Hallo liebe Schlagzeuger,
dank vieler freundlicher Antworten auf meinen Vorstellungs-Post fühle ich mich hier schon richtig wohl. Ich spiele erst seit einem Monat Schlagzeug und bin noch bei jedem Üben von den neuen Eindrücken begeistert. Und das ist nicht übertrieben. Alle meine Freunde wissen, dass ich fast immer ein Hobby habe, das ich mit hundertprozentigem Einsatz mache. Ein Studium kann sich da schon mal verzögern, ein Feierabend wird halt optimal genutzt. Und jetzt will ich mal einen Vergleich machen zwischen meinem neusten Hobby, dem Schlagzeugen und meinen anderen Hobbies (die ich zwar zum größten Teil gerade nicht betreibe, aber immer mal wieder reaktiviere).
Fangen wir mal an mit dem Jonglieren. Das habe ich mindestens so intensiv betrieben wie mein Studium.
Ich kann nicht jonglieren lernen - Ich habe kein Rhythmusgefühl
Das mit dem Rhythmusgefühl kriegt man ja teilweise in der Schule eingeredet. Das mit dem Jonglieren denken viele Leute, nachdem sie ein paar Minuten probiert haben. Aber wenn man nie Bewegungen in der Art gemacht hat oder wenn man eben zu hause nie mit seinen Eltern gesungen hat etc., dann darf man nicht erwarten, das sofort hinzubekommen. Zwar sind die Unterschiede im Talent groß, aber jeder kriegt eine Dreiballjonglage hin und jeder schafft einen simplen Rock-Beat.
Wie viele Bälle kannst du jonglieren?
Nicht-Jongleure können schwer beurteilen, was ein Jongleur so drauf hat. Sie sehen es natürlich (ich höre es auch bei einem Schlagzeuger), können aber gar nicht benennen, was er tut. Ein Laie kann nur die Gegenstände zählen, die durch die Luft fliegen. Das führt zu der bei Jongleuren verhasstesten aller Fragen "Wie viele Bälle kannst du jonglieren" oder "Wie viele Keulen kann man den höchstens jonglieren".
Beim Schlagzeug fällt mir keine solche Frage ein. Um euch in einen Jongleur hineinzuversetzen: stellt euch einfach vor, ihr habt gerade einen super Groove gespielt und jetzt fragt einer "Bei wieviel BPM kann das denn der beste Schlagzeuger spielen?". Das kommt ungefähr hin denke ich.
Ist das etwas besonderes?
Jonglieren ist etwas besonderes, weil die meisten Leute das noch nicht viel gesehen haben. Jeder guckt, wenn man in einer Ecke in der U-Bahn 7 Bälle dotzt oder wenn man auf einer Wiese zu zweit Keulenmuster wirft. Es ist gar nicht so entscheidend, wie schwierig das nun wirklich ist.
Beim Schlagzeug dagegen muss man wohl sehr viel üben, um ein Publikum begeistern zu können. Denn jeder, der Radio oder CD-Player hat, weiß, wie das klingt. Ob der Drummer da tolle Sachen spielt, ist nicht so entscheidend - man kennt das jedenfalls.
Ich kann die Schwerkraft nicht kleiner stellen ODER wie lernt man das?
Beim Schlagzeug-Lernen finde ich toll, dass man das Tempo sehr weit runter drehen kann oder einfach mal das Metronom ausschaltet. Beim Jonglieren wisst ihr, wie das endet. Achja, Ausnahmen: Jonglieren mit Tüchern oder mit großen lufballonartigen Bällen. Von letzterem habe ich eine schöne Nummer in einer open stage der europäischen Jonglierconvention 2000 in Karlsruhe gesehen: da haben sich ein paar Jongleure als Astronauten angezogen und zu "Major Tom" mit riesigen Bällen quasi in der Schwerelosigkeit jongliert. Gerade solche Ausnahme-Nummern begeistern da immer das Publikum. Und ich habs sogar auf Video.
Man kann beim Schlagzeugen auch einfach eine Hand weglassen. Beim Jonglieren gibts prinzipiell ähnliches. Jeder, der 5 Bälle übt (was ziemlich lange dauert und erst mal quasi gar nicht voran geht), lässt 2 weg, jongliert also 5 mit 2 Löchern. Aber der Nutzen ist viel, viel, viel geringer als der Nutzen, den ich beim Schlagzeugen durch die beschriebenen Methoden habe.
Noch ein Vorteil beim Schlagzeug ist, dass die Synergie-Effekte stärker zu sein scheinen: Ich setze mich ans Set und spiele einfach los. Dann probiere ich irgendeine neue Variation, z.B. kürzlich auf Ride-Becken immer Viertel statt vorher Achtel. Schwupps - der Rhythmus, der vorher gut saß, klappt gar nicht mehr. Aber ein paar Minuten, dann kriege ichs langsam hin. Und das, was ich dabei gelernt habe, hilft mir bei vielem anderen wieder. Ich habe das Gefühl, automatisch sinnvoll zu üben, weil ich einfach nur gucken muss, was nicht klappt.
Beim Jonglieren sind die verschiedenen Tricks, wie mir scheint, etwas unabhängiger voneinander. Man sollte zwar 4 Gegenstände vor 5 lernen (Ausnahme habe ich beim Dotzen gemacht, da bin ich von 5 direkt auf 7), aber es ist ziemlich egal, ob man erst einen Shower oder jonglieren mit überkreuzten Armen lernt. Zwar hilft jeder Trick ein bisschen für den anderen, aber nicht so stark wie beim Drumming, scheint mir.
