Bericht: Tower Of Power 12.07.07 Centralstation DA

  • Liebe Gemeinde,


    gestern hatte ich das Vergnügen Tower Of Power in der Darmstädter Centralstation zu hören.


    Für den eiligen Leser: Es war der Hammer.


    Jetzt für die, die Zeit haben: Eine bestens gelaunte und eingespielte Band betrat die Bühne und legte los, daß man ab dem Start das Gefühl hatte, man sei in der Mitte eines prima laufenden Konzerts. Die Groovemaschine läuft ab der ersten Sekunde und zwar mit dem typischen TOP-Bandsound. Keine Band klingt auch nur annähernd so wie die Jungs aus Oakland. Der Star des Abends ist - eigentlich wie immer - die Bläserfraktion. Das ist nach wie vor das Maß der Dinge wenn's um Satzspiel, interessante Arrangements und "Funkyness" (gibt's das Wort?) geht. Hammerhart, hammerhart! Die Herren können's nicht nur im Satz, sondern auch alleine oder zu zweit. Ein besonderer Höhepunkt war ein kurzes Intermezzo mit zwei Flügelhörnern. Ganz einfach, aber unglaublich berührend. Ein Flügelhorn alleine ist schon wie warme Butter, aber zwo - das ist wie ein Brötchen von beiden Seiten mit Butter bestreichen. Genial. Die Performance war soulig-funky, mit Audience-Participation, etwas Animation, aber alles mit einem ironischen Augenzwinkern, so auch die etwas tapsigen Tanzeinlagen der Bläser. Wirklich spaßig und man hatte das Gefühl nicht nur fürs Publikum. Die instrumentalen Leistungen waren oft überragend, als da wären die Bläser (sagte ich das schon?), hier insbesondere der Lead-Tenorist Tom Politzer und der Trompeter Adolfo Acosta (Über Doc Kupka und Emilio Castillo brauchen wir kein Wort zu verlieren, oder?), der Organist Roger Smith, der groovte wie die Hölle und der Frontmann Larry Braggs, der wirklich alle Facetten besten Soulgesangs locker über die Rampe brachte und sehr intonationssicher war. Für mich schon immer der Held bei TOP ist der Mann unten im Maschinenraum: Rocco Prestia. UNGLAUBLICH. Die Maschine läuft rund über die eigenwilligsten Trommelgrooves. Alleine sein Spiel ist den Eintritt wert und Rocco trägt einen ganz wesentlichen Teil zur Unverwechselbarkeit von TOP bei. Long live Rocco - bei seinen gesundheitlichen Problemen ein ehrlicher und sehr ernst gemeinter Wunsch. Alles in allem merkt man, daß einemda rund 500 Jahre an Bühnenerfahrung gegenüber stehen.Zwar alt, aber beileibe nicht abgehangen.


