naturtalente

  • Es gibt sie, die Naturtalente, denen alles schlagzeugmäßige leicht und gewissermaßen in den Schoß fällt. In jungen Jahren hat mich das vor Neid erblassen lassen. Doch es gibt auch den anderen Fall, die gnadenlos untalentierten Drummer. Da heißt nicht, daß letztere keine guten Drummer werden können, nur ist der Weg für sie weiter und steiniger.


    Vor langen Jahren hatte ich Unterricht bei meinem Lehrer und der Schüler vor mir war noch im Unterrichtsraum. Ich schaute mal rein, sah einen jungen Pimpf und wartete darauf, daß er endlich das Feld räumt. Der Kurze hat nochmal die Hölzchen in die Hand genommen ein paar Takte gespielt und mit einem brachialen Fill sein Tun beendet, gelächelt und freundlich für mich Platz gemacht. Der Platz blieb erst mal leer, denn ich stand unter Schock und wäre in diesem Moment gerne weiß der Geier wo gewesen, nur nicht in diesem bescheuerten Übungsraum. Der junge Herr hieß Claus Hessler und zählt zweifelsohne zur o. g. ersten Kategorie, während ich - nach wie vor - definitiv nur über Kampf zum Spiel finde. Btw: Mein Lehrer heißt heute Claus.


    So ist die Welt und inzwischen freue ich mich über alle Natur- oder sonstigen Talente, denn Musik ist kein Wettstreit und je mehr gute Drummer es gibt, desto größer ist die Chance, daß ich gute Musik zu hören bekomme. Meine Einstellung ist also weit entfernt von jeder Philanthropie, sondern ausschlißlich egoistisch motiviert...


    Ein Trost noch für meine Leidensgenossen, die Gemeinschaft der Knapptalentierten: Es gibt auch die ganz tragischen Fälle: Ein weitläufiog Bekannter von mir ist ein wirkich sehr guter Akustikgitarrist und hatte sich in den Kopf gesetzt, ein ebenso guter Drummer zu werden. Doch es will einfach nicht so recht klappen. Er übte wie ein Doller und konnte technisch Erstaunliches spielen, doch der Groove wollte einfach nicht kommen. Meiner Meinung nach wollte er dies Sache übers Knie brechen und diese Einstellung hilft zum Groove imho nicht weiter.



    Zitat

    Original von Luddie
    ...
    Mir ist das bei der Workshopwoche in Marktoberdorf 06 wieder richtig klar geworden. Steve Smith spielt Zoro in den Sack. Ebenso sein Freund Russ Miller. Auch Wolfgang Haffner ist besser. Aber soll der Zoro deswegen aufhören zu spielen? Nein, weil er eine Bühnensau ist und den geilsten Shuffle hat!
    ...


    Vielleicht ist ja dann Zoro "besser"?
    Das ist genau das Problem mit besser oder schlechter. Es gibt keinen Maßstab, außer dem eigenen Geschmack - und beim Drumometer. Aber dann haben wir das Feld der Musik definitiv verlassen und sind bei der Leichtathletik angelangt:-)


    Luddie: lesenswerte Beiträge


    Keep On Groovin'
    fwdrums

    nontoxic: kurze lange CD-Pause

  • fwdrums: Vielen Dank, dito!


    Das wollte ich damit auch sagen. Der Massstab besser oder schlechter verwischt einfach, je "professioneller" es wird. Gäbe es nur eine einzige Musikrichtung und die dazu passende Spielweise, wäre die Beurteilung einfacher.


    Ich persönlich finde den Groove vom Zoro einfach geil! Man sitzt daneben und muss mitwippen.


    Und jetzt kommt die Preisfrage: würde ein ernsthafter Zuhörer den Zoro als weniger talentiert als Virgil Donati oder den TL bezeichnen, nur weil er keine 14 Pedale und 20 Becken hat? Hätte Steve Jordan aufhören sollen, weil er nicht so kompliziert spielen kann wie Marco Minnemann?


    Wenn man sich sowas vor Augen führt, wird einem klar, dass jeder einen Platz in der Musik hat, auch man selbst.


    Ich gebe zu: ich kann nicht so spielen wie Thomas Lang...aber Thomas Lang auch nicht so wie ich oder einer meiner Schüler. Es kommt nur darauf an, was man draus macht. Niemand kann alles!


    Und das ist sehr beruhigend...


    beste Grüße
    max


  • Danke :), du hast ja recht .. ich ärger mich auch nicht mehr drüber .. stattdessen üb ich, bringt mehr :D


    thomas

    Eat all the grass, eat all the grass that you want .. mow down the sexy people!

  • Zitat

    Original von Bumu
    [quote]Original von Reed311
    ...es gibt immer einen, der besser ist als Du selbst."


