: Buch kaufen "Moderne Kunst, das kann ich auch"...


    Und noch dies:


    Ein englischer Komponist hat ein Projekt mit dem Namen "Longplayer" ins Leben gerufen, das Werk dauert exakt 1000 Jahre.


    Es funktioniert mit einem Computersystem, dass ungefähr das gleiche macht, wie wenn man 6 Plattenspieler mit derselben Platte mit verschiedenen Geschwindigkeiten abspielen würde und nach ein paar Minuten immer wieder die Nadeln leicht verschoben aufsetzen würde. Auf jeden Fall so berechnet, dass das Stück 1000 Jahre dauert.


    Das Werk enthält Klänge von tibetanischen Gongs und Klangschalen.
    Hier der Link zum
    LiveStream

  • Zitat

    Original von Jürgen K


    Vielleicht spiele ich das mal auf dem Schlagzeug. Aber da muss ich noch viel üben. Die ganze Pausenzählerei ist echt übel, nicht, dass die Nummer am Ende noch 4' 34" dauert oder gar nach 4' 32" schon fertig ist.


    Ich glaube nicht, dass das Stück so leicht ist, wie man denkt. Ich habe mal "One^4" von Cage gespielt (auch mit relativ viel Pausen drin). Habt ihr schonmal probiert 40 Sekunden eine Spannung aufrecht zu erhalten? Das ist um einiges schwieriger, als man denkt. Man kann ja nicht dran stehen, wie an der Bushaltestelle. *g* (@ Jürgen: Ich weiß schon, dass der Beitrag ironisch gemeint war).



    Vielleicht ein wenig Background zum Stück:


    Cage hat ja nicht immer so "abgefahren" komponiert. Aus seiner früheren Phase gibt es sehr viele "ganz normale" Stücke mit Noten und so *g* wie zum Beispiel die 3 Constructions, Trio, My Imaginary Landscape (soviel ich weiß das erste Stück, bei dem ein Tonbandgerät eingesetzt wurde) und und und.


    Ein entscheidendes Erlebnis für Cage war der Besuch eines 100% geräuschisolierten Raums, also ein Raum in den von außen keine Geräusche eindringen können und in dessen Inneren eigentlich "totale" Stille herrscht. Dieser Meinung war wohl auch Cage. Er erwartete also totale Stille in diesem Raum vorzufinden. Umso überraschter musste er sein, als er alles andere als totale Stille vorfand. In diesem "stillen" Raum hörte er nach eigener Aussage plötzlich Dinge wie seinen Herzschlag oder das Pulsieren des eigenen Blutes (Anmerkung: Das wir Schlagzeuger das nicht hören ist klar - wir sind ja auch alle taub *g*). Was daraus folgt? Laut Cage kann es nie wirkliche Stille geben. Also eigentlich auch nie wirkliche Pausen (Pause definiert als Stille wo nichts gespielt wird).
    Ein weitere wichtige Erkenntnis Cages. die glaube ich zum Verständnis von 4'33 beiträgt, ist das einbringen von Permutation und Zufall in die Musik. Cage begann in seine Stücke Zufallselemente einzubauen, so dass die Stücke bei jeder Aufführung verschieden klingen. Ein gutes Beispiel wäre hier sein Stück für 12 (?) Radios, bei dem er sehr genau vorschreibt wann bei welchem Radio welche Lautstärke und welche Frequenz eigestellt werden muss. Natürlich kann Cage nicht wissen, was zum Zeitpunkt der Aufführung gerade auf der entsprechende Frequenz läuft. Deshalb klingt das Stück jedesmal anders.


    Was folgt aus dem ganzen:
    Wenn man davon ausgeht, dass es in einem Stück keine wirklichen Pausen geben kann, man den Zufall als ein musikalisches Element zulässt und davon ausgeht, dass die entstehenden Geräusche im Konzertsaal und außerhalb zum Stück gehören (auch eine Art Zufall, die das Stück jedesmal verändert), dann macht das Stück, gesehen als Kunst, serwohl Sinn.
    Bei jeder Aufführung klingt das Stück anders durch die entstehenden Geräusche, die laut Cage ebenso zur Musik gehören, wie die Musik selbst.


    Ich kann mich dunkel an ein gutes Beispiel erinnern. Es gibt eine sehr berühmte Percussion Gruppe, die Amadinda Percussiongroup, die sich auf Cage spezialisiert hat.
    Die haben einmal eine CD-Aufnahme in einem Park durchgeführt (ich weiß nur nicht mehr, ob das so vorgeschrieben war oder eigener Einfall). Auf jeden Fall war in den notierten Pausen des Stückes später auf der CD-Aufnahme das Vogelgezwitscher und die Geräusche aus dem Park zu hören. Zwischend den einzelnen Sätze aber ganz "normale" Pausen/ Ruhe. Man könnte sozusagen das Stück als eine Version von unendlich vielen auslegen und diese Auslegung/ Aufführungspraxis kommt wohl Cage am nächsten.



    So. Ich hoffe ich konnte etwas zum Verständnis beitragen.