    Das Programm bestand größtenteils aus älterem Material, einige Stücke nach 1990 fanden dennoch Platz auf der Setlist, z. B. How Could This Happen To Me, oder als dritte Zugabe das formidable Soul With A Capital S. Das reguläre Set wurde nach 90 Minuten mit einer ergiebigen Version von What Is Hip beendet und während der ersten Zugabe gab es als kleines Schmankerl einen Ausflug zu ZZ Tops I'll Thank You im funky Kleid. Das hört man wahrlich nicht alle Tage. War da noch was? Genau der Trommler - und das ist kein geringerer als der unverwüstliche David Garibaldi. Sein Spiel ist nach wir vor sehr außergewöhnlich, mit vielen Synkopen und Hihat-Snare-Spielereien, Cowbell-Grooves und ab & zu Double Ridings. Gar nicht so einfach in Worte zu fassen, weil man eben nicht sagen kann "klingt wie…". Es klingt eben nicht wie..., sondern einfach "nur" nach David Garibaldi. Er guckt zwar immer, als würde er gerade Mordpläne schmieden, aber er klingt Gott sei Dank nicht so. Besonderes Ereignis: Ich habe ihn beim Lächeln ertappt. Wenn man mal nur auf die Trommelei hört, ist man oft bass erstaunt, daß es ob der Vertracktheit doch so gut groovt. Manchmal befürchtete ich, man müsse David gleich die Arme entknoten… Für mich war es manchmal eine Spur zu viel des Guten, doch das ist wie immer Geschmacksache und auch in etwa so, wie sich bei Spaghetti Pomodoro darüber zu beschweren, daß es nach Tomaten schmeckt. Und jetzt für die Musikerpolizei: Die Tempi waren nicht immer ganz konstant während der Nummern. DG zog etwas an, kam meist aber wieder zurück. Das wäre noch keine Erwähnung wert, weil's ja prinzipiell gut ist, wenn die Musik atmet. Doch hätte mir's besser gefallen, wenn das Tempo konstanter geblieben wäre. Das gibt der Band einen cooleren Groove, mehr Coolness. Überhaupt hing DG an diesem Abend im Timing sehr weit vorne und bei vielen Fills war er sehr eilig unterwegs. Das fiel insbesondere dann auf, wenn ein Mitmusikant einen Solospot hatte, der nur von Drums begleitet wurde. Ich weiß, das ist jetzt gespaltene Haare spalten und diese Winzigkeiten - und davon berichte ich hier - machen das Konzert kein Promill' schlechter. Aber wenn mir was auffällt, verspüre ich die moralische Verpflichtung Euch davon zu unterrichten :) Equipment: Yamaha & Sabian (mehr weiß ich nicht und es ist auch vollkommen wurscht) Sound: fette Bassdrum hohe, knackige Hauptsnare mit einem traumhaften Sidestick-Sound und sehr schönen Toms in eher mittlerer bis hoher Stimmung, schön resonant mit ordentlich Ton. Die Crahses waren sehr rauschig und trashy. Wunderbar. Ich finde David gut und ich find's klasse, daß da eine richtige Persönlichkeit sitzt: eigenwillig, mit Ecken & Kanten, aber unverwechselbar. Jemand, an dem man sich reiben kann. Das ist mir allemal lieber als ein eleganter, eloquenter, stilsicherer Hiclass-Trommler, so wie sie oft von Ami-Acts mit über'n Teich genommen werden: frisch von der Hochschule, technisch atemberaubend, aber (noch?) etwas charakterlos. Da ist Dave ein anderes Kaliber. Hut ab für den Herrn.


    Was soll ich sagen, was ich noch nicht gesagt habe?
    What Is Hip? TOP rulez!
    fwdrums

    nontoxic: kurze lange CD-Pause

    2 Mal editiert, zuletzt von fwdrums ()

  • Sehr schöner Bericht. Herzlichen Dank!


    Als ich TOP im letzten Jahr um die selbe Zeit sah, file mir bei DG eines im Besonderen auf:
    Er spielt mit sehr kleinen Bewegungen, mühelos zart und dabei unwahrscheinlich knackig. Das hat mich an ihm besonders beeindruckt. Ansonsten kommt es mir vor, als wären wir auf dem selben Konzert gewesen!


    Gruß,
    Sven

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

  • Finger genau richtig auf die Tastatur fallen gelassen...
    Wäre TOP was zum Essen, würden meine Füße wahrscheinlich 5cm unter Wasser stehen... vor Sabber ;)
    Klasse Bericht!

    Meine Beiträge sind maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig.
    mein Set


    Elu on nagu hernes.

    Einmal editiert, zuletzt von buddler ()

  • Klasse Bericht, klasse Band. Ich hab sie am Sonntag in Enschede gesehen.
    Darf ich fragen warum du mehr von Adolfo als von Mike begeistert warst?
    1. Lacht der Mike viel mehr.
    2. Ist die ganze Trompeten - Posaunen - Flügelhorn - Wechselei bei ihm voll hip ;) und
    3. hat er in Enschede die Lead Trompete und alle bis auf 2 Trompetensoli gespielt.
    War das in Darmstadt anders?

  • Hi Jonny W.,


    offenbar war's in DA anders, denn Adolfo hat einige sehr musikalische und spektakuläre (letzteres ist aber nicht so wichtig) Soli gespielt. In meiner Erinnerung ist er als Solist öfter und stärker in Erscheinung getreten als Mike Bogart. Adolfo hat Trompete und Flügelhorn, Bogart zusätzlichnoch Ventilposaune gespielt (einige haben danach drüber diskutiert, ob er zusätzlich noch normale Posaune gespielt hätte). Bogart war vom Spiel seines Kollegen wohl ganz angetan, denn er hat ihm öfters sein Gefallen kund getan.


    Außerdem tanzt Adolfo viel besser :)


    tärrräää
    fwdrums

    nontoxic: kurze lange CD-Pause

  • Ich hab vor drei (oder sinds schon vier Jahre her) Jahren ein Konzert in Mainz gesehen:
    Absolute Spitze!
    Den einzigen Wehrmutstropfen, den ich anmerken möchte ist, dass die Konzerte so kurz sind:
    90 Minuten, ein bis zwei Zugaben, Ende Gelände.