    Klar, kein problem...


    aber soll ich ma sagen was bei unserer band vor kurzem war?...


    na ja wir brauchten n neuen bass... dann kam einer der einen synthesizer hatte und zu unserem guitarristen meinte: "eh wir brauchen nur noch guitarre+ synthesizer, bass und drumm kann ich prima damit machen!"


    Wen sojemand kommt und auf diese art meint besser zu sein dann lach einfach und mach dein ding^^


    Tolle Band: Ein pullt mit nem synthesizer und nem fettem Ars***** welches irgendwelche instrumente ersetzt^^


    MfG

  • Zitat

    Original von Tornadofreak
    Eifersucht....


    Mich spornt das eigentlich nur an noch besser zu werden als diese Schösel.
    Und wenn die dann noch Arrogant grinsen etc. dann leg ich erst richtig los zu üben.


    Aber generell freu ich mich. Solche leute machen Schlagzeugen ebend zu der schönesten Sache der Welt. man pusht sich gegenseitig auf und setzt sich Ziele. Das fördert den Ehrgeiz!


    würdest du das auch sagen wenn du thomas lang zugeschaut hast? :P
    also der ist für mich jemand der mich nich wirklich anspornt weil man da fast sagen kann: egal wie viel und lang man übt,man wird das nie schaffen,also kann mans grad lassen

  • Nach meiner Erfahrung hauen die Talentbestien schneller in den Sack - nämlich wenn sie auch mal an einen Punkt kommen, der sich nur durch Fleiss überwinden lässt - als Drummer, die sich alles erarbeiten müssen.
    Das ist wie der Spruch: wenns nix kostet, isses auch nix wert.
    Wenns also keine Arbeit - Blut, Schweiss und Tränen ;)- kostet, kann mans auch schnell wieder lassen.
    Ich kenn massig viele Leute, die richtig gut hätten sein können, aber die standen sich oft selber im Weg...

    “If you end up with a boring miserable life because you listened to your mom, your dad, your teacher, your priest, or some guy on television telling you how to do your shit, then you deserve it.”
    Frank Zappa (1940-1993)

  • in diesem zusammenhang gerne noch einmal genannt:


    Zitat

    Original von Humpf
    Es kommt immer auf die Situtaion drauf an. Auffällig ist sehr oft, das solche Leute ihr kleines Fachgebiet haben, in dem sie Musiker die schon wesentlich weiter sind gnadenlos unter den Tisch spielen können. Allerdings ist es mit der Vielseitigkeit dann doch nicht so weit her und in anderen Stilen gehen sie schnell unter.


    aber:
    wem´s reicht, ist durchaus ein glücklicher und zufriedener drummer, es soll menschen geben, die gar nicht alles können wollen...

  • Bumu,
    ich wäre an deiner Stelle nicht im Geringsten Eifersüchtig. Schon garnicht auf etwas belangloses wie "Schnelligkeit" an der BD. Lass die Jungs doch mal einen Song auf 50-70 bpm. Dann soll der Gottschlagzeuger noch etwas improvisieren so dasses noch gut klingt. Wer kommt da wohl weiter? Ich hab' dich nicht spielen sehenhören aber ich sage -> Du.

    ~Sire Thomas Ash~
    ***********************************************
    Warum soll ich präzise wie ein Drumcomputer spielen,
    wenn Drumcomputer Shuffle- und Swingfunktionen haben?

  • richtig, sirom.


    wir könnten gezz anfangen auszudiskutieren, ob es denn wichtig ist, vieles (wir wollen mal nicht gleich von "alles/allem" reden - das kann realistisch eh keiner) zu können.


    mir ists lieber, wenn eine/r sein/ihr "fachgebiet" (durchaus die verquickung von stilen) beherrscht weil er/sie sich damit beschäftigt hat und dort auch möglichst bleibt. gilt für jegliche instrumente. was nicht heißen soll, dass der persönliche musikalische horizont nicht weit offen sein darf. im gegenteil.


    nur: vor lauter stilistischer unsicherheit kommen einige trommlerinnen und trommler gar nicht in den schlaf - vor allem die amateure. viele wollen von jazz bis metal alles machen (damit sie für jegliche bands gerüstet sind - das verstehe ich noch) und überall fit sein und checken gar nicht, dass das weder gefragt ist, noch als amateur wirklich realisierbar.


    viele können selbst nach jahren des erlernens des instruments in der musikschule keinen vielzitierten "bummtschak" geradeaus klopfen, geschweige denn "grooven". die wissen aber theoretisch wie eine samba oder ein swing geht. theoretisch. das klingt alles wie kraut und rüben, was da zusammengestolpert wird. und jenes gewurst wird einem dann noch als verquickung stilistischer elemente respektive "das-ist-mein/unser-stil" in der freizeitkombo auf dem stadtfest serviert. brr.