    Gruß,
    Simon

  • Klar ist das Musik bzw. Kunst. Das ist wie mit Beuys Aktionskunst, dadaistischer Lyrik oder Grindcore. Und letztlich können selbst Geräusche Musik sein (Industrial, Drone Doom wie z. B. Sunn O))) ), da wäre ich mit einer Differenzierung sehr vorsichtig.
    Ich persönlich bevorzuge mehr oder weniger konventioneller tonaler Musik, schätze aber die gesellschaftlichen und künstlerischen Impulse, die von solchen "Grenzgängen" ausgehen.

  • Okay, jetzt sage ich als Threadstrarter auch mal was dazu :D


    Für mich ist das keineswegs Musik. Musik verbinde ich mit Harmonie, Takt, Rhythmus und/oder Tönen. Wenn ich meine 2 Jahre alte Großcousine ans Keyboard lasse und man sinnfreires Geklimper hört, hat das nichts, NICHTS mit Musik zu tun. Das beruht imho auch nicht mehr auf Geschmack.


    Musik ist Kunst, und kommt von "Können". Und nur weil ein Komponist mit Namen ein 4 Minuten, 33 Sekunden langes Stück mit "nichts" füllt, ist das keine Musik - für mich ist das totaler Humbug. Wenn hier ein Forumsmitglied ein Stück posten würde "Ich habe mit meiner Band etwas gejamt." und käme dann mit ein paar Minuten "nichts" - wären da auch alle so begeistert wie jetzt?


    Problem ist das Denken der Kritiker, egal ob professionell oder nicht: "Wenn sogar ich das nicht verstehe, MUSS es ja gut sein."


    Mutter zum Sohn: "Hey, mach mal 4'33 leiser! Das hören alles die Nachbarn!" Oder wie?

    Einmal editiert, zuletzt von kotor.useR ()

  • Da zitiere ich mich gerade mal selber:


    Zitat

    Es gibt engere und weitere Verständnisse von Kunst.
    Es mag auch mal im Althochdeutschen als Substantiv Kunst von können abgeleitet worden sein, aber diese Bedeutung lässt sich nicht verabsolutieren und einfach in die moderne Sprache übertragen. Die Etymologie varierte von "Wissenschaft", über "durch Übung erworbene Fertigkeit" hin zum modernen Bezug auf Schöpfung in den Bereichen bildende Kunst, Literatur und Musik.


    Kunst ist ganz sicher nicht auf können zu reduzieren; können kann ein Bestandteil sein, muss aber nicht. Kunst hängt zum einen vom Selbstverständnis des Kommunikators ab (ambivalent kann das z. B. im Falle eines Goldschmieds sein; je nachdem welcher Tätigkeit der genau nachgeht kann es Handwerk oder Kunst sein), aber auch vom Verständnis des Rezipienten (Kunst liegt im Auge des Betrachters). Auführlich gehts hier weiter.

  • Du musst aber den zeitlichen Unterschied sehen bei dem Stück...
    als er sich diese Stück überlegt hatte, hatte er eine Vorstellung davon, was er damit erreichen will und niemand hatte so etwas vor ihm getan...
    Bei ihm war es ein kreativer Prozess wenn es jetzt eine Band machen würde wäre es eben geklaut. Er war ja auch darauf aus, dass die Musik aus dem Publkum kommt.

    Verkaufe
    alte Paiste 505 Hi Hat Becken, Preis nach Vereinbarung
    Bei Bedarf gibts auch Bilder


    Tama Rockstar Snare die bei mir seit ca. 3 Jahren im Keller liegt

  • Zitat

    Original von Gast
    [...] Musik ist Kunst, und kommt von "Können". Und nur weil ein Komponist mit Namen ein 4 Minuten, 33 Sekunden langes Stück mit "nichts" füllt, ist das keine Musik - für mich ist das totaler Humbug. Wenn hier ein Forumsmitglied ein Stück posten würde "Ich habe mit meiner Band etwas gejamt." und käme dann mit ein paar Minuten "nichts" - wären da auch alle so begeistert wie jetzt? [...]


    Zitat

    Original von The FloW
    [...]wenn es jetzt eine Band machen würde wäre es eben geklaut.[...]


    er meinte ja nicht, wenn es jetzt eine Band nachmachen würde, sondern, wenn es vorher noch keiner gemacht hätte. Dann würde wirklich jeder hier im Forum Sache schreiben wie "na toll :rolleyes:, verarschen kann ich mich selber, es muss wohl wieder Ferienzeit sein, kommt das jetzt endlich in den Trash? Kannst du mit deiner Zeit nichts besseres anfangen?"


    Es kommt eben auf den Kontext in den Kunst hinein komponiert (oder was auch immer) wird und die Erwartungshaltung (wie vorher schon jemand sagte) und auch darauf, dass jemand bereits ein gewisses standing hat, da muss ich Gast schon recht geben, allerdings gibt es auch solche, die ihre Aktionen immer wieder machen und dann erst als Spinner gelten und am Ende durch ihre ständige Präsenz doch als Künstler gelten und sich dann jemand dafür interessiert.
    Mit Kontext meine ich: wenn du einen Ball von einer Brücke fallen lässt ist das dein privates Vergrnügen und eine normale Tätigkeit. Wenn du aber einen Pressetermin vereinbarst und sagts "heute um 13.00 lasse ich in Köln einen Ball von einer Brücke in den Rhein fallen lassen" dann wirkt es schon "intendierter", wenn nun noch sowieso grade die Erwartungshaltung oder Erfahrung besteht, dass es ja sowas wie Aktionskunst gobt und da mal wieder was kommen könnte, dann wird es jeder als Kunst auffasen.