    Da waren 4 1/2 Stunden Maceo noch was ganz anderes.
    Gruß Latinboy

    "...ich scheisse schon wircklich bald 22 jahr aus dem nemlichen loch, und ist doch noch nicht verissen!" (Wolfgang Amadeus Mozart)

  • hehe, das stimmt :D

    Zitat

    Original von fwdrumsAußerdem tanzt Adolfo viel besser :)


    Das nicht ganz:


    Zitat

    Original von fwdrums
    ..., Bogart zusätzlichnoch Ventilposaune gespielt (einige haben danach drüber diskutiert, ob er zusätzlich noch normale Posaune gespielt hätte).


    Er hatte ne Superbone, Ventil und Zugposaune in einem. Da konnte man sehen
    wie gut ihm auch die Posaune liegt. Er hat also nicht wie meisten anderen Trompeter, die
    nebenher noch Posaune spielen eine in b gestimmte Ventilposaune gewählt.
    Er spielt wohl auch schon länger "richtige" Posaune.
    Die Ventile hat er so nur gebraucht wenn die andere Hand durch Trompete oder
    Flügelhorn versperrt war. Sonst immer per Zug gespielt.


    Edit: Form

    Einmal editiert, zuletzt von Jonny W. ()

  • Sehr schöner Bericht... hatte schon überlegt ob ich selbst was schreiben soll, weil ich ja immerhin die Ankündigung gepostet hatte, aber so gut, umfangreich und inhaltlich professionell hätte ich es nicht hinbekommen. Ach ja... die Temposchwankungen bei DG habe ich auch nicht mitbekommen ;( .


    Ansonsten bin ich der Meinung, daß er sein normales Set gespielt hat, ein Yamaha Birch Custom Absolute, 22erBD, 10,13,16TT, seine 14x3,5 Signature Snare und eine 10er oder 12er SideSnare. Die Becken erschienen mit auch der Standard zu sein (siehe Sabian Endorser Info)... kann man aber von weitem kaum erkennen. Mikroabnahme mit Yamaha Subkick - da war bestimmt noch ein Mikro im Inneren der BD aber das konnte man natürlich nicht sehen. Bei der Snare war die Live-Reso-Abnahme noch anmerkenswert.


    Was mir noch auffiel:


    Der Gitarrist Bruce Conte kam mir immer ein wenig so vor, als fühlte er sich nicht ganz wohl. Immer ein leicht unsicherer Blick und eine etwas steife Grundhaltung. Man hat´s im ToP Bandkontext als Gitarrist aber auch schwer.


    Die Chance zum Solo hat DG schon nach 4 Takten vorbeiziehen lassen... da sieht man das er eher der groovende, nicht der solierende Drummer ist. Ansonsten finde ich es, wie schon dumsandbeats, einfach genial wie locker und leicht er die Ghost Notes durchsetzten und teilweise verfrickelten Grooves herausschüttelt... und trotzdem klingt das Ganze knackig.


    Ach ja... wenn mir mein Schlagzeuglehrer nochmal sagt, man sollte beim Spielen versuchen ein wenig zu Lächeln und nicht immer finster dreinschauen... dann schicke ich ihn zum ToP Konzert.


    Ich habe auf jedem Fall 105 Minuten absoluten Spaß gehabt. Nicht nur, daß man immer das Gefühl hatte, eine perfekt eingespielte Truppe von Top-Musikern vor sich zu haben... die Jungs haben auch viel Charme und Spaß versprüht, sodaß man irgendwie immer ein Lächeln auf den Lippen hatte, wenn man ihnen zusieht. Ein schöner Abend.


    Edit: Tehlerfeufel

  • Zitat

    Original von chrisgau


    Ach ja... wenn mir mein Schlagzeuglehrer nochmal sagt, man sollte beim Spielen versuchen ein wenig zu Lächeln und nicht immer finster dreinschauen... dann schicke ich ihn zum ToP Konzert.


    Jau, ein Nachbar aus dem sonnigen Gelnhausen, sowas...


    Ich bin ebenfalls keine Grinsebacke und finde Davids Gesichtsausdruck während des Spielens richtig gut ;)

  • Ach übrigens... ein Blick auf David Garibaldi´s Blog (das er wirklich nur sehr selten auf den aktuellen Stand bringt) enthüllt Pläne für neue ToP Live DVD: Tower of Power live in Germany. Sieht so aus, als ob wir endlich eine DVD nach aktuellem Stand der Technik, d.h. in vernünftiger Bild- und Tonqualität erwarten können.


    Hier das Artwork:






    Na wenn das nicht eine schöne Zugabe für uns Konzertbesucher wird...

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