Was kann man alles lernen?
Nicht-Jongleure wissen vielleicht nicht, dass es wirklich unglaublich viele Jongliertricks gibt. Egal, ob man Bälle, Keulen, Diabolo, Devilstick, Ringe, Hüte ... jongliert. Egal ob es nur einer ist (Contact juggling) oder 5, 6, 7. Egal, ob man allein jongliert oder tolle Muster in der Gruppe macht (besonders beliebt, weil Jongleure gerne zusammen ihrer Leidenschaft fröhnen). Es gibt immer viele Variationen, die man alle lange Zeit üben kann.
Ich kann vielleicht so 30 Muster mit Bällen jonglieren. Am meisten stolz bin ich auf 7 Bälle dotzen und 5-Bälle-überm-Kopf. Aber am unterhaltsamsten für eine mehrminütige Vorführung sind für mich 3-Ball-Tricks. Aber die kann man nicht so erklären, dass es toll klingt. Die muss man sehen. TODO: hier einen Link einfügen.
Jetzt mal im Vergleich dazu meine ersten Schlagzeug-Eindrücke:
Es gibt noch viel mehr Rhythmen als Jonglier-Muster. Das liegt daran, dass man immer noch kleine Variationen machen kann. Von den verschiedenen stilistischen Wegen, die man gehen kann, habe ich noch keine Ahnung. Aber ich höre natürlich, dass Jazz ganz anders klingt als Rock. Wenn ich eins und eins zusammen zähle, dann komme ich dazu, dass wahrscheinlich kleine Welten dazwischen liegen.
Wo kann ich üben?
Die anderen Punkte sind neutrale Vergleiche. Hier jedoch gewinnt eindeutig das Jonglieren. Hier mal eine Liste von Orten, an denen ich jongliert habe:
- Im Zimmer
- In der Turnhalle
- Auf der Wiese mit Freunden
- Im Büro
- In ein paar Einkaufspassagen (für Dotzen gut, weil es da glatten Steinboden gibt)
- Im Bahnhof Koblenz (beim Umsteigen auf der Heimreise), auch in Köln und Friedrichshafen
- Im Flughafen auf Korsika (ein Pilot war ganz begeistert)
- In vielen Städten auf Jonglierconventions (Highlights: Schottland, Dänemark)
Präzision und Eleganz
Es ist wichtig schön gleichmäßig zu jonglieren, das weiß jeder Jongleur. Aber die meisten sehen das nicht so eng und lernen lieber 10 Tricks ganz gut als nur 2 sehr gut. Im wesentlichen ist das auch meine Einstellung. Allerdings muss ich schon zugeben, dass es toll ist, eine Profi-Nummer zu sehen, in der wirklich alles perfekt sitzt. In meiner eigenen Nummer (ca. 5 Minuten) habe ich eigentlich immer Drops gehabt, obwohl ich meine besten Tricks weggelassen oder nur ganz kurz gemacht habe. Wenn ich z.B. eine "Drop-Wahrscheinlichkeit" von 30% hätte erreichen wollen, dann hätte ich kaum mehr als Anfänger-Tricks vorführen können.
Profi-Jongleure (ja, die gibts sogar) dürften fast die einzigen sein, die wirklich so ernsthaft trainieren, dass sie Drops nicht akzeptieren, sondern stattdessen immer versuchen, alles "einzusammeln" sobald das Muster eine leichte Instabilität hat. Um perfekt zu werden ist das sicher das beste - aber es macht subjektiv weniger Spaß.
Beim Schlagzeugen muss ich mich da sicher etwas umstellen. Es bringt einfach nichts, einen Beat unsauber zu spielen. Das Analogon zu einem Drop wäre wohl ein Verspieler, der zu einem halbtaktigen Aussetzer führt (Aufheben des Balls), also absolut tödlich. Aber auch schon kleinere rhythmische Schwankungen verderben dem Kenner den Hörgenuss.
Aber da ich zunächst gar nicht vorhabe, in einer Band zu spielen, ist das nicht so kritisch bei mir und ich muss nicht die absolute Präzision drauf haben, bevor ich das nächst schwierigere angehe.
Ist das nicht stupide?
Das sage ich gern etwas provozierend. Mit stupide meine ich jetzt, dass man genau weiß, was zu üben ist und es dann eben tut. Da finde ich Schlagzeug und Jonglieren bisher sehr ähnlich. Es ist nicht so stupide wie Laufen oder Radfahren (was ich auch sehr gern mache) aber es ist nicht so anspruchsvoll (bitte nichts an dem Wort festmachen, es ist neutral gemeint) wie Softwareentwicklung oder gar Mathestudium.
Bis jetzt habe ich den Eindruck, dass der "Stupiditätsfaktor" beim Schlagzeug genau der richtige für mich ist. Ich betreibe meine Hobbies immer sehr intensiv. Bei Mathe hat das aufgrund geistiger Kapazitätsbeschränkungen nicht stundenlang am Stück geklappt. Beim Laufen machen die Beine schlapp und wollen sich generieren. Aber jonglieren und Schlagzeug üben kann ich stundenlang.
Vorläufiges Ende
So, jetzt schreibe ich schon über eine Stunde und habe nur ein Hobby abgedeckt (allerdings wäre für die anderen nicht so viel zu erzählen). Vielleicht schreibe ich später mal noch mehr von meinen Lebensweisheiten auf. Kommt drauf an, wie es euch gefällt
Viele Grüße,
Duschi