    ich gehe von den erfahrungen aus, die ich gemacht habe. bei uns wird noch so gelehrt, dass man möglichst in keiner band bestehen kann. ausser in der swingkombo der musikschule. und die klingt auch entsprechend. talent hin oder her.


    was hat das alles mit naturtalenten zu tun?


    naturtalente haben für mich erstmal anlagen von dem, was die nicht-talente sich mitunter viel härter und langwieriger erarbeiten müssen: groove, musikalität, technische fähigkeiten.


    wenn man das in die richtigen bahnen lenkt - als lehrer, chorleiter, bandleader oder was auch immer - kann da mal ein guter instrumentalist draus werden. ob es aber sinn macht, da frühzeitig jegliche stilistiken in das junge hirn reinzustopfen, weiß ich nicht. für mich jedenfalls nicht. das kann man von aussen beeinflussen aber nicht erzwingen. wenn ein naturtalent merkt, was es kann und sich musikalsisch-hörgewohnheitstechnisch erweitert, dann kommt die vielseitigkeit von allein, sofern denn da ehrgeiz und spielfreude mit im boot sind.


    aber: wenn es talente gibt die eben den bebop / den metal / den latin richtig gefressen haben, dann sollen die da auch bleiben. vielseitigkeit brauchen die nicht und daran werden die auch nicht gemessen werden.


    ich persönlich "bewerte" einen trommler nicht nach anzahl der von ihnen beherrschten stilistiken. eher danach, wie er in einer entsprechenden musikalischen situation agiert/reagiert und wie der sound zum gespielten passt. das ist dann für mich "talent".

    2 Mal editiert, zuletzt von renttuk ()

  • Stimm ich zu. Ich habe mich z. B. immer gegen Wirbel und das ganze gestroke gewehrt. Ist heute teilweise immer noch so - ich brauch's einfach nicht für mein Spiel. Dafür hängt mein Ridebecken z. B. zwischen HiHat und Tom, da wird dann geparadiddeledid oder was auch immer. Bevor ich Strokes übe, bleib ich immer bei Rimshotfiguren über Snare und Toms verteilt, hängen. ;)

    ~Sire Thomas Ash~
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  • Ich kann Sirom auch nur zustimmen.


    Ich hab mir Jahrelang eingeredet ich wäre ein guter Jazzer und hätte Speed und Technik. Hab ich vielleicht auch, aber ich hab mich trotzdem immer geärgert wenn Leute in der Musikart die ich mit meiner Band mache besser waren.
    Heute ist es mir scheiss egal. Wenn jemand besser ist als ich, dann grins ich mir eins und zieh mein ding durch. Ist zwar hart, gerade wenn es dann so arrogante $&/%J§$&"$ sind, aber was interessieren mich die...
    Natürlich wäre es geil, so göttlich wie Jojo Mayer zu spielen, aber: der Typ ist ein weltfremder Psychopath, will ich wirklich auch so werden?
    Ich kann das was ich brauche und noch ein bisschen mehr.
    Ich hab Spaß am spielen und das ist die Hauptsache.
    Und wenn jemand ankommt und meint: "hey, der letzte Fill war geil", "hey, das hat geil gegrooved" oder "du hast ne super Mimik beim spielen, da kommt voll was rüber", dann freu ich mich, aber wenn nicht störts mich auch nicht

    i was told by an irishman who also explained (from "personal experience") that if you ever blow up a bridge using a car filled with fertilizer, make sure you're on the side of the river where your house is.

  • Zitat

    Original von nacho-muchacho
    Natürlich wäre es geil, so göttlich wie Jojo Mayer zu spielen, aber: der Typ ist ein weltfremder Psychopath, will ich wirklich auch so werden?


    aha, du kennst ihn also näher.

  • Wir können das Ganze auch noch realitätsnah machen. Ich habe gerade die Entscheidung zwischen 2 Projekten. Das eine ist rein technisch wirklich nicht die Welt, man muß sich 'n' paar Breaks merken. Das andere ist teilweise wirklich superfunky, momentan (da Studioprojekt) so eigentlich auch nicht so wirklich komplett 1:1 spielbar (halt Splash geschlagen, während 16tel auf HiHat durchgehen).


    Jetzt kommt das verblüffende: Ich verkakke das einfache Projekt beim nachspielen zu ca. 117%. Demgegenüber hab' ich mit dem anderen nicht das geringste Problem. Toll, jetzt darf ich dem Projekt das lukrativer ist absagen. Ich krieg's einfach nicht gebacken, will und werde nicht. :P

    ~Sire Thomas Ash~
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    wenn Drumcomputer Shuffle- und Swingfunktionen haben?

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