    Du kannst ja mal nen Test machen: plakatiere über 3 Monate hinweg ein größeres Areal einer Stadt mit geheimnisvollen Ankündigungen a la "nicht mehr lange...", "ein Ereignis von geringem Ausmaß", "Geräusche? schonmal den BigBang gehört?". Nach den drei Monaten (mit einer Woche Vorlauf) sagst du der lokalen Presse bescheid und auch ruhig höheren Presse Institutionen, dann stellst du dich in die Fußgänger Zone an einen Platz, den du vorher auch mit speziellen Plakaten kenntlich gemacht hast, vielleicht mit farbigen, statt weißen. Du leihst dir nun noch von einem Musikgeschäft in der Nähe einen Verstärker und ein Mikro. Wartest 1 Stunde und sagst die ganze Zeit "noch soundsovieel Minuten bis zum kleinen Ereignis". Am Ende furzt du dann ins Mikro und sagst "das war ein akustisches Ereignis, das weit im Schatten des BigBang steht, präsentiert von Blabla-Musikshop und meiner Wenigkeit, ich hoffe es hat ihr Leben bereichert".


    Vielleicht klappt es ja. Ob du zuhause in ein Mikro furzt interessiert keinen. Mir ist es auch egal, ob man das in einer Fußgängerzone tut, aber scheinbar gibt es Bedarf für solche Sachen.
    Dennoch die Idee von 4:33 find ich schon gut, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass auch viele andere darauf gekommen wären.


    Der Kontext "Musik" bleibt ja noch. Was sich verändert ist die Definition von Kunst worauf ich ja auch schon in meinem ersten Post hinwies (und maxPhil nochmal philologisch). Es kommt nicht mehr auf das Handwerk, die Kunstfertigkeit an, sondern um die Idee, den Plan, die Konzeption.


    Meiner Meinung nach, muss da jeder für sich selbst entscheiden können dürfen, ob er es rezipieren möchte oder nicht.
    Leuten, die sagen "Popmusik ist doch billig" oder "der und der Komponist schreibt doch nur schöne Melodien", antworte ich. Ist doch egal, entweder man mag ein Stück, weil es einem gefällt, einfach schön ist oder ein Stück gefällt einem, weil einem der Ansatz, die Idee dahinter, oder wie ein kompositorisches Problem gelöst ist, interessant vorkommt und man gerne genauer wissen möchte wie das Ding aufgebaut ist.


    Zitat

    Original von Gast
    Problem ist das Denken der Kritiker, egal ob professionell oder nicht: "Wenn sogar ich das nicht verstehe, MUSS es ja gut sein."
    [...]


    Das ist ein weit verbreiteter Topos. Aber es ist schon was dran. Es ist sogar so, dass es in wissenschaftlichen Aufsätzen nur darum geht einen grade gehypten Komponisten auch toll zu finden. Man glaubt gar nicht wieviele musikwissenschaftliche Ammenmärchen Existieren.
    PS: Ach ja, und Mozart war nicht der größte Komponist aller Zeiten...

    "Also hab ich angefangen Besen spielen zu lernen, dann hab ich ein Paar Sticks bekommen, dann ein Übungspad, dann ein Schlagzeug, dann zwei Schlagzeuge.... Jetzt verstehe ich Kids, die sich 17 Schlagzeuge auf einmal kaufen." (Bill Bruford)

    Einmal editiert, zuletzt von Dough Clifford ()

  • Es ist richtig, dass jeder na toll sagen würde wenn eine band sowas das erste mal als Aufnahme machen würde ABER es ist Aufgeführt worden.
    Hätte eine Band die Möglichkeit vor einer großen Masse zu spielen und würde das als erste machen, wäre das genauso kreativ und musikalisch wie 4 33 von john Cage.

    Verkaufe
    alte Paiste 505 Hi Hat Becken, Preis nach Vereinbarung
    Bei Bedarf gibts auch Bilder


    Tama Rockstar Snare die bei mir seit ca. 3 Jahren im Keller liegt

  • Zitat

    Original von Jürgen K


    Die ganze Pausenzählerei ist echt übel, nicht, dass die Nummer am Ende noch 4' 34" dauert oder gar nach 4' 32" schon fertig ist.


    Dies sollte kein Problem darstellen, da die Länge des Stücks frei wählbar ist.
    Somit wäre auch jedes Stück, welches ausschließlich aus Stille besteht ein Cover eben dieses 4'33" (Type O Negative haben das Stück mal unter dem Namen "The Misinterpretation of Silence and Its Disastrous Consequences" gecovert, allerdings nur eine Minute lang)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!